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Was soll daran bahnbrechend sein?

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Zugegeben: Wir haben damit, dass wir uns auf zwei Kategorien konzentrieren (Ausrüstung und Können) und zwei Fragen stellen (Ist- und Sollwert), noch nicht die Fotografie revolutioniert. Außerdem gehen wohl die meisten Fotografie-Bücher auf diese beiden Kategorien ausführlich und kompetent ein. Wozu also [the scope +1]?

Nun, wir stehen ja erst am Anfang. Wir haben uns klargemacht, dass wir – um als Fotograf weiterzukommen – unser Augenmerk auf die Ausrüstung und auf unser Können richten können. Und wir haben gesehen, welche Herangehensweise uns dabei helfen kann, Schritt für Schritt unser Können zu erweitern.

Wenn wir diese beiden Themenfelder auf einer horizontalen Achse abbilden, wobei wir die Kategorie »Ausrüstung« nach links abtragen und unser »Können« nach rechts, sieht das so aus:


Grafik: Nanette Roth

Wir erkennen an dieser Darstellung, dass es unser Ziel sein sollte, unsere »Bandbreite« auszudehnen. Wir werden also umso besser, je mehr wir uns auf der Skala nach außen bewegen. Manchmal kann es sein, dass wir in beide Richtungen aufbrechen, um auf einem Gebiet Fortschritte zu erzielen. Wir werden also den Eindruck haben, ein Ausrüstungsteil anschaffen zu müssen, um uns in eine Technik einzuarbeiten und damit die gewünschte Fertigkeit zu erwerben. Vielleicht habe ich bisher nur mit dem Blitz auf der Kamera arbeiten können, weil ich keinen Funkauslöser habe. Dann kann ich mit der Möglichkeit, entfesselt zu blitzen, mein Verständnis von der Wirkung des Lichts enorm erweitern. Oder ich steige von dem Kit-Zoomobjektiv um auf eine 50-mm-Festbrennweite, entkomme damit der Versuchung, zu zoomen, statt mich selbst vor und zurück zu bewegen, und entwickle dadurch ein Verständnis für den Bildwinkel und die Wirkung der Perspektive.


Ein günstiges 50-mm-Objektiv an einer Canon 5D und eine kleine Softbox, die über ein Synchronisationskabel und in Strobisten-Manier manuell ausgelöst wurde – auch mit einem kleinen Budget lassen sich interessante Porträts realisieren.

Wir brauchen jedoch nicht alles sofort zu kaufen. Manchmal reicht es auch, zunächst probehalber ein Ausrüstungsteil auszuleihen. Viele Fotografen leihen sich ihr Equipment vor Ort. Für Architekturfotografie hole ich mir regelmäßig ein Tilt-Shift-Objektiv im Verleih. Außerdem kann es auch eine Verbesserung sein, wenn ich mich von unnötiger Ausrüstung trenne und lerne, flexibel, unauffällig und leicht unterwegs zu sein, was einer Steigerung von [+1] entsprechen kann, etwa wenn ich mich in der Reise- und Reportagefotografie auf zwei Gehäuse mit zwei Festbrennweiten beschränke. Mit einem dritten Objektiv in der Tasche bin ich dann für alle Eventualitäten gerüstet.

Häufig wird die Ausrüstung überschätzt, wie eine Anekdote von Helmut Newton illustriert. Über ihn wird erzählt, dass er in einem Restaurant saß, als der Koch zu ihm kam und sagte, wie sehr ihm Newtons Fotos gefallen würden. »Sie haben bestimmt eine gute Kamera«, so der Koch zu Helmut Newton. Daraufhin antwortete Newton: »Das Essen war vorzüglich – Sie haben bestimmt gute Töpfe.« Ja, es ist wohl so: Der teuerste Topf bringt uns gar nichts, wenn wir nicht kochen können. Aber warum denken wir das über Kameras?

Wenn wir davon sprechen, dass wir uns als Fotograf weiterentwickeln möchten, kann uns [the scope +1] eine grobe Orientierung geben. Es kann helfen, uns zu strukturieren, zu erkennen, wie und wo wir Potenzial haben oder was wir als Nächstes angehen möchten und was wir dafür brauchen. Oft werden wir erstaunt sein, wie wenig Hardware nötig ist, wenn wir lernen, geschickt mit dem Licht und der Physik zu arbeiten. So können wir zum Beispiel den Hintergrund auch dadurch unscharf bekommen (samtweiches Bokeh), indem wir näher an unser Motiv herantreten und den Abstand zum Hintergrund vergrößern – anstatt viel Geld für ein voluminöses und schweres Objektiv auszugeben, das wir am Ende doch meistens abblenden oder zu Hause lassen, weil es nicht mehr in die Tasche passt.

Ich möchte damit nicht sagen, ein fotografischer Zugang sei besser als der andere, sondern aufzeigen, dass [the scope +1] mich in meiner Entscheidungsfindung und Entwicklung optimal unterstützen kann – und zwar unabhängig davon, wohin ich mich entwickeln möchte. Es kann mir helfen, mir klarzumachen, wie ich mit Hilfe der »Skalierungsmethode« (der Anwendung der zwei Skalierungsfragen) meine Kompetenzen und meine Fähigkeiten erweitern kann. Meistens werde ich nicht an den Grenzen der Ausrüstung scheitern, sondern an meiner Trägheit und meinen Ausreden. Oder, wie Henry Ford es auf den Punkt gebracht hat: »Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche, die scheitern.«

Oder ich werde experimentieren, was das Zeug hält, ständig ausloten, wie weit ich komme, arbeiten bis spät in die Nacht und am Ende etwas verstanden, erreicht oder gelernt haben. So wie der Koch in Newtons Geschichte. Wenn er auch nicht viel über Kameras wusste: Kochen konnte er.

Das ist die horizontale Achse von [the scope +1]. Später schauen wir uns an, wie uns die vertikale Achse dabei unterstützen kann, unsere Fotografie relevant, aussagekräftig und wirkungsvoll zu machen.


Bei diesem Porträt habe ich vor allem mit der Lichtsetzung gearbeitet, einer geringen Tiefenschärfe und einem bewusst hohen Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund.

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