Читать книгу LUCIFER - Katharina Kopplow - Страница 10

Höllensturz Kapitel 8

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„Aufhören.“ Lucifers Stimme war nicht mehr als ein Wispern in dem riesigen Thronsaal. „Ich kann nicht mehr...“

Beinahe erwartete er einen abschließenden Schlag auf die empfindlichen Flügel, denn Satan schreckte nicht davor zurück, ihn noch zu treten und zu prügeln, wenn er schon regungslos und zusammengerollt am Boden lag, so wie jetzt. Doch stattdessen legten sich die großen, kalten Hände des Höllenkönigs auf seine schützend um den Körper gelegten Flügel und streichelten mit einer grausamen Sanftheit darüber.

„Wie war das? Ich habe dich nicht verstanden, kleiner Engel.“ Seine Stimme krachte wie Donner, während Lucifer am Boden sich bemühte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Blut klebte an seinen Lippen, es stammte von dem ausgeschlagenen Zahn von vor zwei Tagen, doch seinem Körper war nicht genug Zeit zur Regeneration gewährt worden.

„Bitte hört auf“, hauchte Lucifer, die Augen fest geschlossen, um nicht auch noch den Triumph in Satans Augen mitansehen zu müssen. So gedemütigt hatte er sich in seinem ganzen Leben noch nicht gefühlt.

Lachend grub der Dämon seine Klauen in die Flügel, bis Blut über die weißen Federn lief und mit einem kaum hörbaren Geräusch zu Boden tropfte. Lucifer blinzelte, sein Gesicht fühlte sich kühl an, sein Körper geschunden. Ruhig beobachtete er, wie sich eine kleine, rote Pfütze bildete, eine Pfütze seines eigenen, engelhaften Blutes.

„Zwei Wochen lang lässt du jede Behandlung schweigend über dich ergehen und machst auf unnahbar und jetzt bettelst du plötzlich um Gnade? Wo ist denn dein Stolz und deine Selbstachtung geblieben, kleiner Engel?“, höhnte Satan.

Gequält biss Lucifer die Zähne aufeinander, um sich einen Kommentar zu verkneifen. Der Höllenkönig hatte den wunden Punkt genau getroffen, den er verursacht hatte; niemals hätte Lucifer auch nur ein Wort an diese Bestie gerichtet, doch nach zwei Wochen der Misshandlungen waren seine Kraftreserven aufgebraucht. Satan schien sich einen Spaß daraus zu machen, ihn so lange zu quälen, bis er eine Reaktion zeigte, sei es ein hasserfüllter Blick oder eine spontane Abwehrreaktion. Letzteres hatte Lucifer jedoch bereits nach wenigen Tagen aufgegeben, da es nur zu noch mehr Gewalt führte.

Mit Tritten, Schlägen und Spott hatte Satan schließlich seinen Stolz gebrochen und Lucifer ahnte, dass der Höllenkönig ihn nun genauso systematisch vernichten würde wie die anderen gebrochenen Dämonen am Hofe. Der erste Schritt war getan. Lucifer hasste sich selbst dafür, dass er nicht aufstand und diesem Tyrann erneut die Stirn bot.

„Was denn, wirst du wieder schweigsam?“ Satan griff in sein Haar und zog ihn so unsanft auf die Füße, dass Lucifer glaubte, seine Kopfhaut würde gleich abgezogen. „Antworte mir!“

Lucifer verlor den Boden unter den Füßen, der Schmerz in seinem Kopf wurde so unerträglich, dass ihm die Tränen in die Augen schossen. Voller Hass blickte er in Satans rot glühende Augen, fuhr mit den Augen die gewundenen Hörner nach und stellte sich vor, eine Klinge durch dieses hässliche grinsende Gesicht zu treiben. Widerwillen regte sich in seinem Herzen, sich diesem Mann zu unterwerfen, ihn Macht über ihn entwickeln zu lassen.

In der Dunkelheit der hinteren Ecken des Saals verbargen sich Amon und Leona. Inzwischen wusste Lucifer, wie ihre Blicke an ihm hingen, wie sie hofften und bangten, er würde sich nicht unterkriegen lassen. Langsam öffnete er die Lippen, Blut sickerte dazwischen hervor.

„Ihr seid so widerwärtig!“, zischte der Engel.

Die Konsequenzen trafen ihn unvorbereitet. Schmerz, ein kurzer Ruck, dann lag er erneut auf dem Boden, fünf Meter von seiner ursprünglichen Position entfernt. Lange Klauen schlossen sich um seinen Nacken, rollten ihn auf die Seite, dann krachte ein Stiefel in seinen Schritt und raubte dem Engel minutenlang die Luft. Erst als sich die Schwärze vor seinen Augen lüftete, hörte er die Beschimpfungen, die Satan ihm an den Kopf warf.

