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Teambildung

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An diesem Punkt auf meiner Reise nahm ich weitere Vorteile wahr, Liebe ohne Orgasmus zu machen. Bis ich anfing, damit zu experimentieren, musste ich fast jedes Mal, wenn ich mit einem Mann schlief, Antibiotika nehmen, nur um eine Infektion des Urinaltraktes zu vermeiden. Ich habe sie niemals wieder gebraucht. Auch meine Hefepilzinfektionen hörten einfach auf. (Eine Freundin von mir, die einen Genitalherpes hat und auch mit Karezza experimentiert hat, stellte übrigens fest, dass der Herpes nur ausbrach, wenn sie wieder in die Leidenschaft verfiel.)

Mittlerweile hatten meine Reisen mich bis nach Kalifornien gebracht, wo ich an einem Institut arbeitete, an dem chinesische Medizin und Massage unterrichtet wurden. Ich bat Will, den Anatomie- und Physiologielehrer, die Unterlagen zu lesen, die ich auf meiner Website veröffentlichen wollte. Ich dachte mir, Will könnte sich als guter Kritiker erweisen.

Wie sich herausstellte, hatte er eine Menge mehr zu bieten. Wir sind seit sechs Jahren verheiratet und seit acht Jahren zusammen. Er ist ein wunderbarer Mitforscher mit einem bemerkenswerten Willen, sich außerhalb gewöhnlicher Denkstrukturen zu bewegen. Wir fingen unsere Beziehung mit Karezza an (obwohl ich den Ausdruck damals noch nicht kannte) und vermieden Orgasmen so gut es ging.

Ich hatte auf dem harten Weg lernen müssen, dass es praktisch unmöglich ist, von konventionellem Verkehr über Nacht auf Karezza umzusteigen. Der Versuch, sich wie gewohnt zu lieben, doch auf den Orgasmus zu verzichten, „schneidet dem Sex die Eier ab,“ wie ein Freund von mir sagte. Um Karezza auszuprobieren, brauchen Paare ein klares Ziel und eine Übergangszeit mit viel liebevollem Kontakt.

Um diese Phase zu erleichtern, habe ich eine dreiwöchige Serie spielerischer Aktivitäten zusammengestellt, die ich die ekstatischen Austauschübungen genannt habe und die Sie am Ende des Buches finden. Das Ziel der Austauschübungen ist es, Paaren viele Möglichkeiten des liebevollen Umgangs miteinander zu offerieren, ohne unbewusst wieder in die gewohnten Routinen des Vorspiels zu verfallen oder einander allzu heiß zu machen. Die Austauschübungen fordern dazu auf, in den ersten zwei Wochen auf Verkehr völlig zu verzichten, so dass die Übenden zunächst den Kater ihres letzten Orgasmus überwinden können. Sie tragen daher zunächst auch Kleidung in der Nacht. In der dritten Woche ist dann langsamer, entspannter Verkehr in jeder dritten Nacht an der Reihe.

Hier ist Wills Bericht über seine frühen Erfahrungen, die er nach ungefähr zehn Monaten aufschrieb:

„Als ich zustimmte, die Austauschübungen zu machen, hatte ich noch Vorbehalte. Zum einen hatte ich nie die ganze Nacht ruhig schlafen können, auch nicht mit meiner Ex. Zum Zweiten war ich nicht begeistert davon, Liebe nach Rezept zu machen, das mir vorschreibt, wann ich Geschlechtsverkehr haben darf und wann nicht. Zum Dritten kannte ich Marnia in dieser Hinsicht gar nicht, und es fühlte sich komisch an, mit einem Programm anzufangen, wo Geschlechtsverkehr erst in drei Wochen auf der Tagesordnung stand. Und zum Vierten masturbierte ich gern (ungefähr drei oder vier Mal die Woche), und ich wusste, dass ich auf Ejakulation während der Austauschphase verzichten musste.

Allerdings hatte ich ihre Unterlagen gelesen, und die beschrieben die Achterbahn meiner vorherigen Beziehungen ziemlich genau. Ich hatte endlich verstanden, warum ich mich immer zurückziehen musste, um Raum für mich zu haben, oder mich in sinnlosen Streitereien mit meinen Freundinnen verloren hatte. Ich war nicht davon überzeugt, dass die Auswirkungen von einem Orgasmus tatsächlich so langfristig waren, wie Marnia sagte, doch ich hatte noch nie lange genug auf einen Orgasmus verzichtet, um es wirklich herauszufinden. Jedenfalls spürte ich, dass dieser Zugang zum Sex eine Verbesserung sein könnte. Ein paar Monate zuvor hatte ich mich gerade mal wieder von der Mutter meines Sohnes getrennt, mit der ich eine schmerzhafte „An-Aus-An-Aus-Beziehung“ geführt hatte. Ich hatte zu trinken begonnen, als wir zum ersten Mal zusammen kamen. Das war damals fünfzehn Jahre her.

