Читать книгу Das Gift an Amors Pfeil - Marnia Robinson - Страница 38

Wo hatten wir uns vertan?

Оглавление

Wie sich herausstellte, hatten wir zwei Fehler begangen – auch wenn uns der zweite damals noch gar nicht richtig bewusst war. Zunächst hatten wir unsere Kontrolle unabsichtlich wieder an unsere Biologie abgegeben, als wir aufhörten, Sex nach Plan zu haben. Will, ein typischer heißblütiger Mann, ist darauf programmiert, alle sich bietenden sexuellen Möglichkeiten zu nutzen. Ohne unsere regelmäßigen Nächte ohne Geschlechtsverkehr war es seine biologische Pflicht, den Motor auf Touren zu bringen – für alle Fälle. Er war wie ein Automotor, der die ganze Zeit überhitzt wurde. Dieses Problem wurde während der Austauschübungen vermieden, weil wir da immer wussten, wann wir Geschlechtsverkehr haben würden und wann nicht. Die Struktur war also sehr beruhigend.

Außerdem hatten wir uns davon wegentwickelt, einander so viel nicht zielorientierte Zuwendung wie möglich zu schenken. Deswegen bekam unser Nervensystem keine wirkliche Chance, sich in die heilsame Energie hinein zu entspannen, wie wir sie anfangs miteinander geteilt hatten. Wie wir viel später feststellten, bedeutete das auch, dass wir nicht ständig die Signale miteinander austauschten, die in unserem Säugetiergehirn mit Verbindung und Zugehörigkeit assoziiert werden.

Für solche unschuldigen Fehler haben wir eine ganz schön lange Zeit gebraucht, um den Schaden wieder zu reparieren. Wir hatten nicht nur begonnen, unsere gemeinsame Zukunft in Zweifel zu ziehen, sondern es fehlte auch die Anziehung zwischen uns, die früher so absolut zuverlässig da gewesen war, um uns wieder zueinander zu bringen. Autsch.

Zunächst versuchten wir, einfach wieder Geschlechtsverkehr nach Plan zu haben. Doch das funktionierte nicht. Es floss keine Elektrizität zwischen uns, unsere Herzen blieben zurückhaltend, Wills Berührung war immer noch hungrig, und ich hatte einen Orgasmus im Traum, was bedeutete, dass wir mit weiteren zwei Wochen unausgewogener Energie umzugehen hatten. Krisen auf der Arbeit laugten uns aus. Unser Leben schien sich auf jeder Ebene in einer seltsamen Abwärtsspirale zu befinden.

Wir fanden heraus, dass wir unser Nervensystem komplett neu ausrichten mussten, wenn das stimmte, was wir gelernt hatten. Wir mussten uns wieder auf das Geben einstimmen anstatt auf das Nehmen, auch wenn es bedeutete, durch eine weitere unangenehme Phase des Rückzugs hindurchgehen zu müssen. Wir hatten beide ziemliche Angst. Wie Will sagte: „Ich glaube, ich schaff das nicht. Ich weiß einfach nicht, wie ich dich anfassen soll.“

Schweren Herzens zogen wir uns wieder etwas an, wenn wir abends ins Bett gingen, und fingen wieder von vorne mit den Austauschübungen an. Konnte es wirklich sein, dass sie zweimal wirken würden, insbesondere in unserem Gemütszustand? Hatten sie überhaupt jemals gewirkt? Alles, was wir im vergangenen Jahr an Positivem genossen hatten, wurde in Frage gestellt. Vielleicht hatten wir uns etwas vorgemacht. Vielleicht war unsere Harmonie lediglich das Ergebnis einer vorübergehenden Flitterwochen-Neurochemie gewesen. Vielleicht waren Wills Sucht und seine Depression aus anderen Gründen zurückgekehrt, die gar nichts damit zu tun hatten. Vielleicht gab es gar keinen Ausweg aus der biologischen Bestimmung. Ich fühlte mich dazu verdammt, eine „alte Hexe“ zu werden. Ich war sicher, dass die Ringe unter meinen Augen, die in den vergangenen Wochen aufgetaucht waren, hießen, dass es keinen Ausweg gab. Selbst mein Teint hatte eine neue Blässe angenommen.

Am Anfang stand die Zeit still. Obwohl wir beide versuchten, so fürsorglich und liebevoll wie möglich zu sein, fühlten sich die Übungen staubtrocken an. Will strengte sich total an, um seinen Schalter nicht auf sexuellen Hunger umzustellen. Er beschrieb es so, dass er meinen ganzen Körper so berührte, als sei keines meiner Körperteile wichtiger als ein anderer Teil, anstatt sich wie vorher auf seine Lieblingsstellen zu konzentrieren. Er entschloss sich dazu, sich auf meine Reaktionen auf seine Berührungen einzustimmen, anstatt sich auf seine eigenen Empfindungen zu konzentrieren.

Ich gab mir alle Mühe, liebevoll zu sein und seine Zuwendung zu erwidern, selbst wenn ich müde war. Nach ein paar Tagen lichtete sich die Stimmung bei uns, doch anfangs fühlte es sich wirklich an wie die Kameradschaft zwischen dem Tode geweihten Gefangenen, die ihre letzte Mahlzeit miteinander teilen. Doch wir schliefen definitiv wieder zunehmend besser, und vor allem im gleichen Rhythmus.

Nach sechs oder sieben Tagen kamen wir an einen Wendepunkt. Will meinte, dass er sich wesentlich ruhiger und entspannter fühlte. In unseren „Ich liebe dich“ schwang neue Begeisterung mit, und wir lachten wieder viel mehr miteinander. Sowohl die „Geschlechtsverkehr-Nächte“ als auch die „Kuschel-Nächte“ nahmen wieder ihre ursprüngliche Zärtlichkeit und Zufriedenheit an. Wir fühlen uns wieder optimistisch. Unser Berufsleben bekam Aufschwung und wir sahen wieder besser aus. Das Letzte, was sich erholte, war meine Libido. Mein Unterbewusstes hatte offenbar das Gefühl, „verschlungen“ zu werden, als ein unangenehmes Erlebnis abgespeichert, obwohl Will niemals aggressiv oder auch nur fordernd gewesen wäre.

Noch Jahre nach dieser Erfahrung kehrten wir immer wieder zu den Austauschübungen zurück, wenn wir merkten, dass wir auf einen zielorientierten Kurs abdrifteten. Und schon sehr bald reichten eine oder zwei Nächte bewusster und großzügiger Zuwendung, um uns wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.

Überzeugt, dass wir da etwas sehr Wertvolles und Wiederholbares entdeckt hatten, überraschte mich Will eines Tages, als er sagte: „Ich werde mal schauen, ob es hilfreiches, wissenschaftliches Material dazu gibt.“ Er war sich sicher, dass sich hinter dem, was wir erfuhren, eine physiologische Realität verstecken musste. Das, was er bei seinen Forschungen entdeckte, ist so faszinierend, dass ich es mit seiner Hilfe in den weiteren Verlauf des Buches einweben werde.

Das Gift an Amors Pfeil

Подняться наверх