Читать книгу Die Ratte kommt - Lydia Drosberg - Страница 33

PEINLICH

Оглавление

Aber nicht nur Mutti mag Vatis Allüren nicht, auch meine Schwestern sind manchmal sehr peinlich berührt, wenn sie mit Vati unterwegs sind. Da fällt mir die Geschichte mit dem Sack Heu wieder ein. Mein Vater fährt mit Eleonora und Marlene zu Onkel Gert aufs Land, um einen riesigen Sack Heu von ihm zu holen. Angela, unsere Cousine, will an diesem Tag auch zurück in die Stadt und so fährt sie gleich mit meiner Familie mit. Bei Onkel Gert gibt es zuvor noch wie üblich einen guten Schnaps für Vati und dann geht es los.

Der Sack ist ja eigentlich nicht schwer, aber sehr unhandlich. Vati macht es sich einfach. ‚Wozu habe ich drei Mädels dabei’, denkt er und rennt ohne Sack voraus. Die Mädels rennen mit dem Monster hinterher. Vati treibt die drei an, weil es ihm schon wieder nicht schnell genug geht. Im Dorf ist ihnen der Sack zwar lästig, aber noch nicht peinlich, denn Heusäcke sind hier alltäglich. Im Zug sieht die Sache schon ganz anders aus und in der Stadt steigt ihnen endgültig die Schamesröte ins Gesicht.

„Mann, Vati, kannst du das Drecksding nicht alleine tragen?“, fragt Marlene.

Doch Vati denkt gar nicht daran. Er hetzt die drei Mädels mit dem Sack über den Bahnhofsvorplatz, weil er schon wieder Angst hat, die Straßenbahn zu verpassen.

„Ohne dieses blöde Ding könnte ich auch so schnell rennen“, meint Angela und sie wünscht sich, nie mit ihren Verwandten mitgefahren zu sein.

Vati ist schon fast an der Straßenbahnhaltestelle, da brüllt er ganz laut „Mädels, macht doch mal ein bisschen schneller, die Straßenbahn fährt gleich los!“

Ela verdreht die Augen und ist stinksauer. Vati setzt schon mal seinen Fuß aufs Trittbrett, damit die Straßenbahn nicht losfahren kann. Die drei erreichen ihr Ziel und steigen mit dem Heusack ein. Sie verkrümeln sich gleich nach hinten. Vati bleibt vorne sitzen. Das blöde Ding, das wesentlich größer ist als sie selber, wird mit einem wütenden Fußtritt in die hinterste Ecke geschoben. Da steht er nun und droht zu kippen. Die Straßenbahn ist noch nicht voll. Die Mädels verschwinden und suchen sich einen Sitzplatz. Danach tun sie so, als würde der Sack nicht zu ihnen gehören.

Vati hat Angst um seinen Heusack. „Eleonora, Marlene, kümmert ihr euch auch um den Sack?“, brüllt Vati ganz laut durch die Straßenbahn.

Die beiden laufen vor Scham ganz rot an und fangen an zu prusten. Angela ist das Ganze peinlich und sie würde am liebsten im Erdboden versinken. Doch sie muss immerzu lachen, sodass es niemanden verborgen bleibt, zu wem der Sack gehört.

Mein Vater gibt keine Ruhe und schreit abermals durch die Straßenbahn: „Eleonora, Marlene, passt ja auf den Sack auf!“

Den Mädels wird es heiß und kalt, alle Blicke sind auf sie gerichtet. Die hübschen Jungs dort drüben, die an der letzten Station eingestiegen sind, grinsen sie auch schon ganz blöde an. ‚Mann, dass Vati uns auch immer wieder in solch eine beschissene Situation bringen muss’, denken meine Schwestern.

Vati interessieren die Empfindungen seiner Töchter nicht, er nervt ungeniert weiter: „Kinder, wir steigen die nächste Station aus. Vergesst mir ja den Heusack nicht!“

Jetzt müssen sie auch noch Farbe bekennen und das blöde Monster aus der Straßenbahn bugsieren.

Marlene sagt: „Ich fasse das Scheißding nicht an.“

Wieder kommt es von vorn: „Eleonora, nimm ja den Sack mit!“

Ein junger Mann mischt sich in das Gespräch ein und sagt belustigt: „Eleonora, nu’ nimm schon den blöden Sack mit!“

Alle in der Straßenbahn fangen an zu lachen. Marlene und Angela springen einfach ohne Heusack aus der Straßenbahn. Ela überlegt einen kurzen Moment, was sie machen soll. Sitzen bleiben geht nicht, irgendwann muss sie ja aufstehen. Das Monster stehen lassen? Da würde ihr Vati schon was erzählen! So wartet sie bis zum letzten Augenblick, schnappt sich den Sack und zerrt ihn blitzschnell aus der Straßenbahn. Die Bahn fährt los und mit ihr verschwinden auch die grinsenden Gesichter, die sie so hämisch aus dem Fenstern anglotzen.

Vati ist schon, bevor die Straßenbahn losfuhr, über den Schienen verschwunden. Er rennt voraus und die Mädels mit dem Sack gackernd hinterher.

Die Ratte kommt

Подняться наверх