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Erstaunlicherweise fand ich mich dank der vielen Verzierungen gut im Schloss zurecht und ging ein paar Minuten später, in einen dicken Umhang gehüllt, über den Schlosshof, wo Alice und Eric bereits auf mich warteten. Der frischgefallene Schnee war bereits von etlichen Stiefeln platt getreten oder zur Seite geschaufelt worden. Ich hob den Kopf gen Himmel und musterte die vereinzelnd vorbeiziehenden Wolken. Es war faszinierend, wie anders das Klima hier war. Trotz des ganzen Schnees war die Kälte trocken und schneidend und schwache Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht. Anders als in Nebelhöhe, wo einem die kalte und feuchte Luft unter die Haut zu gehen schien, sobald man auch nur einen Fuß vor die Tür setzte. Auch der klare blaue Himmel, welcher einen schönen Kontrast zu dem weiß funkelnden Schnee bildete, unterschied sich gravierend von dem grauen, wolkenverhangen Himmel zuhause. Bei dem Wort zuhause zuckte ich innerlich leicht zusammen. Ein merkwürdiges Wort. Ich hatte Nebelhöhe nie als das gesehen, doch wenn ich länger darüber nach dachte, war es das wohl, mein Zuhause. Zumindest bis jetzt. Als sich wieder der wohlbekannte Kloß in meinem Hals zu bilden begann, schob ich den Gedanken schnell beiseite und gesellte mich zu meinen Begleitern. Als ich sie näher in Augenschein nahm, sah ich, dass auch sie Waffen trugen. Mit dem Unterschied, dass ihre nicht so sorgfältig versteckt waren wie meine.

Eric trug einen Dolch, sowie ein Schwert an seinem Gürtel und Alice hatte ihre Waffen ähnlich wie ich am ganzen Körper verteilt. Zwei gebogene Klingen waren an ihrem Gürtel befestig und wurden zur Hälfte von dem Saum ihres Kleides versteckt, welches nicht wirklich kampftauglich schien. Zwei kleine, dünne Klingen hatte sie in ihrem, etwas unordentlichen, Dutt befestigt. Auf den ersten Blick sahen sie wie Dekoration aus, jedoch kannte ich mich mit versteckten Klingen aus und erkannte die scharfgeschliffenen Klingen auf Anhieb.

»Wir dachten schon, du hättest dich verlaufen.«, begrüßte sie mich.

»Schicke Messer.«, gab ich zurück.

»Ja, nicht wahr? Hab ich von einem Waffenhändler aus Portum.« Ihre Augen glitzerten und sie deutete interessiert auf mein linkes Handgelenk. »Deine Armreif ist aber auch sehr schön.«

Als Antwort bekam sie ein verschwörerisches Zwinkern. »Vielen Dank.«

Ich kannte sie zwar gerade mal eine Stunde lang, doch ich begann die beiden immer sympathischer zu finden. Zuerst hatte ich Sorge, auf lauter eingebildeter Frauen in schicken Kleidern zu treffen, die sich durch ihren Adelsstand für was Besseres hielten, doch die meisten Leute, welche ich bisher getroffen hatte, schienen ganz und gar nicht so zu sein.

»Alice' Aussehen kann täuschen.« Eric lachte, als er sich an etwas zu erinnern schien. »Man glaubt gar nicht, wie gut es sich trotz Kleid kämpfen lässt.«

Ich blickte zu Alice. Diese zuckte mit den Schultern. »Nur weil ich gerne schöne Kleider trage, heißt das nicht, dass ich eingebildet bin und Angst habe mir die Hände schmutzig zu machen.«

»Allerdings nicht.«, stimmte Eric ihr zu. »Wollen wir?«

Ich nickte.

