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Höllensturz Kapitel 17

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Lucifer fühlte sich extrem unbehaglich dabei, an Leonas Seite die Menschenwelt zu betreten. Seine Gedanken kreisten noch immer um die Frage, wie er Liliths Bedingungen erfüllen und Vanth befreien konnte. Die schwere, metallene Kerkertür war mit einem Fluch belegt worden, den zu brechen sich weder Lucifer noch Leona zutrauten.

Ohne seine Flügel fühlte der zukünftige Höllenkönig sich schutzlos, obwohl sich weit und breit weder Engel noch Dämonen aufhielten. In seinem Gürtel steckte Amons Kurzschwert. Kasdeya Elathan hatte er in einer ungenutzten Glasvitrine untergebracht, damit es sich nicht gegen ihn wendete. Bevor er nicht eine Lösung fand, Amon wiederzuerwecken, würde das Dämonenschwert dort verbleiben.

„Was suchen wir hier?“, wandte er sich an Leona, die mit ihm durch die einsetzende Dämmerung wanderte. Die Menschen waren längst in ihre primitiven Hütten zurückgekehrt oder saßen in großer Runde am Feuer, in der dummen Hoffnung, das Licht könne sie vor dem schützen, was in der Dunkelheit lauerte.

„Nahrung für dich“, entgegnete sie. „Du willst König der Dämonen sein, also musst du ein Dämon werden.“

„Das ist unmöglich“, murmelte Lucifer, der den ausgetretenen Pfad entlang trottete, während ihm in der einsetzenden Dunkelheit immer kälter wurde. Frierend legte er die Arme um sich und versuchte, die dunklen Schattengestalten zu ignorieren, die er in der Finsternis zwischen den Bäumen zu erkennen glaubte.

„Du bist ein Engel, der König der Hölle zu werden gedenkt“, antwortete Leona ungerührt, den Blick auf die Dächer der Hütten gerichtet, die in Sichtweite gerieten. „Und du glaubst, irgendetwas wäre für dich unmöglich?“

Dieser Satz ließ Lucifer innehalten. Nur langsam erschloss sich die Bedeutung und ihm wurde warm bei dem Gedanken, dass es noch immer jemanden gab, der ihn rückhaltlos unterstützte, obwohl er sich so lange von Satan hatte unterdrücken lassen und für Amons Tod die Verantwortung trug.

„Danke“, hauchte er leise, doch ein Windstoß erfasst die Worte und trug sie davon.

Leona verließ den Pfad und schlich sich stattdessen durch das Gebüsch an. Da das Dorf nicht vollständig von einem Zaun umgeben war, hatten sie freien Blick auf die langsam über den Dorfplatz trottende Nachtwache.

„Und was muss ich jetzt tun?“, wollte Lucifer mit gedämpfter Stimme wissen. Er spürte, wie sein Körper sich vor Aufregung verkrampfte.

„Siehst du den Mann dort? Ich werde ihn aus dem Dorf locken und du tötest ihn, bevor er Alarm schlagen kann“, erklärte sie, ohne den Blick von ihrem Opfer abzuwenden. Sie deutete hinter sich. „Dort ist ein guter Platz, der vom Dorf aus nicht einsehbar ist. Warte, bis der Mensch auf dich zu kommt.“

Gehorsam schlich Lucifer etwa zwanzig Meter weiter durch das Gebüsch, kauerte sich dort hin und wartete mit der Hand auf dem Schwertgriff. Nur wenige Minuten später leuchtete nicht weit von ihm eine Fackel durchs Dunkel und die Schritte eines erwachsenen Menschen erklangen, der suchend durch die Landschaft schritt.

Als er den Zeitpunkt für einen Überraschungsangriff günstig wähnte, trat Lucifer aus seinem Versteck und zog sein Schwert. Der Mann drehte sich um und seine Augen weiteten sich erschrocken, bevor die Klinge seine Kehle durchtrennte und er tot zu Boden sank. Ohne Mitgefühl, aber mit einem unbändigen Verlangen kniete Lucifer sich neben ihn und löschte die Fackel, sodass es wieder finster wurde. Der Angriff hatte keine fünf Sekunden gedauert.

Leona stieß wieder zu ihm. Sie hatte ihr Gesicht mit Erde geschwärzt, sodass es in der Nacht nicht zu erkennen war.

