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ENGELS ÜBER MARX BIOGRAPHIE ALS GESCHICHTSPOLITIK

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WILFRIED NIPPEL

Friedrich Engels hat nach dem Tode von Marx das gemeinsam betriebene „Compagniegeschäft“1 verschiedentlich erläutert. Er habe stets gern die „zweite Violine“ hinter Marx gespielt; wenn er aber auch „in Sachen der Theorie Marx’ Stelle [zu] vertreten“ habe, könne das „nicht ohne Böcke“ gehen, schrieb er in einem Privatbrief.2 In einem publizierten Text hieß es, ihm sei zugefallen, „unsere Ansichten in der periodischen Presse, also namentlich im Kampf mit gegnerischen Ansichten zu vertreten, damit Marx für die Ausarbeitung seines großen Hauptwerks Zeit behielt. Ich kam dadurch in die Lage, unsere Anschauungsweise meist in polemischer Form […] darzustellen“.3

Zu Engels’ Geburtstag 1887 schrieb sein „Schüler“ Karl Kautsky in einem Artikel, der mit dem Gefeierten eng abgestimmt war, Marx habe „die gemeinsam gefundene Theorie systematisch für die wissenschaftlich Welt“ ausgearbeitet, Engels sie polemisch gegen Gegner vertreten und auf ihrer Basis „die großen Fragen der Gegenwart […] und die Stellung des Proletariats ihnen gegenüber“ behandelt. Er betonte zugleich, dass Engels mit Anti-Dühring, 1877/78 erschienen, also zu Lebzeiten von Marx, „das grundlegende Werk des modernen Socialismus“ veröff entlicht habe, in dem „die wichtigsten Punkte des gesammten modernen Wissens vom Standpunkte der Marx-Engelsschen mate-rialistischen Dialectik“ behandelt seien.4

In seinem Nachruf bezeichnete Eduard Bernstein, der andere „Meisterschüler“, Engels als „Träger und Dolmetscher der großen Gesichtspunkte unserer Bewegung“. Die Geschichte werde ihn „den Mitbegründer des modernen wissenschaftlichen Sozialismus“ nennen und ihm die „gebührende Stelle neben Karl Marx anweisen, die er sich bescheiden stets verweigert hat“.5

Ohne Engels hätte es keinen „Marxismus“ gegeben,6 denn er hat mit der Publikation von Kapital, Band 2 und 3 aus den nachgelassenen Manuskripten von Marx dessen Hauptwerk zum Abschluss gebracht7 und mit den Neuausgaben diverser älterer Schriften ein erstes Corpus Marx’scher Texte konstituiert.8 Er stellte ihnen zugleich historisierende wie aktualisierende Vorworte voran, die dann als authentische Interpretationen die Wirkungsgeschichte entscheidend geprägt haben.9 Engels hat ferner mehrere Monate darauf verwendet, den von dem Nationalökonomen Lujo Brentano nach fast zwanzig Jahren aus durchsichtigen politischen Gründen neu aufgelegten Vorwurf, Marx habe im Kapital ein Zitat verfälscht, in einer Broschüre von 75 Seiten, In Sachen Brentano contra Marx wegen angeblicher Zitatfälschung. Geschichtserzählung und Dokumente (1891), zu zerpflücken.10

Ob Engels mit seinen eigenen Schriften „Böcke“ geschossen hat, ob seine Ausdehnung des Geltungsbereichs der Marx’schen Theorie auf tendenziell alle Wissenschaftsgebiete (Anti-Dühring) oder der „materialistischen Geschichtsauffassung“ (ein von Engels geprägter Begriff) auf die gesamte Menschheitsgeschichte (Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, 1884) noch „Marxismus“ oder eher „Engelsismus“ waren, ist eine äußerst schwierige Frage, die hier nicht verfolgt werden kann. Im Folgenden geht es um ein spezifisches Genre, biographische Skizzen, mit denen Engels der Öffentlichkeit ein spezifisches Marx-Bild präsentiert hat, das im 20. Jahrhundert aus bekannten politischen Gründen kanonische Bedeutung bekommen hat. Engels hat sich auch hier in der Doppelrolle als publizistischer Vermittler und „Gegnerbekämpfer“ gezeigt.


Louis Kugelmann (1828–1902), Arzt in Hannover, 1868. Friedrich Engels besuchte 1867 Louis Kugelmann, der in seiner Studienzeit in Göttingen 1851/1854 dem Bund der Kommunisten angehört hatte. Kugelmann setzte sich für die Verbreitung des ‚Kapitals‘ ein und stand mit der Familie Marx in Kontakt.

Friedrich Engels

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