Wir folgten der Straße hinunter in die Stadt und da ich nun nicht mehr total erschöpft auf dem Rücken eines Pferdes hing, konnte ich mir diesmal die Landschaft genauer anschauen. Alles wirkte tausendmal schöner ohne den Schleier der Erschöpfung, der einem die Sicht vernebelte. Auf dem Weg durch die Stadt fiel mir ein, was Cora mir mal vor einigen Jahren über die Eiswächter erzählt hatte. Es waren bescheidene Menschen. Die meisten zumindest. Sie kleideten sich in die Farben des Eises und des Himmels und waren, was zum Teil dem harten Wetter verschuldet war, eher praktisch veranlagt. Die meisten Lichtkrieger waren angeblich früher Eiswächter gewesen, da die Wächter hier an harte Bedingungen gewöhnt sind und schon von klein auf Disziplin lernen. Wir kamen an einem Waffengeschäft vorbei und ich blieb neugierig stehen, um mir die kunstvoll verzierten Waffen anzuschauen. Eric, der neben mir anhielt, musterte mich neugierig. »Schwert oder Bogen?«

Ich betrachtete eine fein gearbeitete Klinge hinter der Glasscheibe. »Schwert.«, antwortete ich. »Jedoch gebe ich zu, dass ich eine Schwäche für versteckte Klingen habe.«

Erics Lippen verzogen sich zu einem leichten Grinsen. »Du siehst auch so aus, als wärst du jemand, der bei einem Kampf lieber seinen ganzen Körper einsetzt.«

»Was soll das denn bitte heißen?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich meine ja nur.«

»Apropos Waffen.«, mischte Alice sich ein. »Wir können dir später den Trainingsplatz zeigen, wenn du willst.«

Ich nickte begeistert. »Das wäre toll!« Meine Muskeln kribbelten bei dem Gedanken endlich wieder vernünftig trainieren zu können. »Darf ich mal einer deiner Klingen sehen?«, frage ich Alice und deute auf ihre Haarnadeln.

»Klar.«

Sie zog einer der Klingen aus ihrem Dutt, welcher auf wundersame Weise um keinen Zentimeter verrutschte. Ich nahm das kleine, spitze Messer vorsichtig entgegen und betrachtete es neugierig. »Sie ist federleicht.«, stellte ich fest.

Alice betrachtet sie stolz. »Man merkt sofort, dass sie aus Portum stammt.«

Ich nickte. »Windwächter sind wahrlich die besten Waffenschmiede.«

Portum war die Hauptstadt der Wächter des Windes und hatte die größten und besten Waffenschmiede in ganz Elianya. Wind und Eiswächter hatten ein enges Verhältnis, was die Produktion und den Transport von Waffen sowie das Ausbilden von Soldaten anbelangte. Beide Königreiche hatten die Vorsätze, dass nicht nur Disziplin und Härte einen guten Wächter ausmachten, sondern auch Präzession, Eleganz und Güte. Die Wurzeln der jahrhundertelangen Zusammenarbeit stammten aus der Zeit der großen Kriege und hatten bis zum heutigen Tage überdauert. Die Klingen der Windwächter waren präzise und sehr fein gearbeitet und deshalb auch unglaublich leicht. Sie lagen gut in der Hand und passten sich perfekt den Bewegungen seines Trägers an. Jede Klinge war mit aussagekräftigen und liebevoll eingearbeiteten Symbolen verziert, sodass keine Klinge einer anderen glich. Viele ihrer Schwerter waren aus Mondsilber gefertigt und deshalb besonders kostbar. Die Windwächter waren das einzige Königreich, das sich mit der Verarbeitung von Mondsilber zu Waffen verstand. Zwar arbeiteten auch die anderen Königreiche damit, jedoch wurde das kostbare Material meistens zu Schmuck verarbeitet, so wie der Anhänger meiner Mutter, den ich um den Hals trug.

Meine Finger glitten wie von selbst zu der Kette und ein eigenartiges Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus.

»Kommt weiter.«, riss mich Alice aus meinen Gedanken als sie nach meiner Hand griff und mich weiter die Straße entlang zog. Wir erreichten den großen Marktplatz und ich blieb erneut stehen, um mir alles anzuschauen. Der Brunnen, den ich gestern Abend bereits bewundert hatte, glitzerte im Sonnenlicht und die gefrorenen Wasserfontänen wirkten umso imposanter. Alice und Eric zeigten mir die verschiedenen Marktstände für Obst, Gemüse, Fleisch, Waffen, Schmuck und allem Möglichen anderen Krimskrams. Anders als am Abend zuvor herrschte hier ein geschäftiges Treiben. Die Stände mit ihren vielfältigen Angeboten bildeten einen bunten Kontrast zum Rest der verschneiten Landschaft. Cora hatte Recht: Die meisten Männer und Frauen waren in weiß-blaue Farben gekleidet, weshalb mir eine Frau in einem roten Umhang besonders ins Auge viel. Alice schien meinem Blick zu folgen und nickte in ihre Richtung. »Das ist die Tochter des Metzgers. Man munkelt, dass das meiste Fleisch, das er verkauft, von ihr geschossen wird.«

Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. »Die Frau mit dem blutroten Umhang ist also die Tochter des Metzgers, ja?«

Alice zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, noch theatralischer geht es nicht.«

»Alice mag sie nicht.«, klärte mich Eric auf.

