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Auf der gut halbstündigen Fahrt nach Gries-Mitte nutze Esther die Zeit, um Robert ein wenig mehr über die Eigenheiten und Gepflogenheiten des Grazer Jenseits zu erzählen. Insbesondere das "Highlander" - Prinzip galt es ihm als Basiswissen zu vermitteln, immerhin war Robert jetzt ja auch ein Bulle und das konnte einem im Leben danach schon etwas seltsam vorkommen.

>>Das "Highlander"-Prinzip?<<

>>Ja, hast du den Film nie gesehen? Christopher Lambert, Sean Connery, der geile Soundtrack von Queen, Kurgan, der Typ wo ich nie weiß, wie der Schauspieler heißt...<<

>>Ja, ja, ich weiß schon. Verdammt, entweder gibt es hier Fernsehen, oder du bist selber noch nicht lange tot.<<

>>Hier geht es nicht um mich und ja, TV gibt es hier. Hör lieber zu und pass auf!<<

Robert hatte gehofft, etwas mehr über die Umstände und den Zeitpunkt von Esthers Ableben zu erfahren, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass ihr das Thema unangenehm war.

>>Auch hier ist es nicht so mir nichts dir nichts erlaubt, jemanden zu erschießen, erstechen, oder vor die Straßenbahn zu schubsen.<<

Esther ergriff Roberts Oberschenkel und zwickte so fest sie konnte hinein.

>>Aua! Alter, was soll das?<<

>>Das heißt Alte, nicht Alter. Du hast Soziologie studiert, du müsstest das eigentlich wissen. Jedenfalls, wie du siehst, werden auch hier Schmerzen verspürt, und deswegen ist es auch nicht so mir nichts dir nichts erlaubt, jemanden grundlos zu verprügeln, zu foltern oder was auch immer.<<

>>Und was wäre ein Grund?<<>>Ach, da gibt es viele. Die Straßenbahnlinie 666-1902 nach Liebenau zum Beispiel wird krawallenergetisch gesteuert und angetrieben. Wenn sich diese Fußballproleten nicht auf die Fresse hauen, setzt sich das Ding nicht in Bewegung.<<Robert verschwieg für den Anfang, dass er selbst einer der zwei bedeutenderen Grazer Mannschaften jahrelang treu war. Dahinter stand eine durchaus schwanzgesteuerte Logik. Diese besagte, dass man in der Phase des Kennenlernens erst einmal auf die Weitergabe aller Infos verzichtet, welche vielleicht verhindern konnten, dass man irgendwann einmal längerfristig bei einer Frau landet. Roberts bedingungslose Liebe zu dem einen und für ihn einzig wahren Grazer Verein konnte durchaus zu einem solchen Hinderungsgrund werden, zumindest dann, wenn meisterschaftsrelevante und pärchenrelevante Termine in ungünstiger Weise korrelierten.

>>Es wäre natürlich naiv zu glauben, dass das Machtmittel der Gewalt im Jenseits auf einmal obsolet wäre<<, führte Esther weiter aus.

>>Und unter anderem gibt es auch deswegen im Jenseits ebenso eine Polizei, die dann eingreift, wenn eine faire Selbstregulierung nicht mehr funktioniert.<< >>Faire Selbstregulierung?<<

Esther erklärte ihm, dass sich die Gewalt im Jenseits durchaus in Grenzen hielt, weil es diverse Gewaltversicherungen und Gewaltgewerkschaften gab, die bei einem Angriff auf eines ihrer Mitglieder in adäquatem Ausmaße zurück schlugen. Wie adäquat das Ausmaß dabei wirklich war, hing im Regelfall von der Höhe der Versicherungsprämie oder des Gewerkschaftsbeitrages ab. Sie nannte das Ganze das "Kalte Krieg" beziehungsweise "Vergeltungsangst"-Prinzip.

>>Und was hat das nun alles mit Connor MacLeod zu tun?<< >>Geduld ist echt nicht deine Stärke, oder? Jemanden umzubringen, der schon Tod ist, ist bekanntlich schwierig. Deswegen entstand vor Urzeiten ein spezielles Phänomen, das so genannte "Highlander"-Prinzip, welches allerdings erst seit 1986 diesen Namen trägt. Was man allerdings nicht weiß, ist, ob die Allmächtige persönlich dafür verantwortlich war, oder das Imagen von sich selbst aus handelte.<<Das "Highlander"-Prinzip war im Prinzip ein recht einfaches Prinzip, vor allem wenn man den Film gesehen hatte. Sobald jemand ermordet oder versehentlich getötet worden war, aber auch wenn einer einfach nur im Suff vor eine Pferdekutsche rannte, starb dieser Jemand tatsächlich - allerdings nur für kurze Zeit. Sollte ein derartiger pseudomortemer Fall, wie es im Amtsdeutsch hieß, in der Öffentlichkeit auftreten, kam im Regelfall auch hier ein Bestattungsunternehmen zum Zuge. Die Leiche wurde in einen Sarg gelegt, zu einer der öffentlichen Leichenhallen verfrachtet und dort - oftmals recht unsanft - auf eine Matratze geschmissen. Auf einer solchen Matratze wachte man dann ein paar Stunden später wieder auf, ging danach erneut seines Weges und befand sich mit ein bisschen Glück auch noch im Besitze seines Portemonnaies. >>Und wenn man den Kopf verliert?<<

>>Geht nicht. Gliedmaßen ja, Kopf nein.<<

Robert musste an die quer über die Herrengasse gespannten Seile denken, vermutlich gab es hier keine sonderlich weit entwickelte Transplantationschirurgie.

