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TANTE SONJA

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Am nächsten Tag fahren wir zu Tante Sonja und die Jungs probieren ihre Skier aus. In der Nähe von Tante Sonja gibt es einen großen Berg mit einer Rodelbahn, die man hier „Dreihöckerbahn“ nennt. Erwin besorgt schnell einen alten Schlitten für mich und wir sausen den Berg hinunter. Bei jedem Höcker werden wir in die Luft geschleudert und landen unsanft wieder auf der Erde. Das Ende der Bahn ist um einiges steiler. Jedes Kind, das runterfährt, hört man dreimal „Aua“ schreien, weil einem beim Aufprall nach jedem Höcker der Hintern tierisch wehtut. Die Fahrt ist erst zu Ende, wenn das Kind juchzt, als würde es mit der Achterbahn einen riesigen Höhenunterschied überwinden. So steil ist das letzte Stück.

Knut und Heiko flitzen die Rodelbahn hinunter und machen die beschriebenen Geräusche. Scheinbar funktioniert das wohl auch bei Skiern. Wenn ich mir das so anschaue, bin ich ganz froh, keine Skier zu besitzen. Da lob ich mir doch den alten Schlitten, den ich gerade unter meinem Hintern habe. Wir rodeln bis zum Abend und können kaum noch was sehen. Deswegen umarmt Heiko auch noch einen Baum, den er in der Dämmerung zu spät bemerkt. Schnell rennen wir zu Tante Sonja nach Hause ehe noch etwas Schlimmeres passiert. Tante Inga tritt mit ihren Kindern die Heimreise an und wir bleiben noch eine Nacht hier.

Tante Sonja wohnt in einem Bauernhaus mit zwei Etagen. Unten die gute Stube, ein Schlafzimmer, ein Kinderzimmer und die Küche. Oben noch ein Zimmer und der Boden mit Räucherkammer. Vom Flur führt eine Treppe in den Keller. Der Keller und der Boden sind erstaunlich leer und aufgeräumt. In der Küche gibt es einen Wasserhahn, aus dem rostiges Wasser tropft, darunter steht ein Hocker mit einer Schüssel. Hier kann man sich die Füße waschen, Zähne putzen oder das Wasser zum Kochen benutzen. Die Küchenmöbel sind alt. Ein gelber Küchenschrank und ein Tisch mit zwei Stühlen. Der Herd ist noch älter. Er wird mit Feuer betrieben. Um die Wärme zu regulieren, muss man die Öffnung zum Feuer größer oder kleiner machen. Dazu benutzt man kleiner werdende Metallringe, die man raus- oder reinlegen kann. In der Ofenröhre brutzelt Tante Sonja den besten Braten der Welt. Heute zum Beispiel liegt eine lecker riechende, knusprige Gans darin. Auf dem Herd kochen die Kartoffeln.

Von der Küche aus kommt man in den Stall. Links zwei Schweinegatter mit riesigen Futtertrögen. Ich kann zwischen Schweinezaun und Futtertrog nur die Schweineköpfe hin und her wackeln sehen. Darum stelle ich mich auf die Futtereinrichtung, so dass ich die Vierbeiner von oben beobachten kann. Hier hat mir Erwin mal gezeigt, wie man auf einem Schwein reiten kann. Er setzte sich einfach auf das Tier, fasste es an den Ohren und das Schwein rannte so lange hin und her, bis Erwin wieder runter fiel. Das sah witzig aus. Auf der anderen Seite wohnen die Hühner, sie können durch ein winziges Loch ins Freie gelangen. Auf den Hühnerstangen schlafen sie in der Nacht. Ich würde sicher von der Stange fallen, wenn ich so schlafen müsste. Die Kästen an den Wänden sind zum Eier legen. Tante Sonja klaut sie den Hühnern im wahrsten Sinne des Wortes unter dem Hintern weg. Wenn die Eier dann befruchtet sind, müssen sie unter eine Legelampe, bis die Hühnerkinder schlüpfen. Dann hat Tante Sonja im Wohnzimmer neben dem Ofen einen Karton voller gelber, flauschiger Küken zu stehen. Im Stall über den Hühnern sieht man die Luke zum Heuboden. Dort kann man wunderbar im Heu toben.

Draußen stinkt es mächtig nach Mist. Auf dem Misthaufen thront der Hahn. Da fällt mir die Geschichte vom Hahn ein, der nicht mehr krähen will. Dem hatte man den Kopf abgeschlagen und der ist dennoch im Hof noch ein paar Runden gelaufen. – Wie gruselig! – Das hat mir Erwin erzählt.

Hinterm Misthaufen befindet sich das Klo, auch „Donnerbalken“ genannt. Dort gehe ich nicht gerne rauf. Erstens stinkt es entsetzlich. Zweitens friert man sich im Winter den Arsch ab. Und drittens ist es so ekelhaft, da drauf zu sitzen. Man hat immer das Gefühl, einer grabscht einem gleich von unten an den Po. Ich bin ganz ehrlich froh, dass wir zu Hause ein Wasserklo besitzen.

Dann gibt es noch die große Scheune, an deren Wand der Hund angekettet ist. Ich begegne ihm immer mit großem Respekt, denn ich will nicht so enden wie die Nachbarstochter, die von einem Hund ins Gesicht gebissen wurde. Die Ärzte verpflanzten ihr ein Stück Fleisch vom Schenkel ins Gesicht. Die Wange sieht noch immer sehr seltsam aus, als wenn Gelee mit Narben durchzogen ist. Der Hund wurde zur Strafe eingeschläfert.

Die Ratte kommt

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