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AUF DEM GUT IN POLEN

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Mutti hat noch fünf Schwestern. Maria, Elsa, Sonja, Lena und Inga. Sie lebten mit ihren Eltern im früheren Ostpreußen. Meinem Opa gehörte dort ein Gut. Mutti erzählt immer, dass Opa noch einen Bruder hatte. Ihr Vater wanderte, als die beiden Jungs noch klein waren, nach Amerika aus und ließ seine Familie in Polen zurück. Dafür konnte er ihnen ausreichend Geld in die Heimat schicken. Scheinbar gingen die Geschäfte in Amerika recht gut. Denn als mein Uropa starb, hinterließ er seinen Söhnen ein beträchtliches Vermögen. Wobei mein Großvater als Haupterbe eingesetzt war. Opas Bruder machte sich nach Amerika auf, um Opas und sein Erbe einzulösen. Opa gab ihm seine Geburtsurkunde mit. Er hat aber seinen Bruder samt Erbe nie wiedergesehen.

Doch auf dem Gut in Polen lebt es sich auch ganz gut. Meine Großeltern sind Deutsche. Ihre Kinder sprechen in der Schule Polnisch und zu Hause Plattdeutsch. Die polnischen Knechte werden von meinem Opa immer gut behandelt. Meine Mutter schwärmt heute noch von ihrem Zuhause, von dem Häuschen, wo sie den Fußboden mit frischem weißem Sand auslegen, das war damals in Polen so Mode, und dem Obstgarten mit den vielen Früchten. Und abends, wenn es dunkel wird, kann man die Frösche vom Teich her quaken hören.

Meine Oma bäckt frisches Brot für die ganze Familie. Die Stullen sind übergroß. Doch Mutti mag das weiße Brot vom Bäcker viel lieber. Das gibt es aber höchstens einmal in der Woche, wenn ihre Mutter in die Stadt fährt, um Besorgungen zu machen. Dann bettelt meine Mutter so lange, bis meine Oma bereit ist, ein solches Brot zu kaufen.

Ihren Vater liebt sie über alles, der ist für sie der große Alleskönner, und Sonja und Elsa sind ihre Lieblingsschwestern. Maria ist die älteste, dann kommen Sonja, Elsa, sie selber und die beiden kleinen Schwestern Lena und Inga. Mit Maria versteht sie sich nicht so gut. Tante Maria verbreitete das Gerücht, Mutti hätte Tante Lena dumm geschlagen. An dieser Stelle muss Mutti oft weinen. Es ärgert sie sehr, dass ihre große Schwester so etwas Gemeines rumerzählt. „Dabei stimmt es doch gar nicht“, sagt sie beleidigt.

Tante Lena ist als kleines Kind in einen Teich gefallen. Die Großen sollten auf sie aufpassen. Durch den Sauerstoffmangel, der im Gehirn auftrat, kann sie später nicht mehr so richtig lernen. Als die Eltern merken, dass Tante Lena in der Schule nicht mehr mitkommt, muss meine Mutter ihr das Lesen und Schreiben beibringen. Tante Lena ist ziemlich lustlos und windet sich wie ein Aal. Sie erfindet immer neue Möglichkeiten, nicht lernen zu müssen. Sie starrt Löcher in die Luft oder beschäftigt sich bewusst mit anderen Dingen. Das ärgert Mutti sehr, denn sie will ihre Aufgabe gut erfüllen. Da gibt’s schon mal einen Katzenkopf. „Aber ein Klaps auf den Hinterkopf heißt doch noch lange nicht, dass ich Tante Lena dumm geschlagen habe“, sagt sie verbittert. „Das ist typisch für Tante Maria. Und Tante Lena glaubt ihr wahrscheinlich auch noch den Mist.“

Ich habe hingegen mal von Tante Lena gehört, dass Tante Maria ihr so eine geballert hätte, dass sie mit dem Kopf an eine Tischkante flog und besinnungslos liegen blieb.

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