»Pff.«, schnaubte diese. »Es ist nicht mein Problem, wenn sie dich in ihren Charme eingewickelt hat und du ihr wahres Ich nicht siehst.«

Jetzt war Eric, der schnaubte. »Niemand hat mich mit irgendwas eingewickelt.«

Ich musterte die beiden neugierig. Eric mit seinem blondem, ein wenig verstrubbeltem Haar und seinen karamellbraunen Augen und Alice mit ihrem hellbraunen Dutt und den vor Energie sprühenden, grünen Augen. Die beiden würden ein interessantes Paar abgeben. Nach unserer ersten Begegnung war ich auch davon ausgegangen, jedoch war ich mir nun nicht mehr so sicher.

Als Eric ein Stück vorausgegangen war, beugte ich mich vertraulich zu Alice. »Sag mal, ihr zwei, seid ihr… «

Alice unterbrach mich hastig. »Was? Nein. Wir doch nicht.« Sie lachte nervös und ich konnte nicht anders als ihr einen skeptischen Blick zuzuwerfen, doch sie schaute verlegen auf den Boden. Ich hätte nicht gedacht, dass man eine Person wie Alice schnell in Verlegenheit bringen konnte. »Wir sind nur Freunde. Beste Freunde. Seit wir klein waren. Er ist fast wie mein… naja du weißt schon, wir kennen uns auf jeden Fall schon ewig.«

Ich nickte skeptisch. »Verstehe.«

»Wieso?«, sie hob den Kopf und musterte mich. »Hast du etwa Interesse?«

»Was?!«, jetzt war ich diejenige, die bestürzt auflachte. »Oh nein, keine Sorge. Ich war nur neugierig. Ihr zwei geht so vertraut miteinander um, da dachte ich… naja du weißt schon.«

Alice lachte und vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, aber es klang fast schon erleichtert.

»Ich ärger dich doch nur Skyler. Du hast im Moment bestimmt wichtigere Sorgen als Jungs.«

Halbherzig stimmte ich in ihr Lachen mit ein. »Da hast du recht.«

Eric war einige Meter vor uns stehengeblieben und wartete, bis wir zu ihm aufgeschlossen hatten. »Worüber lacht ihr?«, fragte er.

»Dich.«, antworte Alice wie aus der Pistole geschossen und ich warf ihr einen überraschten Blick zu.

Eric verdrehte die Augen. »Sehr komisch, Alice.«

In den nächsten Stunden zeigten die zwei mir alles Mögliche in der Stadt. Trotz des Schnees und der Kälte war es in den Straßen angenehm windgeschützt. Die Häuser waren Seite an Seite gebaut und größere Plätze oder Straßen waren von Tannen gesäumt, um den kalten Wind abzuhalten. Vor vielen Häusern stapelten sich Brennholzscheite und ein angenehmer Geruch von Tannennadeln und Kaminfeuer zog durch die Straßen. Als wir an einem kleinen Kaffee vorbeikamen, blieben die beiden stehen und Eric schlug vor eine Pause zu machen. Ich stimmte erleichtert zu. In meinen Beinen spürte ich noch die Nachwirkung der langen Reise und langsam aber sicher begann die Kälte unter meinen dicken Umhang zu kriechen und meine Finger waren taub vor Kälte.

Als wir den kleinen Laden betraten, schlug mir auf der Stelle der Geruch von Gebäck und Kaffee entgegen. Ich wusste, dass Cora Kaffee liebte, wir uns in Nebelhöhe den Luxus dieses Getränks jedoch nur selten leisten konnten.

Alice und Eric nahmen ihre Umhänge ab und hängten sie an einen Haken neben der Tür. Ich tat es ihnen gleich und folgte ihnen zu einem kleinen Tisch in der Mitte des Lokals. Als die Besitzerin, eine kleine, ältere Dame uns sah, kam sie auf der Stelle auf uns zugeeilt.

