Читать книгу LUCIFER - Katharina Kopplow - Страница 5

Höllensturz Kapitel 3

Оглавление

Etwa zwei Dutzend von Lucifer persönlich ausgewählte, absolut vertrauenswürdige Engel gehörten zum Innersten Kreis der Revolutionsbewegegung. Der Großteil von ihnen hatte sich bereits in einer kleinen Lagerhalle am Rande der himmlischen Stadt versammelt, als ihr Anführer, Gottes Lieblingsengel höchstpersönlich, endlich eintraf.

Mit majestätischen Schritten trat Lucifer ein, begrüßte seine engsten Freunde und einige andere, persönlich, verzichtete aufgrund seiner Verspätung doch auf eine kurze Unterhaltung. Suchend glitt sein Blick durch die Reihen der Anwesenden, unter denen sich Engel aus allen Triaden fanden, doch einen blonden, lockigen Haarschopf entdeckte er nicht. Die Erinnerung an die vergangene Nacht und den heutigen Morgen blieb präsent und unwillkürlich tastete Lucifer nach dem Tattoo, das er natürlich nicht spüren konnte.

„Du bist spät“, sprach ihn ein hochgewachsener Engel von hinten an.

„Ich weiß, Arariel“, antwortete Lucifer mit einem leichten Schmunzeln. Er kannte seinen Freund und wusste, wie sehr dieser Unpünktlichkeit oder Unzuverlässigkeit hasste, schließlich bekleidete er als der Seraphim des Meeres eine bedeutende Stellung. Seine unglückliche Liebe zu der Engelin Rosiel, einer Herrschaft aus der mittleren Triade, hatte ihn in diesen Kreis geführt.

„Du solltest dich nicht immer über die Regeln stellen, Lucifer“, murmelte Arariel und es klang eher bedrohlich als ermahnend. „Das wird dir noch übel bekommen.“

Lachend ging Lucifer an ihm vorbei.

„Nur weil ich zu spät hier aufgelaufen bin? Man muss es mit Pflichtbewusstsein auch nicht übertreiben, Arariel. Das passt nicht nicht in eine Gruppe von Verschwörern.“

Während Arariel ihn mit bösen Blicken bedachte, schlenderte der oberste Seraphim bereits weiter zu seinem besten Freund Beliel, einem quirligen kleinen Engel mit haselnussbraunem Haar, der wider Willen in ein Gespräch mit Azazel verwickelt schien. Im Gegensatz zu dem gewieften, hinterhältigen Engel aus der mittleren Triade war der kleine Cherubim die Unschuld vom Lande.

Beide Engel drehten sich zu Lucifer um, als dieser sich ihnen näherte.

„Lu!“, stieß Beliel ein wenig zu erfreut hervor und nutzte sein Eintreffen als Vorwand, sich von Azazel abzuwenden. „Hast du mit dem Herrn gesprochen?“

Mit einem leisen Seufzen schüttelte dieser den Kopf, wandte sich dann der versammelten Gruppe zu und kletterte schließlich auf eine Kiste, um sich trotz seiner geringen Größe Gehör zu verschaffen. Er beließ es bei einer kurzen Begrüßung, denn die Neuigkeiten, die er zu verkünden hatte, beschäftigten seine Gedanken ausreichend.

„Wie in unserem letzten Treffen abgemacht habe ich mehrfach versucht, den Herrn auf unser Problem der Ungleichheit und Unterdrückung anzusprechen“, sagte er, aufmerksam auf die Gruppe konzentriert, die sich kurze, besorgte Blicke zuwarf. „Da Er mir Seine Aufmerksamkeit nicht schenken wollte, als ich auf misshandelte, unterdrückte Engel der untersten Triade zu sprechen kam, bat ich Ihn um eine persönliche Audienz, wobei ich betonte, wie wichtig mein Anliegen sei.“

Nun wandten sich wieder alle Augenpaare dem Redner zu und das unterschwellige Gemurmel erstarb.

„Eine Audienz, die Er schlichtweg vergessen hat, weshalb ich Ihn kurzfristig zur Rede stellen wollte - dies ist auch der Grund meiner Verspätung.“ Die Enttäuschung musste Lucifer ins Gesicht geschrieben stehen, denn einige der Engel begannen bereits, vor sich hin zu schimpfen, ihr Schöpfer interessiere sich nicht länger für sein Gefolge im Himmel.

