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Das Telefon klingelte mich aus meinem wohlverdienten Schlaf. Aber dieser erste Satz stimmt schon mal nicht. Es war nicht das Telefon, sondern mein Handy. Und dieses klingelte, nicht weil mich jemand anrief, sondern weil ich die Weckerfunktion meines Handys auf sieben Uhr gestellt hatte. Jeden Morgen um 7 Uhr fluchte ich, denn ich empfand diese Zeit zum Aufstehen als unmenschlich. Ich hatte mir sagen lassen, dass es Leute gibt, die stehen schon um 6 Uhr auf und sind putzmunter. Mir war es schleierhaft, mit welchen Genen diese Leute ausgestattet waren. Mein Körper war mit irgendetwas anderem als 6 Uhr-Genen gefüllt, und ich musste mit dieser meiner Füllung leben. Aber dafür war der Job, den ich um 9 Uhr antrat, ein sehr lukrativer, und er machte mir sogar noch Spaß. Denn ich war Werbedesigner und ein erfolgreicher noch dazu. Also drehte ich dem Klingeln meines Handyweckers per Knopfruck den Hals um und stand sofort auf. Denn der Schrecken des Klingelns bedeutete für mich ausreichend Adrenalin. Ich ging ins Bad, verrichtete flüssige Körpermüllentsorgung, wusch meine Künstlerhände und schaute in den Spiegel. Wie jeden Morgen bekam ich einen Schrecken, wegen dem, was ich erblickte. Dabei war ich erst 29 Jahre alt. Ich nahm an, dass ich mich in den Wechseljahren befand, das war ich mit Sicherheit. Doch niemand glaubte mir, schon gar nicht die Frauen, die mir auf der Straße und in der U-Bahn immer nach stierten. Irgendjemand sagte mal, wenn man sich gut fühlt, kann man auch gute Werke erschaffen. Ich dagegen fühlte mich immer schlecht, und ich erschuf immer gute Werke. Jedenfalls sagten das die anderen, ich eigentlich auch und auch mein Erfolg. Meine Chefin sagte, ich mache die besten Entwürfe, wenn ich depressiv bin. Ich war immer depressiv. Und ich wollte eigentlich gar nicht wissen, was ich zeichnen würde, wäre ich mal seelisch gesund. Und nochmal eigentlich wollte ich Kunst studieren. Aber die in der Kunstakademie hatten mich abgelehnt. Ich bewarb mich danach noch neunmal, und irgendwann wollte der Dekan des Hauses mir die Polizei wegen Belästigung auf den Hals schicken. Also ließ ich von da an die Akademie in Ruhe.

Eigentlich war es nur Zufall. Meine jetzige Chefin traf ich in meiner Kneipe, in der ich mir den Hals mit irgendwelchen Getränken zuschüttete. Ich hatte meine Kunstmappe dabei, frisch abgeholt von der Akademie, die mich zum zehnten Mal nicht wollte. Und eine Polizeidrohung in meiner Seele.

„Was trinken Sie da?“, fragte sie mich.

„Weiß nicht, was trinke ich?“, fragte ich den Barkeeper.

„Wodka-Lemon, den zwölften!“, auskunftete John, das war der Barkeeper.

Er hatte mich all' die Jahre nach der regelmäßigen Abholung meiner Kunstmappe von der Akademie seelisch begleitet.

„Für mich auch einen bitte!“, sagte sie.

Dann saßen wir nebeneinander an der Theke, sagten kein Wort. Ich gab mich meinem Rausch hin, und sie bekam bald ihren Drink.

„Es scheint, dass Sie was vertragen können!“, sprach sie auf einmal zu mir.

„Ich kann 'ne Menge vertragen, aber nicht, dass ich zum zehnten Mal von der Akademie abgelehnt worden bin!“

„Was für eine Akademie?“

„Kunstakademie!“

„Sie sind Künstler?“

„Nein! Das haben ich ja gerade versucht, Ihnen zu erklären! Die haben mich abgelehnt, die haben mir sogar mit Polizei gedroht!“

„Mit Polizei? Mannomann, Sie wissen, wie man den öffentlichen Arm in Bewegung bringt!“

„Den öffentlichen was?“

„Arm, ich sagte Arm!“

„Arm? Was für 'n Arm?“

„Vergessen Sie 's!“

„Ich muss nach Hause!“, sagte ich und verließ den Barhocker.

Was dann geschah, war recht peinlich. Ich fiel hin, aber ich kotzte nicht. John eilte zu mir, denn er kannte das schon. Er half mir auf.

„Findest du den Weg nach Hause, Roy?“, fragte John.

„Das hast du mich vor einem halben Jahr auch schon gefragt, John!“

„Aber damals waren es nur zehn Wodka-Lemon gewesen!“

„Zehn? Soviel verträgt doch kein Mensch!“

„Du hattest sie vertragen, Roy!“

„Nein, ich hatte sie nicht vertragen, ich hatte dir deinen ganzen Boden vollgekotzt!“

„Heute hast du aber nicht gekotzt!“

Kaum hatte John das gesagt, kotzte ich ihm den Boden seiner Kneipe voll.

Sprung

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