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Der Abend davor

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Diese Marketingidee war großartig, geradezu genial. Das musste einfach wie von selbst funktionieren. Ich würde im Handumdrehen Gäste für den kommenden Tag akquirieren. So dachte ich zumindest.

Es war der Abend vor meiner ersten selbst organisierten Hafentour im Frühsommer 2007. Alles war gut vorbereitet: Ich hatte eine traditionelle urige Hafenbarkasse, also eins von diesen alten kleinen Schiffen, gechartert und mit dem Schiffsführer eine interessante Fahrtroute abgestimmt. Die Barkasse würde für einen kulinarischen Zwischenstopp an einem idyllischen Biergarten anlegen, und für die Rückfahrt hatte ich einen dieser typischen Stadtrundfahrt-Cabrio-Doppeldeckerbusse gebucht. Die Tour würde zunächst unter der Köhlbrandbrücke hindurchführen und später obendrüber hinweg – mit einem atemberaubenden Ausblick über den Hamburger Hafen. Ich war davon überzeugt, dass die verschiedenen Hafenansichten meine Gäste begeistern würden. Sie sollten einen neuen Blick auf Hamburg bekommen und mit der Elbinsel Wilhelmsburg eine weitgehend unbekannte Ecke der Stadt kennenlernen. Wilhelmsburg war ein sozial schwacher Stadtteil, dem für die nächsten Jahre dank dort stattfindender Internationaler Bauausstellung und Planung einer Gartenschau ein großer Aufschwung prophezeit wurde. Ein interessanter Stadtteil im Wandel.

Nur eines fehlte mir noch für meine Tour: zahlende Fahrgäste. Ich hatte hohe Kosten, aber bis zum Vorabend der Tour tatsächlich nur einen einzigen Gast, der Geld für sein Ticket bezahlt hatte. Ich hatte die Dame über eine Zeitungsanzeige in einem lokalen Wochenblatt für meine Tour interessieren können. Leider hatte die Schaltung der kleinen Annonce mehr gekostet, als dieses eine verkaufte Ticket für die Jungfernfahrt einbrachte. Natürlich hatte ich der Dame als meiner ersten zahlenden Kundin auch noch großzügig Rabatt eingeräumt. Schließlich war das hier der Beginn von etwas ganz Großem. Das mit dem Premierenkundenrabatt hielt ich für ein unschlagbares Argument, nur leider hatte diese Idee mit nur dieser einen Kundin als Resultat offenbar nicht gezündet.

Ich hatte den ganzen Nachmittag mit einer kühlen Schorle in der Hand auf der Terrasse unterm Sonnenschirm gesessen und gegrübelt. Wo in Hamburg würde ich auf viele begeisterte Menschen treffen, die ich so kurzfristig noch als Kunden für meine morgige Tour gewinnen konnte? Gedanklich ging ich alle mir bekannten Touristen-Hotspots durch, als meine Freundin anrief. Wir kennen uns schon aus der Studienzeit in Kiel, hatten einige Jahre zusammen Basketball gespielt und schon viel gemeinsam durchgestanden. Marion ist bis heute eine meiner engsten Vertrauten. Ihre Eltern waren Ärzte, sie glaubt an das Gute in den Menschen, feiert gern und steckt mit ihrem lauten Lachen alle an. Ihr Job in der Finanzbehörde scheint so gar nicht zu ihrem lebenslustigen Wesen zu passen. Wir hatten uns bei einer Infoveranstaltung für Erstsemester in der Unibibliothek kennengelernt und waren uns gleich sympathisch.

»Hey, Maike, wir wollen nachher noch was trinken gehen, bist du dabei?«

Ich zögerte kurz. Das Angebot auf Ablenkung von meinem Problem schien sehr verlockend.

»Ich weiß nicht, Marion, ich habe immer noch keine zahlenden Gäste für die Tour morgen und bin gerade echt verzweifelt.«

»Ach was, nun komm schon, uns fällt doch immer was ein. Wir quatschen nachher einfach ein paar Leute auf dem Kiez an, da sind doch immer Touristen, die was erleben wollen.«

In meinem Kopf hakten sich Engelchen und Teufelchen unter und schauten mich erwartungsfroh an. Natürlich, das könnte die Lösung sein. Meine Stimmung stieg schlagartig.

