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1.8Kritik und Vorbehalte

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Kritikerinnen und Kritiker bezweifeln, dass die gemeinsame elterliche Sorge konsequent, also als Regelfall, angewendet wird. Anwalt Reto Wehrli bemängelt, das Gesetz umfasse immer noch zu viele Vorbehalte. Anwälten und Anwältinnen blieben deshalb zahlreiche Möglichkeiten, das gemeinsame Sorgerecht anzugreifen. Im Scheidungsfall würden die Auflösung der Mann-Frau-Beziehung und die Kinderfrage vermischt, was unerwünscht sei. Wehrli meint, eine Infragestellung der gemeinsamen elterlichen Sorge solle nur in klaren Ausnahmefällen möglich sein, etwa bei schwerer Vernachlässigung oder Misshandlung. Zudem beanstandet er die mangelnde Konsequenz. Nach wie vor werde von einer obhutsberechtigten und einer besuchsberechtigten Person und nicht von gleichgestellten bzw. gleichverantwortlichen Partnern ausgegangen, eine Unterscheidung, die man seines Erachtens hätte aufgeben sollen.

Fachleute aus Frauenorganisationen und dem Gleichstellungsbereich kritisieren, mit der Gesetzesrevision werde zu viel und auch Falsches versprochen. Es werde zu viel Symbolik in das rechtliche Institut der gemeinsamen elterlichen Sorge hineingepackt und zudem von Alltagsproblemen abgelenkt. Wenn man vom Kindeswohl ausgehen wolle, meint Bettina Bannwart, so müsse man im gleichen Atemzug immer zwei Bereiche nennen: «Zum einen das Betreuen und Kümmern, zum anderen die Frage der finanziellen Ressourcen, die es braucht, damit ein Kind gut aufwachsen kann. Solange sich der Anteil der Väter, die im Alltag mitbetreuen, nicht wesentlich erhöht, besteht da ein Ungleichgewicht. Das revidierte Gesetz wird die Erweiterung der Elternrollen kaum fördern, da die Regelung betreffend Kindesunterhalt nicht gleichzeitig angegangen wurde.»

Scheidungsanwälte, die Einblick in eine Vielzahl von Paarkonstellationen haben, weisen auch auf die Gefahr hin, dass Frauen in hochstrittigen Fällen, um die gemeinsame Sorge zu verhindern, den (Ex-)Partner des Kindsmissbrauchs beschuldigen könnten. Solche Anschuldigungen erreichen ihr Ziel sehr oft, weil niemand verlässlich das Gegenteil beweisen kann. Zum Schutz des Kindes entscheiden Gerichte und Behörden in solchen Fällen oft zuungunsten des Vaters, was für diesen – wenn der Vorwurf erfunden ist – eine persönliche Katastrophe ist. Und auch für die Kinder ist der Schaden immens.

Es wird auch bezweifelt, dass Väter als Folge der gemeinsamen elterlichen Sorge ihr Besuchsrecht engagierter wahrnehmen. Wenn ein Vater mit dem Kind keinen Kontakt haben will, kann man ihn auch künftig nicht gesetzlich dazu zwingen. «Es wäre dem Kind wohl kaum zuträglich, wenn der Vater nur des Gesetzes wegen und ohne eigene Motivation mit ihm die Ferien verbringen würde», vermutet Nationalrätin Jacqueline Fehr. Reto Wehrli hingegen befürwortet in solchen Fällen Sanktionen und bedauert, dass solche vom neuen Gesetz nicht vorgesehen sind. «Das ist ein Fehler. Es sollte Sanktionen geben gegenüber Eltern, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. Sich nicht zu engagieren und gleichzeitig dem andern Elternteil dreinzureden, das geht nicht. Das ist das eine. Und das andere: Es sollte auch finanzielle Konsequenzen haben, wenn jemand seine Verantwortung nicht wahrnimmt. Man kann keinen direkt zwingen, sich um seine Kinder zu kümmern. Aber wenn er weniger betreut als vereinbart, dann soll er dafür bezahlen.»

Gemeinsam Eltern bleiben

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