„Jetzt kannst du fressen“, sagte sie ruhig.

„Und wie?“, fragte Lucifer verständnislos zurück. „Menschenfleisch gehörte bisher nicht zu meinem Speiseplan – schon gar nicht roh!“

Allmählich verärgert darüber, wie wenig Leona ihm zu erklären bereit war, hatte er die Stimme erhoben, doch die Dämonin legte hastig einen Finger an die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.

„Beruhige dich, Lichtbringer. Du wirst nicht das Fleisch, sondern die Seele des Menschen zu dir nehmen. Es mag ungewohnt für dich sein, aber es wird dir die nötige Kraft verleihen, dich zum Herrscher der Dämonen zu erheben.“

„Wer sagt, dass ich das überhaupt will?“ Verzweiflung und Wut trat in seine Stimme. „Ich bin ein Engel, der aus dem Himmel verbannt wurde und alles verloren hat! Kein König, schon gar kein Dämonenkönig! Ich kann das nicht, Leona, es widerspricht einfach meiner Natur, eine Seele zu stehlen...!“

Leona lauschte dem verzweifelten Vortrag ungerührt, dann streckte sie eine Hand aus und strich Lucifer sanft über die Wange.

„Lichtbringer. Es gibt keine andere Möglichkeit für dich zu überleben. Sobald die Nachricht von Satans Tod sich in der Hölle verbreitet, wird es Kämpfe und Rivalitäten um dessen Nachfolge geben. Wer auch immer der neue Herrscher werden wird, er oder sie wird einen gefallenen Engel wie dich vernichten. Du kannst die Situation jetzt nutzen und dir die Macht über die Hölle sichern. Oder du kannst fortlaufen, geplagt von deinem dämonischen Verlangen Seelen, um an den Pforten Edens und des Himmels abgewiesen zu werden.“ Sie seufzte. „Dein neuer Platz ist in der Hölle, Lichtbringer. Du hast uns von Satan befreit und großes Leid auf dich genommen, um zu überleben.“

Ihre Finger glitten über den Brustkorb des Mannes, dann wuchsen Klauen aus ihren Fingerspitzen hervor, die mit einem schmatzenden Geräusch ins Fleisch schnitten. Als das Blut austrat, spürte Lucifer das Verlangen wiederkehren. Ohne zu zögern langte Leona in die aufgeschnittene Brust des Menschen und beförderte eine kleine, durchscheinende Kugel zutage, die auf ihrer Handfläche leicht zu pulsieren schien.

Faszinierte nahm Lucifer sie entgegen; sie fühlte sich warm an und hatte die Konsistenz von Rauch, doch instinktiv ging ihm auf, wie er sie verspeisen konnte. Vorsichtig beugte er sich vor und schloss die Lippen darum, um sie dann in sich aufzusaugen. Strom schien durch seinen Körper zu fließen, als die Seele in ihn überging, ein heftiger Schmerz breitete sich in seinem Kiefer aus und seine Handknochen schienen zu bersten.

Doch heftiger als alles andere spürte er das Brennen in seinen Flügelnarben, als wehrten sie sich gegen das, was mit seinem Körper geschah. Ganz langsam erhob sich Lucifer aus seiner hockenden Haltung und ließ den Blick schweifen. Plötzlich erschienen ihm trotz der Dunkelheit die Umrisse aller Sträucher deutlich und scharf.

Überrascht blickte er zu Leona, deren Augen rot zu glühen begonnen hatten. Aus ihrem Kiefer wuchsen Reißzähne, ihre Finger endeten in schwarzen, nach innen gebogenen Klauen. Noch vor wenigen Monaten hätte Lucifer sie als Monster bezeichnet. Jetzt konnte er dasselbe Verlangen in sich lodern spüren, das auch sie antrieb.

Er betrachtete seine eigenen Krallen, mit denen er sich versehentlich in die Handinnenfläche geschnitten hatte, doch die Wunde verheilte bereits vor seinen Augen. Zu gerne hätte er jetzt einen Spiegel gehabt, um seine Zähne zu bewundern. Wann immer er mit der Zunge über die Spitzen strich, kamen sie ihm wie Fremdkörper vor.

Langsam drehte er sich um und lief in die Nacht hinaus. Ihm stand deutlich vor Augen, dass sich etwas verändert hatte. Und dass es kein Zurück mehr gab.


LUCIFER

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