»Also gut, ich bin dabei, Treffpunkt wie immer?«

»Jo, Marko legt heute wieder auf.«

In Gedanken war es ganz einfach und glasklar: Natürlich würde ich meine potenziellen Fahrgäste für den kommenden Tag am ehesten auf dem Kiez finden. Rund um die Reeperbahn hatte sich in den vergangenen Jahren eine gute Theater-, Restaurant- und Klubszene entwickelt, die für jeden Geschmack und jedes Alter Angebote bereithielt. Menschen jeglicher Herkunft und sozialer Schichten tummelten sich dort Abend für Abend. Ich musste nur die Richtigen finden und sie von meinem Tourangebot überzeugen.

Mit meinen Freunden war ich zu dieser Zeit häufig zum Feiern unterwegs, wir waren Stammgäste im Herz von St. Pauli, einer bei Hamburgern wie Touristen gleichermaßen beliebten Lokalität am Spielbudenplatz. Sie verfügte über gemütliche Sitzecken und eine große mittige Tanzfläche, die meist gut gefüllt war. Wir hatten uns einige Monate zuvor mit Marko, dem DJ, angefreundet, und unsere gut gelaunte Runde, die meist aus acht bis zehn Personen bestand, sorgte immer ordentlich für Stimmung.

An diesem Abend verabredeten wir uns für halb zehn. Die große Party startete im Herz von St. Pauli immer erst, wenn es schon auf Mitternacht zuging, wir wollten jedoch sichergehen, dass wir unseren Stammtisch in der linken Ecke am Fenster bekamen. Von dort hatte man das Treiben sowohl im Laden selbst als auch draußen im Blick.

Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, hier irgendwo so ganz nebenbei ein paar Fahrgäste für den kommenden Tag aufzuspüren. Meine Freunde sprachen mir Mut zu. Die Halbliterbiergläser klirrten über dem Tisch zusammen, alle stießen auf meine Mission an. Marion trank wie immer Sekt, ich hielt mich heute an Apfelschorle. Ich wollte auf keinen Fall potenzielle Fahrgäste mit einer Alkoholfahne ansprechen und verschrecken.

»Die können doch gar nicht an dir vorbei.«

»Rede einfach so viel wie sonst und lächle sie an, dann wird das schon.«

»Hey, die werden ganz sicher anbeißen.«

Meine Freunde waren sich einig, dass es klappen würde.

Mir war etwas mulmig zumute, als ich mich mit klopfendem Herzen auf den Weg machte, um wildfremde Menschen auf der Straße anzusprechen.

Unser Stammlokal lag in einem der alten Flachbauten auf dem Gelände der sogenannten Esso-Häuser am östlichen Ende des Spielbudenplatzes, gleich am Beginn der Reeperbahn. Die Esso-Häuser hatten ihren Namen von einer kultigen Tankstelle auf dem Gelände, die vermutlich mehr Umsatz mit Sprit für Menschen als für Autos machte, da sie strategisch gut lag und preiswerte alkoholische Getränke verkaufte. Das dort angebotene Bier- und Spirituosensortiment war beachtlich, und ich hatte nie zuvor eine Tankstelle mit Security-Mitarbeitern gesehen. Inzwischen wurden sowohl die Tankstelle als auch die Häuser abgerissen, hier soll neu gebaut werden. Der Kern der Partyszene traf sich auch damals schon ein paar Hundert Meter weiter am Hans-Albers-Platz und auf der Großen Freiheit.

Ich wollte mein Glück erst mal nebenan versuchen, vor dem Eingang zum Operettenhaus. In diesem renommierten Haus auf der Reeperbahn wurde gerade das Musical MAMMA MIA! gespielt. Abend für Abend strömten gut gelaunte Menschen in das Theater und kamen mit einem regelrechten Strahlen im Gesicht und begeistertem »Here we go again« auf den Lippen wieder heraus. Mit Vorstellungsende wandelte sich der verlassene Bürgersteig vor dem Theater in einen bunten, lauten Boulevard. Vernahm man vorher nur die gedämpfte Musik entfernter Kneipen, so tanzten die Musicalgäste plötzlich die breiten Treppen am hell erleuchteten Theatereingang herunter. Ein fröhliches Stimmengewirr, Gelächter und spontane Gesangseinlagen füllten die Abendluft.