»Ihr seid es schon wieder! Und ihr habt… oh.«, sie hielt inne und musterte mich neugierig. »Es ist mir eine Ehre, Prinzessin.«, sie machte einen kleinen Knicks.

»Oh, ähm, nicht doch.« Ich merkte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Es hatte mir wahrlich besser gefallen, als die Leute noch nicht wussten, wer ich war, doch hier schien mich jedermann sofort zu erkennen.

»Nicht so bescheiden.« Die alte Dame tätschelte meine kalte Hand. »Du solltest stolz sein. Schließlich bist du die zukünftige Königin des Eises.«

»Ach ich…«

Alice unterbrach mich, indem sie mir einen Tritt unter dem Tisch verpasste und ich hielt verwirrt inne und warf ihr einen fragenden Blick zu.

Scheinbar zufrieden, dass ich ihr nicht widersprach, klatschte die alte Dame in die Hände. »Das Übliche schätze ich mal?« Dies war vermutlich nur eine theoretische Frage, denn sie ließ Eric und Alice keine Zeit, um zu antworten. »Und da ihr königlichen Besuch mitgebracht habt, geht euer Besuch heute aufs Haus.«

Fröhlich vor sich hin pfeifend ging sie zurück hinter die Theke und ich rieb mir das Schienbein.

»Wenn du dir eins merken solltest, dann, dass du niemals mit Mrs. Lowbuck diskutieren solltest. Das führt nur zu unnötigem Stress und am Ende gewinnt sowieso sie.«

»Außerdem hören es die Leute nicht besonders gerne, wenn die plötzlich zurückgekehrte Prinzessin überhaupt nichts mit dem Königshaus zu tun haben möchte.«, fügte Eric hinzu.

Ich verzog verzweifelt das Gesicht. »Aber das ist nur die Wahrheit. Ich weiß seit knapp fünf Tagen, dass meine Eltern König und Königin des Eises waren. Das Einzige was ich möchte, ist…«

Ich hielt inne. Ich kannte die beiden praktisch kaum.

»Das Einzige, was du willst, ist herauszufinden, was damals passiert ist?«, beendete Alice meinen Satz. Ich nickte.

Sie verzog mitleidig das Gesicht. »Das ist verständlich, doch du solltest das nicht so an die große Glocke hängen.«

»Alice hat recht.«, stimmte Eric ihr zu. »Die Menschen warten seit Jahren auf jemanden, der ihnen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zurückbringt. Es gab seid langer Zeit keine richtige Königin des Eises mehr und es steht nicht gut um unser Königreich. Nahrungsmittel werden knapp. Wie du dir denken kannst, ist es schwer, ohne Magie in dieser Kälte etwas anzubauen. Außerdem beginnt das Klima verrückt zu spielen. Die Eismeere schmelzen, es kommt zu Überflutungen. Durch den Klimawandel sterben viele Tiere oder ziehen weiter in die Berge, was es uns noch schwerer macht an Wild zu kommen. Das Wetter, welches immer mehr außer Kontrolle gerät, ist nicht nur hier im Norden ein Problem. Das Gleichgewicht ist verschoben. Im Reich der Feuerwächter klagen sie über extrem heiße Sandstürme und Vulkanausbrüche, die bis in die Windberge reichen.«

Alice nickte. »Es gibt sogar Gerüchte, dass es in Aveen geschneit hat.«

»Die Hauptstadt der Naturwächter?«, fragte ich erschrocken.

»Ja.« Alice‘ grüne Augen waren trüb vor Sorge geworden. »Die Elemente sind aus dem Gleichgewicht geraten, als die Linie des Eises unterbrochen wurde. Die Menschen haben all ihre Hoffnung in jemanden gesetzt, der kommen und sie retten wird. Und wer wäre dafür besser als das die zukünftige Königin des Eises?«

Panik machte sich in meiner Brust breit. »Aber das bin ich nicht. Ich wusste ja nicht einmal, dass ich Wächtermagie besitze, geschweige denn wie ich sie einsetze.«

Alice zuckte mit den Schultern und legte beruhigend ihre Hand auf meine. »Das wirst du noch lernen. Außerdem bist du ja nicht alleine.«

Eric nickte zustimmend. »Erst einmal musst du eh nach Nerehliea reisen und den Test hinter dich bringen.«

Ich sank ein Stück in meinem Stuhl zurück. Bei dem Gedanken einen Test durchzuführen, der meine Magie auf die Probe stellen sollte, wurde mir schlecht.