Als ich mit den Austauschübungen anfing, war ich finanziell ruiniert und mein Trinken hatte so zugenommen, dass ich Alkoholiker war – wobei ich meine Sucht verbarg, indem ich den Campus verließ, um zu saufen, wann immer es ging. Ich befand mich in einer Abwärtsspirale und wusste nicht, wie ich da wieder herauskommen würde. Ich fasste also den Entschluss, dass es einen Versuch wert war.

Einige der Wirkungen der Austauschübungen wurden extrem schnell sichtbar. Nach nur drei Tagen fühlte ich mich wohler und entspannter in meinem Körper. Küssen fühlte sich wie eine ganz neue Erfahrung an – wie meine ersten Küsse vor vielen, vielen Jahren. Das ganze Zielgerichtete am Sex fiel weg. Und mein Fokus bewegte sich weg von meinen Genitalien, hin zu einem Fokus, etwas miteinander zu teilen.

Weitere Veränderungen folgten. Mein Muster, nicht mit jemandem in einem Bett schlafen zu können, löste sich auf, auch wenn die ersten Nächte wahrlich herausfordernd waren. Jetzt liebe ich es, sie anzufassen, wenn ich nachts aufwache, bevor wir wieder einschlafen.

Die Sucht brauchte etwas länger, um sich zu verändern – teilweise, weil ich versuchte, es zu verstecken und ganz allein damit aufzuhören, immer wieder und ohne Erfolg. Als es herauskam, war ich mir sicher, dass sie mich verlassen würde, doch das tat sie nicht. Stattdessen wurden wir durch diese gemeinsame Aufgabe noch engere Partner. Es ist jetzt sechs Monate her, dass ich zum letzten Mal Alkohol getrunken habe und ich hatte keine Sucht- oder Entzugserscheinungen. Ab und an habe ich ans Trinken gedacht, und das war immer, nachdem sie oder ich zu leidenschaftlich geworden waren. Ich hatte früher den Alkohol dazu benutzt, dem Beziehungsschmerz zu entkommen. Doch mit diesem Zugang wurde die Beziehung zu einer Quelle der Inspiration und Stärke.

Ich habe nicht ein Mal während der letzten zehn Monate, seit Beginn unserer Beziehung, ejakuliert. Und das Bedürfnis nach einem Orgasmus habe ich auch nicht wirklich – obwohl ich sicher bin, dass ich einen haben könnte, wenn ich wollte. Der Verzicht auf Ejakulation hatte keine negativen Auswirkungen. Ich hatte nur ein einziges Erlebnis, wo ich mich körperlich unwohl fühlte, und das war, als sie mich mit klassischem Vorspiel zu sehr überreizt hat.

Der größte Unterschied zwischen dieser Beziehung und meinen anderen ist, dass wir uns wie Teenager fühlen, obwohl wir in unseren Vierzigern sind. Wir verbringen jeden Tag Zeit damit, uns zu küssen, und lieben uns oft. Die Energie war von Anfang an so zwischen uns – abgesehen von ein paar Verirrungen in die „Beziehungshölle“, in die wir durch zu viel Leidenschaft geraten sind, was zur Folge hatte, dass sie einen Orgasmus hatte. Diese Umwege haben mich davon überzeugt, dass wir mit konventionellem Sex eine genauso schlechte Beziehung hätten wie alle Beziehungen meiner Vergangenheit.

Ich sehe auch in anderen Bereichen meines Lebens große Veränderungen. Meine Finanzprobleme lösen sich und mein Berufsleben entwickelt sich in Richtungen, die ich mir immer gewünscht habe, die ich jedoch bislang nie einschlagen konnte. Die Gelegenheiten bieten sich mir einfach mühelos an, und alles entwickelt sich wunderbar. Ich habe viel mehr Vertrauen in mich selbst. Ich bin ruhig und konzentriert. Und ich fühle mich jetzt viel wohler damit, in einer Partnerschaft zu sein, anstatt mich als ein separates Wesen zu sehen, das zufällig zur gleichen Zeit auch mit jemand anderem zusammen ist. Ich habe eine viel optimistischere Einstellung zu Beziehungen gewonnen.“

Das Gift an Amors Pfeil

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