»Take a chance on me«, trällerte eine fünfköpfige Damengruppe offenbar rheinländischer Frohnaturen zu meiner Rechten. Sie hatten sich für diesen Abend ordentlich in Schale geworfen, und ihr Glitzer-Make-up funkelte im Lichterschein. »The winner takes it all«, schmetterte ein kleiner untersetzter Herr im luftigen Trenchcoat zu meiner Linken.

Das waren sie. Meine perfekten Gäste. Genau diese gut gelaunten, positiven Menschen mit Interesse an Kultur und einem Verständnis dafür, dass gutes Entertainment auch sein Geld wert war. Die wollte ich auf meiner Tour. Und zwar morgen.

Nicht so recht bedacht hatte ich, dass die Musicalbesucher etwas abgelenkt waren. Sie hatten den Kopf voll mit ABBA-Songs, schnatterten unentwegt mit ihren Begleitungen und träumten von der wunderschönen Liebesgeschichte mit Happy End, deren Zeuge sie gerade geworden waren.

»Money, money, money, must be funny, in the rich man’s world«, schoss es mir passend durch den Kopf.

Um mich herum warf man sich im Gehen Jacken über, sortierte die gerade im Foyer ergatterten CDs, bedruckten Kaffeetassen und Programmhefte in winzige Rucksäcke oder kramte in riesigen Handtaschen nach dem Autoschlüssel oder dem Telefon.

Kaum jemand nahm Notiz von mir. Dabei bin ich mit meinen fast 1,90 Meter eigentlich nicht zu übersehen. Die Menschen strömten zuhauf aus dem Theatereingang und mischten sich schnell mit Passanten. Ganz in der Nähe liegt die U-Bahn-Station St. Pauli, aus der zu dieser Uhrzeit im Minutentakt feierlustige Gäste für die Nacht auf die sündige Meile sprudelten.

Ich sammelte mich kurz und überlegte. Ich hatte ein schönes großes Werbeplakat vorbereitet, da mussten die Leute doch zumindest neugierig stehen bleiben. In der Oberstufe an meinem Gymnasium in der nordfriesischen Heimat hatte ich erfolgreich Plakate für unser Schulfest gemalt, da würde das hier bestimmt auch funktionieren. Ich hatte sogar einen meiner gerade erst ergatterten Hafenpläne geopfert, ihn zurechtgeschnitten und auf Pappe geklebt. Mit dunkelblauem Marker hatte ich die wichtigsten Informationen dazugeschrieben und das Ganze mit durchsichtiger Schulbuchklebefolie professionell konserviert. Schließlich bin ich Lehrerkind und somit von Natur aus talentiert im Plakatbasteln.

Ich hielt also das überdimensionierte Schild im Arm und gesellte mich mutig auf wackligen Beinen mitten in die gerade aus dem Operettenhaus strömende Menschenmenge. Erst hielt ich das Plakat etwas schüchtern ungefähr auf Kniehöhe. So diente es jedoch eher als Stolperfalle, das war kontraproduktiv. Immer wieder stieß jemand im Vorbeigehen dagegen, warf mir einen entschuldigenden Blick zu oder rollte die Augen. Ich hätte mich gern in Luft aufgelöst.

»Reiß dich zusammen, Maike, wenn du deine eigene Firma aufbauen willst, musst du dich auch zeigen!«, maßregelte ich mich selbst.

Ich vernahm rechts und links Gesprächsfetzen.

»Wow, hast du die tolle Schlaghose von Donna gesehen?«

»Hach, Benny war immer schon mein Jugendschwarm.«

»Ich mochte Agnetha!«

»Ja, ich hatte alle ABBA-Poster und -Alben.«

Alle schienen völlig begeistert vom Musical und irgendwie auf einer Nostalgiewelle entrückt. Im Publikum überwog der Anteil von Frauen zwischen zwanzig und fünfzig deutlich. Die Damen waren gut gelaunt, teilweise leicht beschwipst und sehr ausgelassen. Viele würden wohl noch in einer der Bars rund um den Hans-Albers-Platz oder auf der Großen Freiheit die Nacht zum Tag machen.

Ich nahm all meinen Mut zusammen, hielt mein Schild hoch und sprach kleine Gruppen direkt an: »Hallo, möchten Sie morgen mal den Hamburger Hafen ganz neu kennenlernen?«

Keine Reaktion.