»Könnt ihr mir etwas darüber erzählen?«, fragte ich die beiden.

Diese blickten sich zögerlich an. »Man darf eigentlich nicht darüber sprechen. Zumindest nicht mit Personen, die ihn noch vor sich haben.«, erklärte Eric.

»Es ist auch fast unmöglich, darüber zu sprechen. Dir werden die wesentlichen Erinnerungen daran genommen.«, fügte Alice hinzu.

»Naja, genommen ist das falsche Wort dafür.«, korrigierte sie Eric. »Man selber erinnert sich schon noch daran, nur ist man nicht in der Lage darüber zu sprechen.«

»Streng geheim und total überdramatisiert.«, fügte Alice mit einem Anflug von Sarkasmus hinzu.

Ich seufzte Na toll …

»Mit elf Jahren kommt ein normales Wächterkind nach Loralliea, die Wächterakademie in Elianya, und du bist schon neunzehn …

Die erste drei Jahre lernt man alles Grundlegende. Danach wird man einem Test unterzogen, der bestimmt, welcher Wächtergruppe man angehört. Die nächsten vier Jahre lernt man dann alles über sein Element. Am Ende wir dann noch eine Abschlussprüfung durchgeführt, die dich zu einem vollwertigen Wächter erklärt.«, begann Eric zu erklären.

»Ja, das Meiste weiß ich, ich verstehe nur nicht, wozu der Test dient, wenn doch klar ist zu welchem Element man gehört?«, fragte ich.

»Naja, nicht zwingend.«, warf Alice ein. »Du wusstest ja bis vor ein paar Tagen nicht einmal, dass du eine Wächterin bist. Magie ist nicht eindeutig und hält sich auch an keine Regeln. Sie bildet sich meistens mit dem elften Lebensjahr richtig aus, kann aber auch verborgen bleiben, wenn man sie ruhen lässt.«

»Außerdem musst du nicht zwingend eine Dillian sein, nur weil deine Eltern Eiswächter waren.«, fügte Eric hinzu. »Natürlich ist das sehr wahrscheinlich, jedoch gibt es auch die ein oder andere Ausnahme. Und wir leben ja schon lange nicht mehr im Krieg und die Ehe zwischen verschiedenen Wächtern oder mit Menschen ist auch nicht mehr verboten.«

Alice nickte. »Anibatera nicht zu vergessen.«

»In meinem Dorf gab es einen Halbdämon.«, erinnerte ich mich. »Ein Mann mit Adlerflügeln.«

»Ziemlich beeindruckend.«, meinte Eric.

Ich nickte. »Leider sehen das nicht alle so.«

Wir schwiegen eine Weile bedrückt, bis Mrs. Lowbuck erneut an unseren Tisch trat. Diesmal mit drei dampfenden Tassen Kaffee und drei Tellern Honigwaffeln.

»Das riecht köstlich, vielen Dank.«, sagte ich und lächelte sie an.

»Es ist mir eine Freude, meine Liebe. Lasst es euch schmecken.« Mit diesen Worten eilte sie zurück hinter die Theke.

»Ich bin am Verhungern.«, verkündete Alice und nahm einen großen Bissen von der Waffel. Ich tat es ihr gleich und verzog entzückt das Gesicht, als der süße Honig auf meiner Zunge zerfloss.

»Bei den Sternen schmeckt das gut!«

Alice kicherte. »Die beste Konditorei in ganz Dyllis.«

Eric murmelte irgendwas Zustimmendes mit vollem Mund. Die nächsten Minuten schwiegen wir und genossen unsere Waffeln.

»Was ist mit euch?«, fragte ich nach einer Weile.

»Was meinst du?«, Eric nahm einen Schluck von seinem Kaffee.

»Ich meine, was macht ihr hier? Wo kommt ihr her? Ich hab das Gefühl, ihr wisst alles über mich, aber ich nichts über euch.«

»Es sind noch ein paar Wochen, bis das letzte Halbjahr beginnt.«, erklärte Eric.

»Und damit die Abschlussprüfungen.«, fügte Alice hinzu.

