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2.3 Numismatik

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Wie Inschriften sind auch Münzen so erhalten, wie sie in der antiken Welt seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. im Umlauf waren. Sie ermöglichen uns gleichsam, »die antike Geschichte in die Hand zu nehmen«. Der Deutung von Münzen widmet sich die Wissenschaftsdisziplin der Numismatik. Da Münzen in recht hoher Stückzahl aus haltbarem Metall geprägt wurden und fast durchweg in mindestens einem Exemplar erhalten blieben, sind heute die allermeisten Münztypen aus der Antike bekannt und in der Regel auch in den großen Münzsammlungen belegt.

Während heutige Münzen in aller Regel ihren Nennwert durch die Prägung anführen (»1 Euro«), nennen antike Münzen keinen Wert. Vielmehr proklamiert eine von ihren Nutzergruppen als echt anerkannte Prägung, dass für eine Gold- oder Silbermünze der jeweils vorliegenden Gewichtsklasse sowohl das genaue Gewicht als auch der Feingehalt (also der Anteil an Edelmetall) dem entsprechen, was die Nutzergruppen jeweils erwarten. Dies war möglich, solange der Materialwert einer Münze weitgehend dem Nennwert entsprach und solange Vertrauen in die Institution bestand, die durch die Prägung der Münzen Gewicht und Feingehalt garantierte. Ein römischer Denar etwa (in den Bibelübersetzungen oft als »Silbergroschen« wiedergegeben) bestand aus knapp 4½ g Silber (später weniger) und hatte den Wert seiner Silbermenge; diesen Wert in heutige Kaufkraft zu übersetzen ist allerdings nicht sinnvoll möglich, da das Gefüge von Löhnen und Preisen im Altertum ganz verschieden von den heutigen Verhältnissen war. Sowohl als Tauschmittler als auch zur handlichen Anlage von Werten (wie etwa heute die faktisch nie als Zahlungsmittel eingesetzten »Maple Leaf«-Goldmünzen aus Kanada) wurden Münzen aus Edelmetall in der ganzen Antike genutzt.

Ebenso oft wie missverständlich hat man übrigens formuliert, in der römischen Kaiserzeit hätten »die Kaiser« selbst Münzen mit wechselnden Motiven als aktuelles »Propaganda-Mittel« geprägt. Dafür aber fehlen Belege, und zwar sowohl auf der Seite der Kaiser als auch auf der Seite derer, bei denen diese »Propaganda« wirken sollte. Tatsächlich lag die Auswahl der Motive für die Prägungen wohl bei nicht besonders hochrangigen Münzmeistern; eine Mitgliedschaft im zuständigen »Drei-Männer-Kollegium für das Gießen und Prägen von Kupfer, Silber und Gold« stand oft ganz am Anfang einer Karriere in der römischen Verwaltung (einen solchen Münzmeister werden wir in → Kap. 5.6 kennenlernen). Freilich werden diese aufstrebenden jungen Männer ein Gespür dafür gehabt haben, was die Obrigkeit jeweils gerade als Themen bevorzugte, also einen Reflex auf deren Prioritäten bieten. Die Nutzer von Münzen scheinen ihrerseits in der Tat nur sehr selten wahrgenommen zu haben, welche Motive eine Münze genau bot. Sogar einer der wenigen Belege für eine solche Wahrnehmung, die im Neuen Testament in den Evangelien überlieferte Geschichte vom sogenannten »Zinsgroschen« (Markus 12, Lukas 20 und Matthäus 22), zeigt nur, dass die von Jesus Befragten auf dem ihnen präsentierten römischen Denar irgendeinen Kaiser erkennen, nicht aber dessen Namen und schon gar nicht das Prägemotiv auf der anderen Seite der Münze, das aktuelle »Propaganda« vermitteln könnte.

Und sie kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und fragst nach niemand; denn du siehst nicht auf das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes recht. Ist’s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen? Er aber merkte ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: Was versucht ihr mich? Bringt mir einen Silbergroschen (Denar), dass ich ihn sehe! Und sie brachten einen. Da sprach er zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach Jesus zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!