»Hey, seid ihr schon mal mit einem Cabrio-Doppeldeckerbus über die Köhlbrandbrücke gefahren?«

»Moin, habt ihr morgen Lust auf eine außergewöhnliche Tour?«

Außer einem schnellen mitleidigen Lächeln erhielt ich kaum Aufmerksamkeit. Hier war offenbar nichts zu holen.

»Darling, can’t you hear me, S.O.S.«, tönte es in meinem Kopf. Es wollte einfach nicht klappen. Ich grübelte, wie ich doch noch jemanden begeistern könnte, aber war innerlich schon dabei, aufzugeben. Vielleicht war mein Akquiseversuch hier der vollkommen falsche Ansatz. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

Plötzlich entdeckte ich ein bekanntes Gesicht in der Menge. Und wäre am liebsten im Boden versunken. Ich spürte, wie ich rot anlief und meine Beine weich wurden. Ich zog instinktiv den Kopf ein und nahm das Schild runter.

»Oh nein, das kann nicht wahr sein«, schoss es mir durch den Kopf. Wie groß war bitte die Wahrscheinlichkeit, dass mir ausgerechnet hier an diesem Abend in diesem Moment mein früherer Chef mit seiner Familie in die Arme lief? Ich traute meinen Augen kaum.

Zum Glück war es nicht der Chef, der mich gerade erst, wenige Wochen zuvor, vor die Tür gesetzt und mir damit den im Nachhinein besten Tritt meines Lebens verpasst hatte. Aber auch diesem hier, dem sehr netten Geschäftsführer einer meiner früheren Arbeitgeber, wäre ich jetzt doch lieber nicht begegnet. Der wohnte doch in der Nähe von Köln. Was machte er ausgerechnet an diesem Abend hier in Hamburg?

Ich versuchte, ein souveränes Lächeln aufzusetzen. Er schaute zunächst ungläubig von mir zu meinem Plakat, war aber vermutlich durch all die ABBA-Songs noch high genug, um nicht zu realisieren, dass er in mir mal größeres IT-Vertriebler-Potenzial gesehen hatte. Er war ein typischer Mittfünfziger-Geschäftsmann, trug wie immer einen dunklen Anzug, das dunkle Hemd kaschierte geschickt den leichten Bauchansatz, und ich musste schmunzeln, als mir neben den grauen Schläfen wieder die lustigen Härchen auf seinen Ohren auffielen. »Pinseläffchenohren« hatten meine Kollegin und ich immer hinter seinem Rücken dazu gesagt.

»Maike, was machen Sie denn hier?«

»Klaus, das ist ja eine Überraschung, Sie hier zu sehen. Wie war das Musical?«, versuchte ich abzulenken.

»Das war super, aber was ist denn das da für ein Plakat? Jobben Sie hier für einen Touranbieter?«

Ich bemühte mich, lässig zu wirken und meine frische Selbstständigkeit professionell darzustellen.

»Das ist meine eigene Firma, ich biete jetzt ganz neue Touren im Hamburger Hafen an, in Ecken, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Per Barkasse und mit einem Doppeldeckerbus.«

Klaus schaute irritiert. Ob wegen meines gewagten Jobwechsels oder meiner Touridee konnte ich nicht sofort erkennen.

»Ach, da sieht man doch immer das Gleiche. Der Hafen ist spannend, aber ist doch egal wo wir mitfahren.«

Ja, von wegen.

»Nein, schauen Sie mal hier, ich fahre ganz woanders lang, die Tour dauert drei Stunden, und wir machen einen Zwischenstopp. Es gibt noch so viel zu entdecken.«

Ich hielt Klaus mein Werbeplakat mit der eingezeichneten Fahrtroute für den kommenden Tag unter die Nase und erklärte meine Tour. Was hatte ich zu verlieren? Die Anzahl meiner zahlungswilligen Kundschaft für den folgenden Tag lag weiterhin bei eins. So leicht gab ich nicht auf, ich kam langsam in vertriebliche Höchstform und war von meinem Angebot überzeugt. Das Ziel hatte ich direkt vor Augen: Klaus und seine Familie sollten morgen an Bord kommen. Seine Frau schaute freundlich interessiert, die Teenagertochter summte derweil ABBA-Melodien vor sich hin.

Es half aber alles nichts, sie hatten schon Tickets der Konkurrenz erworben. Es blieb beim freundlichen Plausch, und die Familie verabschiedete sich.