»Alice und ich sind beide im letzten Jahr. Meine Eltern sind wie ich Eiswächter und gehören zum Adel in Dyllis, weshalb wir auch im Schloss leben. Naja, genau genommen leben meine Eltern getrennt. Meine Vater wohnt hier im Schloss und meine Mutter in Nerehliea.«

»Meine Eltern hingegen sind Wächter der Natur. Sie leben in der Hauptstadt.«, erklärte Alice. »Sie haben zugestimmt, dass ich die Ferien bei Eric und seinem Vater verbringen darf, damit wir gemeinsam lernen können.«

Ich blickte überrascht auf. »Jetzt wo ich so darüber nachdenke, siehst du tatsächlich auch ein bisschen so aus wie eine Wächterin der Natur. Aber anders als Cora bist du so gar nicht… sanftmütig.«

Alice schmunzelte. »Tja wie gesagt, Magie und ihre Wege sind unergründlich.«

Eric bedachte sie mit einem amüsierten Ausdruck im Gesicht. »Ich konnte mir Alice früher auch nur schwer als Naturwächterin vorstellen. Dafür ist sie viel zu… impulsiv.«

Alice schnaubte, stimmte ihm jedoch zu. »Wo er Recht hat, hat er Recht.«

Wir lachten.

»Gibt es Nublia in euren Familien?«, fragte ich weiter.

»Meine Großmutter ist eine. Natur und Wasser.«, erzählte Alice. »Ich meine irgendwer väterlicherseits hatte auch mal was mit Eis zu tun gehabt, aber ich erinnere mich nicht so richtig daran.«

Ich nickte interessiert und blickte zu Eric. »Und bei dir?«

Der zuckte nur mit den Schultern. »Alles Eiswächter soweit das Auge reicht.«

Alice verdrehte die Augen. »Die Clivtons sind eine dieser steinalten, stolzen Adelsfamilien hier in Dyllis.«

»Tja, bis meine Mutter meinen Vater verlassen hat. Das hat den Adeligen so gar nicht gefallen.«, fügte Eric hinzu und schaute dabei ziemlich grimmig drein.

»Das tut mir leid für dich.«, erwiderte ich, doch Eric zuckte nur mit den Schultern. »Muss es nicht. Meine Eltern waren nie glücklich zusammen. Zumindest kann meine Mutter jetzt ihren Traum verfolgen.«

Ich musterte Eric etwas genauer. Mit seinem verstrubbelten Haar und den warmen, herzlichen Augen, sah er gar nicht aus wie ein Adeliger. Auch seine Gesichtszüge waren sanft und unscheinbar, auch wenn man nicht leugnen konnte, dass er durchaus attraktiv war.

»Wenn du seine Gesichtszüge auf Anzeichen blauen Blutes zu untersuchen versuchst, muss ich dich leider enttäuschen. Eric hat mehr Ähnlichkeiten mit einem liebevollen Wolfsbaby als mit einem stolzen Herrscher.«, kicherte Alice.

Ich lachte, während Eric neben mir ein beleidigtes Schnaufen ausstieß, ein Grinsen jedoch nicht ganz unterdrücken konnte. »Pass bloß auf, McRian.«

Wir verbrachten den restlichen Tag im Dorf und kehrten gegen Abend ins Schloss zurück. Meine Wangen schmerzten vor Kälte und mein Bauch vor Lachen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. Die beiden hatten mich auf jeden Fall für sich gewonnen.

Ich bedankte mich bei ihnen, als wir uns in der Eingangshalle voneinander verabschiedeten.

»Ach du brauchst dich doch nicht bedanken, das haben wir doch gerne gemacht!«, erwiderte Eric.

»Ja, das hat echt Spaß gemacht. Wenn uns jemand gesagt hätte, dass die verschollene Prinzessin so nett ist, hätten wir schon viel früher nach dir gesucht.«

Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

»Sehen wir uns morgen?«, fragte ich hoffnungsvoll.

»Auf jeden Fall! Wir müssen dir doch noch das Übungsgelände zeigen!«

»Ausgezeichnet. Dann also bis morgen.«, verabschiedete ich mich und stieg die große Treppe hinauf in den ersten Stock.

»Bis morgen.« Alice und Eric schauten mir hinterher und verschwanden dann in einem anderen Gang links von der Treppe.

Himmelsfrost

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