(Neues Testament, Markusevangelium 12,14–17)

Überdies waren Münzen aufgrund ihres hohen Materialwerts sehr lange im Umlauf, so dass sie als jeweils aktuelles »Propaganda-Mittel« nicht gut geeignet gewesen wären. Anschaulich machen dies die sogenannten Hortfunde: Wurden gleichzeitig im Umlauf befindliche Münzen miteinander versteckt, etwa weil man in unruhigen Zeiten seine Wertsachen in Sicherheit bringen wollte, und geriet das Versteck dann in Vergessenheit, stellt es bei einer heutigen Wiederentdeckung einen sogenannten Hortfund dar, dessen Vergrabung man anhand der jüngsten Münze auf die Zeit bald nach der Prägung dieser Münze datiert. Zugleich macht ein Hort anschaulich, wie lange die älteren im ihm erhaltenen Münzen im Umlauf gewesen waren, bevor sie als Wertsache vergraben wurden. So werden wir unten (in → Kap. 8.1) einen solchen Fund kennenlernen, der Münzen umfasste, deren älteste schon vor 30 v. Chr. und deren jüngste 167 n. Chr. geprägt worden waren. Betrachtet man dann gar mehrere Hortfunde im Zusammenhang, erlaubt ihre je einzelne Datierung insgesamt einen Einblick, welche Zeiten man im Fundgebiet offenbar als besonders unruhig wahrgenommen hat (s.u. → Kap. 8.1 und 8.3). Nicht nur das Einzelstück, sondern auch der Fundkontext ist deshalb von hoher historischer Bedeutung; ihn zu dokumentieren ist daher unbedingt erforderlich.

In der Tat gibt es aus dem Karpatenbogen eine beachtliche Anzahl sehr schön gestalteter großer Goldmünzen aus der Zeit vor der römischen Eroberung, dazu kommen einige neuerdings entdeckte Silbermünzen mit gleicher Gestalt. Die Goldmünzen wiegen im Durchschnitt knapp 8½ g, also etwa so viel wie eine griechische Doppeldrachme (2 Silberdrachmen, auch als »Statér« bezeichnet), nutzen aber Bilder, die sie in der römischen Welt geprägten Denaren entnehmen: Auf der Vorderseite zeigen sie einen römischen Amtsträger, der zwischen zwei Begleitern schreitet, welche als sogenannte Liktoren seine Amtsgewalt markieren; davor steht in griechischen Buchstaben die Aufschrift KOSON, die einen Eigennamen oder den Namen einer politischen Einheit im Genitiv Plural (etwa »von den Kosoi«) bezeichnen kann, außerdem ein unklares Monogramm, das man meist als BR oder BA liest und dessen Deutung (Brutus? Basileus, also König?) daher umstritten ist. Die Rückseite bietet einen Adler mit Kranz und Zepter (→ Bild S. 133 oben). Die Motive entsprechen auf der Vorderseite einem römischen Silberdenar, den der Gegner (und spätere Mörder) des Gaius Iulius Caesar, Marcus Iunius Brutus, 54 v. Chr. zur Erinnerung an die Vertreibung des letzten römischen Königs durch seinen Vorfahren Lucius Iunius Brutus prägen ließ, während die Rückseite einen älteren, nämlich schon 73 v. Chr. geprägten Silberdenar des Quintus Pomponius Rufus zum Vorbild hat. Offenkundig garantierte also die Person oder die politische Einheit KOSON, die in der griechischen Aufschrift genannt ist (s.u. → Kap. 5.6), für Gewicht und Feingehalt nach einem griechischen Standard, nutzte aber Motive von seit Jahren im Umlauf befindlichen römischen Münzen, um das vertraute Erscheinungsbild einer Münze zu erreichen. Die Fundverteilung der erhaltenen Stücke deutet auf einen Ursprung der Prägungen im Karpatenbogen hin – und macht anschaulich, ja greifbar, wie diese Region gleichsam im Brennpunkt sowohl der griechischen als auch der römischen Kultur stand und sich deren Traditionen kreativ aneignete.

Archäologische Evidenz, Inschriften und andere Aufschriften auf organischem und auf haltbarem Material sowie Münzen haben gemeinsam, dass sie – wenn auch oft nur in Fragmenten – so erhalten sind, wie sie in der Antike angefertigt wurden. Der besondere Wert dieser Quellengattungen liegt also darin, uns unmittelbar mit antiken Objekten zu konfrontieren.

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