„Schmutzige Missgeburt! Im Himmel konntest du mit deinem Heiligenschein das übrige Geflügel vielleicht beeindrucken, aber hier bist du weniger wert als Staub!“

Satan setzte den Stiefel auf Lucifers Knie und presste es mit Gewalt auf die harten Marmorplatten. Verzweifelt mit den Flügeln schlagend versuchte der Engel, dem festen Druck zu entkommen, doch da gab sein Knie mit einem unangenehmen knackenden Geräusch nach, sodass sich Satans Stiefel ins Fleisch bohrten. Der Schmerz war unglaublich. Lucifer glaubte, noch im selben Moment sterben zu müssen, während Satan seinen Knochen weiter zertrümmerte, bis der untere Teil seines Beines in einem unangenehmen Winkel verdreht abstand. Es hätte ihn nicht gewundert, den Knochen aus dem Fleisch ragen zu sagen.

Mit einem diabolischen Grinsen ließ Satan von ihm ab, kniete sich neben ihm und legte in einer unschuldigen Geste eine Hand auf die Verletzung, um sanft darüber zu streicheln.

„Weniger als Staub“, wiederholte er mit gebleckten Zähnen, dann erhob er sich und ließ den Blick durch den Saal schweifen. Stöhnend vor Schmerz robbte Lucifer weg von seinem Peiniger, das schmerzende Bein nachziehend.

Sanfte Finger strichen über seine Wange, doch bevor er die Kraft aufbringen konnte, den Kopf zu heben, gaben seine Arme nach und er fiel in die angenehm warme Schwärze der Ohnmacht.


Mit angezogenen Knien hockte Amon am Fußende des Bettes und beobachtete Leona, die vorsichtig mit ihrer verbliebenen Hand eine Schiene um das möglicherweise gebrochene Knie anzubringen versuchte. Die Jahrhunderte unter Satans Willkürherrschaft hatten sie gelehrt, Wunden zu versorgen und gebrochene Knochen richtig verheilen zu lassen. Ohne ihre Fürsorge hätten viele Dämonen einen grausamen, schmerzhaften Tod erlitten.

„Jetzt hat der Dummkopf seine Lektion hoffentlich gelernt“, murmelte Amon und spielte mit seinem Zopf. Immer wieder glitt sein Blick zu dem blassen Gesicht und den heftig unter geschlossenen Lidern zuckenden Augen. Mit seinem wilden Blick, dem starken Körper und den riesigen Schwingen war der Engel an sich wunderschön und auch die von Satan zugefügten Wunden verliehen ihm etwas Wildes. Doch diese überschäumende Naivität und Selbstgerechtigkeit trübte das Bild des edlen, starken Engels. Amon hatte nur Spott für dieses Verhalten übrig.

„Er ist nicht von hier“, hielt Leona dagegen und streichelte dem Engel durch das weiße Haar. „Er muss sich erst noch zurechtfinden und die Regeln der Hölle erlernen.“

„Dann hoffe ich, dass er sie schnell lernt. Wäre schade um sein hübsches Gesicht.“

Leona lächelte sanft.

„Du magst ihn, Amon.“

Schulterzuckend erhob sich Amon aus seiner kauernden Position und trat näher an den Bewusstlosen, um ihn eingehend zu mustern.

„Ein bisschen. Er ist ein Vollidiot, sein bequemes Leben im Himmel zu gefährden, aber das lässt sich jetzt wohl nicht mehr ändern.“ Sanft fuhr er durch die weißen Strähnen. „Und ich glaube auch nicht, dass er sich in Zukunft unterordnen wird. Lucifer wird uns noch einigen Ärger bereiten, Mutter.“

Es war eine Floskel, sie als Mutter zu bezeichnen, denn sie hatte lediglich seinen Körper geboren, obwohl er den Geist ihres eigentlichen Sohnes längst übernommen hatte. Amon war der Name, den er in diesem Leben trug, doch er hatte schon viele gelebt, sowohl als Dämon, als auch als Mensch. Wer auch immer ihm einen Körper gab, erlangte die Macht über das Schwert Kasdeya Elathan und bedauerlicherweise war es in diesem Fall Satan gewesen, der ihm den Körper seines Sohnes überlassen hatte. Dieses Opfer war ihm vermutlich nicht schwer gefallen.

„Er ist stark“, entgegnete sie ruhig. „Satan wird ihn nicht brechen können.“

„Das hast du schon bei vielen Männern und Frauen gesagt, die Satan gegenübergetreten und innerlich tot zurückgekehrt sind.“ Amon wandte sich ab, schlüpfte in seine Stiefel und öffnete die Tür. „Ich hege keine Hoffnungen, was diesen angeht.“



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