„Ich versuchte, Ihm klarzumachen, wie sehr wir darunter leiden, dass unsere Lebenswege vorgeschrieben sind“, hier legte er eine Kunstpause ein, um das Gesagte wirken zu lassen, „dass wir nicht sprechen können, ohne fürchten zu müssen, dafür von höherstehenden Engeln bestraft zu werden“, noch eine Kunstpause, „dass wir nicht lieben können, wenn wir wollen.“

Als griffe er ein Stichwort auf, betrat in diesem Moment Michael, zerzaust und sichtlich verlegen aufgrund der Verspätung, die Lagerhalle. So unauffällig wie möglich versuchte er, sich unter die anderen Engel zu mischen, doch einige von ihnen waren den Blicken des Redners gefolgt und starrten den schüchternen Erzengel schräg an.

„Sprich weiter!“, forderte Arariel ihn ungerührt aus der Menge heraus auf.

Lucifer räusperte sich.

„Noch während ich Ihm darzulegen versuchte, wie man diese Strukturen aufhebeln könnte, wandte sich der Herr ab und entschuldigte sich mit dem Vorwand, sich um eine wichtige Angelegenheit in der Menschenwelt kümmern zu müssen.“ Lucifer spürte, wie seine Stimme leicht zittrig zu werden drohte. „Entweder... ist es Ihm egal, was im Himmel mit uns geschieht... oder Er ist nicht bereit, den Ernst der Lage anzuerkennen.“

Damit schloss er seine kurze Rede und sprang mit ausgebreiteten Flügeln von der Kiste. Während um ihn herum die Diskussion entbrannte, bahnte sich Lucifer einen Weg zu Michael, der mit geröteten Wangen, aber besorgtem Gesichtsausdruck zu ihm aufblickte.

„Wir sollten es weiterhin friedlich versuchen“, flüsterte er und schmiegte sich an seinen Partner, woraufhin dieser sanft die Arme um ihn legte. „Ich weiß, du brennst auf eine schnelle, effektive Lösung, aber gegen Gott können wir nicht kämpfen...!“

Lucifer seufzte schwer. Wie er es hasste, dass Michael ihn so durchschauen konnte.

„Ich werde nur kämpfen, wenn es die letzte Möglichkeit darstellt“, versuchte er, seinen Freund zu beruhigen, eine Hand an den Schwertgriff gelegt. „Aber ich fürchte, dieser Moment wird bald gekommen sein...“

„Das ist keine Lösung“, widersprach Michael beharrlich und befreite sich aus der Umarmung. „Warte ab, bis der Herr Seine wichtigsten Pläne in der Menschenwelt erfüllt hat, dann können wir alle in Ruhe mit Ihm sprechen.“

„Und wenn Er gar nichts daran ändern will? Wenn Er gewollt hat, dass die Engel im Himmel leiden?“

Michael seufzte mit einem nachsichtigen Lächeln, dann stellte er sich auf die Zehenspitzen, um Lucifer auf die Wange zu küssen.

„Du bist frustriert, weil dir ausnahmsweise mal jemand nicht zuhört. Aber dies ist der Himmel, nicht die Hölle. Hier soll niemand leiden.“

Die weitere Besprechung verlief erfolglos. Zwar wurde Michaels Vorschlag, weiter abzuwarten, murrend zur Kenntnis genommen, doch vielen Engeln fehlte es wie Lucifer an weiterer Geduld und Verständnis für ihren Schöpfer. So trennte sich die Gruppe spät in der Nacht, als der Himmel abgesehen vom Sternenlicht in Dunkelheit getaucht war.

Hand in Hand schlenderte Lucifer mit Michael durch den verlassenen Himmel und genoss die traute Zweisamkeit. Sein Freund wirkte abgelenkt, schielte immer wieder nervös in die Finsternis, die er mehr bedrohlich als entspannend zu empfinden schien.

„Was ist los?“, wollte Lucifer schließlich wissen. Sie hatten das Wohngebiet der Seraphim erreicht. Dort trieben sich noch einige junge Engel herum, denn im Gegensatz zu den anderen hart arbeitenden Engeln genossen junge Seraphim besondere Freiheiten.

„Ich... fühle mich hier nachts nicht wohl“, murmelte Michael. „Die Seraphim sehen nicht gerne Erzengel in ihrem Gebiet.“ Er machte sich los und trat einen Schritt zurück. „Ich gehe wohl besser...“

Seufzend nickte Lucifer.

„Wie du meinst. Gute Nacht, Micha.“

„Gute Nacht.“

Dann eilte er davon, die Flügel eng an den Körper gedrückt.

Als Lucifer seine verlassene Wohnung betrat, hatte er das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.



LUCIFER

Подняться наверх