»Viel Erfolg für die Idee und gutes Durchhaltevermögen!«

Ich war niedergeschlagen. Meine Motivation schwächelte, der Elan war weg. Ich hatte mir das so schön ausgemalt. War sicher, hier mindestens zehn Kunden zu finden und die nachmittags schnell noch ausgedruckten Jungfernfahrt-Sonderrabatt-Ticketschnipsel unters Volk zu bringen. Ich hatte nicht mal die Chance gehabt, meine Tour richtig zu präsentieren. Vielleicht war das alles doch nur eine Schnapsidee. In den vergangenen Wochen hatte das mit der Akquise schon nicht geklappt, was sollte der heutige Abend da retten können? Mittlerweile hatten die meisten Musicalbesucher das Theater verlassen, nur einige standen noch in Grüppchen zusammen und berieten vermutlich den weiteren Verlauf des Abends.

Ich schlurfte niedergeschlagen zum nächsten Mülleimer. Hier auf St. Pauli wurde schon so mancher Traum begraben. Traurig warf ich die Ticketschnipsel weg und sah dem morgigen Tag mit gemischten Gefühlen entgegen. Vertrieblich hatte ich versagt. Oder war zu naiv gewesen. Oder beides. Immerhin hatte ich etwas gewagt. Dennoch war mir nicht mehr nach Feiern zumute.

Mit dem Schild unter den Arm geklemmt stand ich vor dem Herz von St. Pauli. Ich wollte eigentlich nur noch nach Hause. Durch die Scheibe beobachtete ich meine Freunde, die bester Stimmung waren. Marions Freund sang gerade aus vollem Herzen einen Coldplay-Song mit und schwenkte andächtig sein Bier dazu, ein paar von uns entdeckte ich auf der Tanzfläche. Marion erblickte mich und winkte mir hektisch zu. Sie gestikulierte mir aufmunternd, dass ich reinkommen sollte.

»Na gut, aber nur um mich schnell zu verabschieden«, dachte ich bei mir.

Drinnen war es inzwischen sehr voll geworden, im Eingangsbereich herrschte Gedränge, ich erkannte die Rheinländerinnen, die gerade noch vor dem Theater gestanden hatten. Vermutlich würde einer der nächsten bei DJ Marko eingehenden Musikwünsche mit ABBA zu tun haben. Er nickte mir von seinem Pult neben der Bar aufmunternd zu, als er mich entdeckte. Ich hatte ihm vorhin von meinem Plan berichtet.

Mit dem unhandlichen Schild über meinem Kopf kämpfte ich mich bis in unsere Ecke vor. Die Luft war bereits stickig, es roch nach verschüttetem Bier. Meine Freunde nahmen mich herzlich in Empfang – ich hatte sie gebeten, nicht mitzukommen, da ich zu unsicher war, wie mein Werbeauftritt laufen würde. Dass es so eine Pleite wurde, hatte ich nicht erwartet.

Nun denn, es nützte ja nichts, ich erzählte, was passiert war.

»Hey, das macht doch nichts, das bedeutet gar nichts«, versuchte Marion mich aufzuheitern.

»Mach dir nichts draus, das waren einfach die falschen Leute. Lass den Kopf nicht hängen. Komm, trink erst mal was mit uns.«

Wir stießen auf den morgigen Start meines neuen Lebens an. Das Vertrauen in meine Geschäftsidee kam zurück, wenn auch erst mal eher zögerlich. Alle Freunde versprachen, morgen mit an Bord zu sein, dazu noch Familie und weitere Bekannte. Die einzige zahlende Dame würde hoffentlich nicht bemerken, dass sie eine Pionierin war.

Mein selbst gebasteltes Plakat verbrachte den Rest des Abends gut sichtbar hinter dem DJ-Pult bei Marko, vielleicht wurde ja noch jemand neugierig. Ich musste lächeln, wann immer ich in die Richtung hinübersah. Weit nach Mitternacht fuhren wir mit der U-Bahn nach Hause. Mein Plakat und ich. Voller Vorfreude auf den nächsten Tag. Und voller Zuversicht, dass die Entscheidung für eine Selbstständigkeit im Hamburger Hafen mir Glück bringen würde. Das Tor zu einer neuen Welt und meinem neuen Leben stand offen.

Leinen los!

Meine große Freiheit

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