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Höllensturz Kapitel 6

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Schweigend folgte Lucifer dem fremden Dämon aus dem Himmel, durch das Paradies und die Vorhölle direkt in den tiefsten Kreis, eine dunkle Welt ohne Sonne und einem schwarzen Himmel. Auf dem trockenen, bräunlich schwarzen Boden gedieh keinerlei Grün, nur knorrige, zähe Bäume ohne Blätter.

Der Dämon stapfte in verbissenes Schweigen versunken vor ihm her. Sein schwarzer Pferdeschwanz wippte auf seiner Schulter. Er trug ein rotes Samthemd und edle Lederstiefel aus Menschenhaut, nur die zerschlissene, braune Hose wollte nicht zu dem gepflegten Äußeren passen. Als Lucifer zu ihm aufschloss, konnte er mehrere goldene Ohrringe erkennen. Eine Narbe zog sich quer über das Gesicht des Dämons, der Lucifer keines Blickes würdigte. Ein dunkler Spitzbart zierte sein Kinn.

„Wie heißt du?“, versuchte Lucifer unsicher, ein Gespräch in Gang zu bringen, als das Schweigen zu sehr auf ihm lastete. Außer ihnen hatte er keine lebende Seele in der Umgebung ausmachen können.

„Amon“, antwortete der Dämon kurz angebunden. Einige Sekunden herrschte wieder Schweigen, dann wandte sich Amon tatsächlich dem nervösen Engel zu. „Lucifer, richtig?“

Er nickte, dachte aber nicht, dass Amon tatsächlich unsicher darüber war, mit wem er es zu tun hatte. Ihre Blicke kreuzen sich kurz.

„Ich habe Order, dich direkt zum König zu bringen, Lucifer. Du tust besser daran, dich ruhig zu verhalten und ihn nicht zu reizen.“ Amons lange, bleiche Finger zupften an seinem schwarzen Pferdeschwanz. „Obwohl der König sich unglaublich auf dich freut; seit er erfahren hat, dass der verräterische Engel zu einem Dasein in der Hölle verdammt wurde, lässt sich seine Laune nicht mehr trüben.“

Augenblicklich kehrte Lucifers Nervosität mit ganzer Stärke zurück. Immer wieder drängten sich ihm die penetranten Überlegungen darüber auf, wie Satan mit ihm verfahren würde.

„Dann gehe ich also zu meiner Hinrichtung?“, fragte er so ruhig wie möglich.

„Nur wenn du Glück hast“, entgegnete Amon, den Blick nach vorne gerichtet. „Aber es gehört zu den Hobbys des Königs, seine Untergebenen zu quälen und bis an ihre Grenzen zu foltern. Das Extreme, die Belastbarkeit von Geist und Körper und die Schwelle zwischen Leben und Tod bereiten ihm Freude.“

Mit jedem Wort, das er hören musste, wurde Lucifer übel. Alles in ihm sträubte sich dagegen, Amon weiterhin zu folgen, während in nicht allzu weiter Entfernung bereits der Königspalast in Sichtweite kam. Einige Sekunden lang spielte er mit dem Gedanken zu fliehen, doch gleichzeitig war ihm klar, wie sinnlos es gewesen wäre, denn alleine konnte er der Hölle nicht entfliehen. Und die Unterwelt war Satans Reich, in dem er über die absolute Macht verfügte. Weit käme ein einsamer Engel hier unten nicht.

„Was ist mit dir?“, wagte er trotz allem zu fragen. „Springt er mit dir auch so um? Du wirkst wie ein hochgestellter Dämon, Amon.“

„Das täuscht, Ich bin nur ein wertloser, austauschbarer Lakai in Satans Augen.“ Ein tiefes Knurren entstieg Amons Kehle. „Das sind wir alle für unseren ach so tollen König! Du wirst das nächste Jahr über wahrscheinlich sein Hauptaugenmerk sein, aber danach geht’s uns anderen wieder an den Kragen.“

Sie betraten den Innenhof und erklommen die wenigen Stufen zum Hauptgebäude. Endlose Gänge erstreckten sich vor Lucifer, doch Amon führte ihn zielstrebig zu einer großen Flügeltür, hinter der sich der Thronsaal auftat. Satan saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem prächtigen, goldenen Thron, den Blick erwartungsvoll auf Lucifer ruhend. Die Abneigung des Engels gegen den Höllenkönig schlug in Hass um.

„Amon!“ Grinsend erhob Satan sich und die Schritte der schweren Stiefel hallten von den Wänden wider, als er sich näherte. „Wie ich sehe, hast du uns einen Gast mitgebracht.“

Der dunkelhaarige Dämon ging in die Knie und kauerte sich auf den Boden, doch es wirkte mehr wie eine Schutzhaltung als wie eine Verbeugung. Lucifer blieb ungerührt neben ihm stehen und stellte Blickkontakt zum Höllenkönig her, der ihn abschätzig musterte.

„Verbeug dich!“, zischte Amon kaum hörbar. Lucifer tat, als habe er ihn nicht gehört.

