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1. Kapitel

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Verwehte Spuren

An meinen Opa habe ich keine Erinnerung, hatte ich eigentlich nie, auch nicht als ich Kind war.

Wenn ich nach meinem Opa fragte, hieß es immer: „Opa ist im Himmel“ oder „Dein Opa war ein sehr wichtiger und angesehener Mann“ oder „Er ist verreist.“.

Und wenn ich etwas besonders gut gemacht hatte, sagte meine Oma: „Das würde den Opa freuen“.

Aber das kam sehr selten vor.

Sehnlich hatte ich mir einen Opa gewünscht, wie andere Kinder ihn hatten.

Graue etwas schüttere Haare, ein sonnengegerbtes Gesicht, eine tiefe sanfte Stimme, so stellte ich ihn mir vor .

Und gutmütig sollte er sein, mir jeden kleinen Wunsch von den Lippen ablesen und erfüllen, bevor ich ihn ausgesprochen hatte. Aussprechen würde ich meine Wünsche nämlich nicht, das schien mir unverschämt, denn ich wusste, dass mein Opa mich liebte, und Opas, die ihre Enkelin lieben, tun für sie alles.

Aber ich hatte – wie gesagt – keinen Opa.

Wenn ich mal meine Oma fragte, ob mein Opa nicht irgendwann von seiner Reise zurückkäme, dann schien sie einen Augenblick traurig und bekam ganz wässrige Augen, noch wässrigere, als sie sowieso schon hatte, so wie Magermilch, so ein helles verwässertes Blau.

In den Büchern, die ich damals las, gab es öfter solche Omas.

Auch mit solchen Magermilchaugen. Aber die waren immer lieb zu ihren Enkeln und ihre Enkel liebten sie.

Meine Oma liebte mich nicht, und ich hatte sie auch nicht lieb.

Meine Oma hatte eigentlich niemanden lieb. Ich glaube, nicht einmal meine Mutter.

Tiere, ja, die hatte sie lieb, jedenfalls sagte sie das immer, auf die wäre Verlass, die wären nicht falsch wie die Menschen, und dabei sah sie mich immer so merkwürdig an.

Jahre später, als ich mich nicht mehr mit der Geschichte vom Verreisen abspeisen lassen wollte und auch nicht mehr an den Himmel glaubte, fragte ich einmal – vielleicht zu energisch: „Wer war eigentlich mein Opa?“ und bekam nur zur Antwort: „Dein Opa hat sich nichts zuschulden kommen lassen!“

Und dabei blieb es.

Inzwischen bin ich fast dreißig und habe mich damit abgefunden, keinen Opa zu haben, egal, ob er im Himmel, auf Reisen oder sonst wo ist.

Er ist einfach nicht da, als hätte es ihn nie gegeben.

Nur eine Frage beschäftigt mich nach wie vor: Wie kann es geschehen, dass ein sehr wichtiger und angesehener Mann, wie meine Oma immer sagte, einfach spurlos verschwindet?

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