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Die Sexualethik des Augustinus 48

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Augustinus argumentiert gegenüber den Manichäern zugunsten der Tugendhaftigkeit von Ehe und Fortpflanzung, obwohl er ihre negative Einschätzung des sexuellen Begehrens als an sich böse (das heißt von der Erbsünde verdorbene) Leidenschaft mit ihnen teilt. Weil das Böse für ihn jedoch ein »Mangel« an Ordnung ist (das heißt, etwas fehlt, das da sein sollte, oder etwas an sich Gutes ist anders, als es sein sollte49), glaubt er zunächst, das sexuelle Begehren gemäß der Vernunft neu ordnen, es also in eine richtige und heile Liebe zu Gott und dem Nächsten integrieren zu können. Das, behauptet er, könne nur geschehen, wenn die sexuelle Vereinigung innerhalb der heterosexuellen Ehe und zum Zweck der Fortpflanzung stattfinde.50 Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe, aber ohne die Absicht der Fortpflanzung, sei, so Augustinus, eine Sünde – obwohl nicht notwendig eine Todsünde. Die Ehe andererseits dient einem dreifachen »Gut«: dem Gut von Kindern, dem Gut der Treue der Ehepartner (im Gegensatz zum Ehebruch) und dem Gut der Unauflöslichkeit der Verbindung (im Gegensatz zur Scheidung).51 Augustinus und viele seiner Anhänger konnten mit großer Eloquenz über die konkrete und symbolische Bedeutung der christlichen Ehe sprechen – mit der Sexualität taten sie sich schwerer.

In seinen späteren Schriften gegen die Pelagianer52 bettet Augustinus das in Unordnung geratene sexuelle Begehren in eine Theologie der Erbsünde ein. Obwohl Adams und Evas Erbsünde für Augustinus eine Sünde des Geistes (eine Sünde des hochmütigen Ungehorsams) ist, sind die Folgen in dem Konflikt zwischen sexuellem Begehren und der Liebe zu höheren Werten äußerst präsent. Der Verlust der Integrität des Gefühlslebens wird von einer Generation an die nächste weitergegeben, und zwar exakt durch die Art der Fortpflanzung, den Geschlechtsakt. Augustinus argumentiert, dass etwas Böses in jedem Geschlechtsakt sei, selbst wenn er innerhalb der Ehe und zum Zweck der Fortpflanzung geschehe. Die meisten von Augustinus’ Anhängern stimmen in diesem Punkt nicht mit ihm überein, aber die Grundsätze seiner Fortpflanzungsethik beeinflussten die christliche Morallehre lange Zeit.

Einige der frühen christlichen Schriftsteller (zum Beispiel Augustinus und Johannes Chrysostomos) betonen auch den paulinischen Sinn der Ehe als Abhilfe für die Lust (1. Korinther 7:1–6). Eine solche Position trägt kaum zu einer positiveren Ansicht über Sexualität bei, aber sie bietet eine Möglichkeit der tugendhaften sexuellen Vereinigung ohne direkten Bezug zur Fortpflanzung. Vom 6. bis zum 11. Jahrhundert werden Augustinus’ Prinzipien jedoch in Pönitenzbüchern (sie enthalten die Richtlinien für Beichtväter mit Listen von Sünden und den entsprechenden Bußen) kodifiziert – mit detaillierten Verboten von Ehebruch, Unzucht, oralem und analem Sex, Masturbation und sogar einigen speziellen Stellungen für den Geschlechtsakt, wenn sie für Abweichungen von der prokreativen Norm gehalten werden.53 Gratians große Sammlung von kanonischem Recht im 12. Jahrhundert enthält rigorose Vorschriften, die auf dem hartnäckig vertretenen Prinzip basieren, alle sexuelle Aktivität sei böse, es sei denn die von Ehemann und Ehefrau zum Zwecke der Fortpflanzung. Einige wenige Stimmen (zum Beispiel Abaelard und Johannes von Damaskus) vertreten die Ansicht, dass Konkupiszenz (ungeregelte Begierde) die sexuelle Lust nicht zum Bösen an sich mache und dass der Sexualakt in der Ehe durch die einfache Absicht gerechtfertigt werden kann, Unzucht zu vermeiden.54

Frühchristliche Schriftsteller verbinden negative Urteile über das sexuelle Begehren mühelos mit negativen Urteilen über Frauen. Obwohl Eva in den kanonischen Schriften nicht die gleiche Verantwortung für den Sündenfall trägt wie in einigen apokryphen Texten, wird sie dennoch häufig als die Verführerin Adams interpretiert. Und ob die Frau nun bewusst für eine bedrohliche Kraft, für die große Versucherin der Männer gehalten wird oder nicht, in christlichen Schriften erscheint sie durchgehend als Spezialagentin des Bösen. Statt die Assoziation mit Verschmutzung und Unreinheit zu verlieren, wird »die Frau« in den christlichen Theologien der Erbsünde, der höheren und niedrigeren Natur, des Geistes und des Körpers, der Rationalität und des Begehrens theoretisch als das gefährliche »Andere« verankert. Aber auch ohne dass man Frauen zum Inbegriff des Bösen erklärt, werden sie als den Männern intellektuell unterlegen, als von Natur aus passiver, als im historischen Sinn weniger wichtig angesehen. Außerdem haben sie am imago dei, dem Bild Gottes, nur sekundär und partiell teil. Sexualität wird im Wesentlichen in geschlechtsspezifische hierarchische Beziehungen gezwängt, die verhindern, dass sie in die großen Gnadentheologien integriert wird.55

Obwohl Augustinus und die meisten seiner Nachfolger weder gegen den Körper noch gegen die Ehe sind, entwickelt die christliche Tradition in ihren frühen Jahrhunderten eine im Großen und Ganzen durchgängig negative und pessimistische Ansicht von Sex, außerdem kommt sie zu der Überzeugung, dass Frauen den Männern nicht ebenbürtig seien. Das muss natürlich eine Behauptung unter Vorbehalt bleiben, denn die frühe Tradition schweigt häufig oder schwankt bei vielen Fragen zur Sexualität (zum Beispiel bei der Frage der Homosexualität). Es gibt allerdings wenige Belege, dass die Christen im Allgemeinen von den strengen sexuellen Einstellungen ihrer Führer beeinflusst wurden.56 Auch die frühe Erkenntnis, dass es in Jesus Christus »nicht Mann und Frau« gibt (Galater 3:28), taucht von Zeit zu Zeit auf und mildert die Frauenfeindlichkeit. Die Richtung und der Ton, den die frühen Jahrhunderte vorgeben, ist jedoch unmissverständlich. Zentrales Anliegen ist die Befreiung von der Sklaverei des Begehrens, weil dieses scheinbar nicht zu Gott führen kann. Auf der Suche nach der Transformation des Körpers zusammen mit der des Geistes scheint selbst die Fortpflanzung unwichtig zu sein. Folglich überschattet das Ideal der Enthaltsamkeit häufig Fragen der Regulierung der sexuellen Aktivität, der Komplementarität der Geschlechter und sogar der Bedeutung der Familie. Wie Peter Browns umfangreiche Untersuchung zeigt, dient der sexuelle Verzicht sowohl dem Eros als auch der selbstlosen Liebe, und er passt zu einer Weltsicht, welche die Grenzen der diesseitigen Welt aufbricht, ohne sie im Ganzen als böse zurückzuweisen.57

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