Читать книгу Finde die Liebe, die dir als Kind gefehlt hat - Julia Tomuschat - Страница 9

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Liebe Leserin, ich stelle mir vor, dass du dir nicht nur Papier und Bleistift bereitgelegt hast, sondern dass du innerlich für das Selbstliebe-Coaching bereit bist. Neugierig schlägst du die ersten Seiten auf und hast Lust, dich durch das Buch zu führen und mit ihm zu arbeiten. Als Coach braucht man Hintergrundwissen darüber, wie Menschen ticken, deshalb beschreibe ich in diesem Kapitel, wie verschiedene Persönlichkeitsanteile zusammenspielen.

Die Aussage »Ich bin viele.« beschreibt eine Alltagserfahrung. Klar, wir sind facettenreich. Im Büro bei der Teambesprechung verhalten wir uns anders als daheim am Küchentisch: Wir haben ein berufliches und ein privates Selbst. In uns leben unterschiedliche Anteile. Und wenn man all die inneren Teile zu einer Party einlüde, käme eine erkleckliche Anzahl Gäste unterschiedlichen Alters zusammen. Die Schematherapie, ein psychotherapeutischer Ansatz, geht davon aus, dass wir ein Kind-Ich, Eltern-Ich und ein Erwachsenen-Ich, sozusagen als Stammgäste, in uns beherbergen. Andere psychologische Richtungen sprechen vom inneren Dialog, der mehrere Stimmen hat, vom inneren Team mit mehreren Rollen oder von der Teilearbeit. Die Dynamik zwischen dem inneren Kind und seinen Eltern steht in diesem Buch im Vordergrund.

Mir ist bewusst, dass ich die Perspektive verenge, wenn ich Vater und Mutter als wichtigste Einflussgröße für unsere Psyche herausschäle. Wir sind komplexe Wesen in einer vielschichtigen Welt. Selbstverständlich existieren weitere Faktoren, die uns stärken oder schwächen. Aus der Forschung weiß man zum Beispiel, dass Persönlichkeitsmerkmale auch vererbt werden. Dazu gehört beispielsweise, ob jemand psychisch stabil ist. Manche Menschen sind von Haus aus robuster und weniger empfänglich für negative Emotionen als andere.2 Umweltfaktoren und Erfahrungen im Mutterleib3 sind ebenfalls bedeutsam: Es spielt eine Rolle, ob wir in armen oder reichen Verhältnissen aufwachsen. Verzeihe mir bitte, wenn ich dennoch nicht alles berücksichtige und mich so sehr auf die Eltern ausrichte. Sie sind nicht der alleinige Einflussfaktor, aber sie sind äußerst wichtig. Solltest du nicht bei deinen biologischen Eltern aufgewachsen sein, kannst du für das Coaching deine Beziehung zu allen wichtigen Bindungspersonen betrachten, zum Beispiel zu deinen Adoptiveltern.

Weil wir mit den Eltern die allerersten Beziehungserfahrungen machen, sind diese derart prägend, dass sie zu einem festen Bestandteil unserer Psyche werden. Kinder tragen eine Liebeserwartung in ihrem Herzen. Selbst wenn sie wollten, könnten sie sich nicht dagegen wehren. Babys kommen bindungsbereit, ich nenne dies auch »liebesbereit«, auf die Welt. Säuglinge wenden sich instinktiv den Menschen in ihrer Umgebung – meistens den Eltern – zu. Sie drehen ihr Köpfchen dahin, wo es nach Mama riecht, und folgen Papas Stimme mit den Augen. Sie bemühen sich aktiv um Nähe. Damit gehorchen sie einer biologischen Notwendigkeit. Schließlich hängt ihr ganzes Weh und Ach, ihr Überleben, davon ab, ob ihnen die Eltern wohlgesonnen sind (siehe auch das Kapitel »Urvertrauen« über das innere Baby >). Ohne Fürsorge kommt kein Menschenkind durch. Deshalb sind Babys neurobiologisch auf Bindung programmiert. Ob wir wollen oder nicht: Papa und Mama sind unsere erste große Liebe.

Auch in den folgenden Jahren sind die Eltern für das Kind der wichtigste Fixpunkt. Ihnen gilt (fast) alle Aufmerksamkeit. Es sieht, ob der Vater, wenn er mit ihm spricht, die Stirn runzelt oder ob seine Augen weich und wohlwollend auf ihm ruhen. Das kleine Kind hört, was die Mama sagt, und vor allem, wie sie Dinge sagt. Mit seinen sensiblen Antennen nimmt es wahr, wie sich seine Eltern verhalten. Sind sie angespannt oder relaxed? Klingen sie glücklich oder verzweifelt? Wie ein trockener Schwamm nimmt es ihre Stimmungen auf und passt sich an. All diese Erfahrungen drücken uns einen Stempel auf. Sie graben sich so sehr ins Hirn und in den Körper ein, dass irgendwann die Eltern gar nicht mehr anwesend sein müssen, um ihre Stimme zu hören. In der Psychologie heißt es, man habe die Eltern verinnerlicht.

Finde die Liebe, die dir als Kind gefehlt hat

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