„Es ist ziemlich unhöflich, sich nicht vorzustellen, werter Gast“, säuselte Satan mit rot glühenden Augen.

„Ihr wisst genau, wer ich bin“, entgegnete Lucifer kühl. Er würde nichts sagen, was ihn vor diesem blutrünstigen Monster bloßstellen könnte.

„Ich wüsste trotzdem gerne, wie du dich selbst nennst, Engel.“

„Ich bin Lucifer, der Morgenstern, der Lichtbringer, höchster aller Seraphim.“ Lucifer bemühte sich, all seine Verachtung und seinen Stolz in diese Worte zu legen, doch Satan zeigte sich keineswegs beeindruckt. „Und danke, eine Vorstellung Eurerseits ist nicht nötig, ich weiß ganz gut, mit wem ich es zu tun habe!“

Ein blitzschneller Tritt in die Kniekehlen ließ den Engel mit einem unterdrückten Schmerzenslaut einknicken. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, während er realisierte, dass er am Boden lag und damit den Tritten des Dämons ungeschützt ausgesetzt war.

„Verbeug dich gefälligst, wenn du vor deinen König trittst!“, fauchte Satan.

Schwankend rappelte Lucifer sich wieder auf. Seine Beine fühlten sich zittrig an.

„Ihr seid nicht mein König“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und ich werde mich niemals vor Euch verbeugen!“

Ein Grinsen erschien auf Satans Gesicht. Fast schon gleichgültig kratzte er sich an den gewundenen Hörnern, die aus seiner Kopfhaut wuchsen.

„Tja, was machen wir denn da?“, fragte er gespielt ratlos. „Aber was soll´s wir haben ja Zeit, schließlich vermisst dich ja im Himmel niemand. Ich werde schon eine Möglichkeit finden, deinen Stolz zu brechen, kleiner Engel.“

Er wandte sich ab.

„Bring ihn weg, Leona.“

Eine Dämonin erhob sich aus dem Dunkel einer Ecke des Thronsaals und huschte geduckt auf Lucifer zu. Ihr rechter Arm endete in einem fleischigen Stumpf und ihr blondes Haar hing ihr verfilzt ins Gesicht, doch früher musste sie einmal sehr schön gewesen sein. In ihren dunklen Augen glomm eine gewisse Zufriedenheit.

Sie neigte kurz den Kopf vor Lucifer und bedeutete ihm dann schweigend, ihr zu folgen. Kaum dass sie den Thronsaal und damit Satans Blickfeld verlassen hatten, verfiel sie in einen aufrechten, fast beschwingten Gang. Mit erstaunlicher Behändigkeit führte sie ihn hinauf in den ersten Stock und dort in ein schlichtes Zimmer mit Bett und angrenzendem Badezimmer.

„Setz dich, ich hole dir Eis zum Kühlen“, erbot sie sich und war im nächsten Moment schon wieder in den dunklen Gängen verschwunden. Verblüfft sah Lucifer ihr nach, hatte nicht damit gerechnet, dass ihm hier unten jemand mit Freundlichkeit begegnen würde. Er ließ sich aufs Bett fallen, raffte die Toga hoch und untersuchte seine schmerzenden Kniekehlen, die blau angelaufen waren. Jede Bewegung bereitete ihm Schmerzen.

Leona kehrte nur wenige Minuten später mit einem in ein Tuch eingeschlagenen Eisblock zurück, den sie Lucifer reichte. Die Kälte tat gut.

„Es ist besser, ihm unterwürfig zu begegnen“, sagte sie ohne Tadel in der Stimme, nur mit ehrlicher Besorgnis. Lucifer fand sie auf Anhieb sympathisch. „Stolz ist in der Hölle unangebracht; in der Hölle herrscht das Gesetz des Stärkeren. Und ich bin mir nicht sicher, ob Satan weiß, dass der Körper eines Engels weniger belastbar ist als der eines Dämons.“

„Warum lasst ihr euch von diesem Kerl herumschubsen?“, fragte Lucifer.

„Satan ist der stärkste Dämon der Hölle und er weiß, welche der anderen Dämonen er einschüchtern und welche mit Gefälligkeiten bestechen muss, um seine Position zu erhalten. Er ist der König und der Rest ist Abschaum.“ Sie sprach diese Worte ohne Wut und ohne die geringste Verachtung. Ihre verbliebene Hand tastete behutsam über Lucifers Kniekehlen. „Es wird heilen, aber das ist nur der Anfang, wenn du dich weiterhin so aufführst.“

„Ich werde mich ihm nicht unterwerfen“, entgegnete der Seraphim ernst. „Wenn ich sterbe, dann mit hoch erhobenem Haupt.“

„Diese Einstellung haben viele gehabt, bevor sie Satan in die Klauen gefallen sind“, seufzte Leona, dann erhob sie sich lautlos. „Ich werde später noch einmal nach dir sehen, Lichtbringer. Schlaf dich aus und schon deine Kräfte für später. Du wirst sie brauchen.“


LUCIFER

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