>>Was heißt hier "geht nicht"?<<

>> Funktioniert einfach nicht. Du kannst es ja probieren, aber es wird dir nicht gelingen, weil die Logik des Imagen eingreift. Stell es dir so vor, als würdest du 1 durch 0 dividieren. Infinity, verstehst du?<<

Als Line 666-5 die Idlhofgasse erreichte, war es auch im Jenseits bereits Dunkel geworden. Es musste so gegen 22:00 Uhr sein. Robert war nicht aufgefallen, dass es so etwas wie eine Dämmerung gegeben hatte - auch nicht, dass irgendwann die Straßenlaternen angegangen wären, die draußen in unregelmäßigen Abständen die Straßen ausreichend erhellten. Er stieg aus der Bim, blickte sich um und plötzlich war es einfach so, wie es war. >>Wäre ja auch beschissen, wenn es immer nur hell wäre und man überhaupt kein Tag- und Nachtgefühl hätte<<, sagte Esther, die schon wieder seine Gedanken zu erraten schien.

>>Komm, ich zeig dir deine Wohnung. Du hast Glück, das dazugehörige Gebäude steht auf der gleichen Straßenseite.<<

Die Idlhofgasse war hauptsächlich mit Wohnhochhäusern zugepflastert und wirkte recht eintönig. Manche der hohen grauen Stadtarchitekturverbrechen hatten kleine Läden oder Bars im Erdgeschoss. So auch Hausnummer 1045, in deren Hauseingang Esther ihn hineinführte. Sollte sich Esther nicht dazu überreden lassen, ihm auch zu zeigen, wie man als toter Sex hatte, konnte er zumindest noch auf ein paar Getränke gehen. Roberts Wohnung lag im fünfundzwanzigsten Stock und er hoffte innbrünstig, dass nie der Lift ausfallen würde. Esther war immer noch dabei.

>>Nach dir<<, sagte sie und zeigte auf die versperrte Wohnungstür.

Robert sperrte auf, ging hinein und drehte das Licht auf. Er fand eine Zweizimmerwohnung vor, die zwar eingerichtet war, aber das dafür im kitschigsten 1960er-Style, den er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Die immer noch dreitagesbebartete Kauleiste hing ihm diesmal bis zum Bauchnabel hinunter: Sogar ein riesiges Peace-Zeichen war an die Zimmerwand der Wohnküche gepinselt. Couch gab es keine, dafür Lavalampen, Sitzpolster, indische Tücher, die als Vorhänge dienten, und sogar einen kleinen Fernseher. Robert ging ins angrenzende Schlafzimmer und es wurde optisch nicht besser. Statt einem Bett gab es eine Schlafmatte, daneben lag ein mit Blumen verziertes Schnurlostelefon. Die ganze verdammte Bude stank nebenbei nach Räucherstäbchen und fast hätte er deswegen gekotzt. In der Wohnküche stand immer noch Esther und musste vor lachen fast weinen.

>>Lass mich raten: Du hast gewusst, wie die Wohnung aussieht, oder?<<

Esther konnte sich vor lachen noch immer kaum halten.

>Ja, ich hab die gleiche bekommen, als ich neu war. Ich bin deswegen mit rauf, um dein Gesicht sehen zu können.<<

Langsam bewegte sich Robert wieder auf Esther zu und blieb knapp vor ihr stehen.

>>Kann es sein, dass du auch noch wegen etwas anderem mit hoch gekommen bist?<< , fragte er Esther, die sich inzwischen wieder gefangen hatte.

>>Das ist durchaus möglich Cowboy, denkst du da an was Bestimmtes?<<

Esther war nach seiner räumlichen Annäherung nicht zurück gewichen und sah ihn mit einem Blick an, der wohl am besten unter die Kategorie "freches verliebtes Schulmädchen" einzuordnen war. Robert fuhr mit seiner Hand hinter ihren Rücken, zog sie zu sich heran und versuchte sie zu küssen. Bei diesem Versuch blieb es dann allerdings auch, denn der Schmerz ihres ruckhaft nach oben gezogenen Knies unterband jegliche romantische Fortsetzung des Geschehens. Seine sich verkrampfenden Weichteile in den Händen haltend ging er vor Esther zu Boden.

>>Was glaubst du eigentlich wer du bist, Cowboy? Du kennst mich gerade einen halben Tag und denkst, du darfst mich flachlegen?<<

Sie erwartete sich erst gar keine Antwort, vor allem auch deswegen, weil Robert zu einer selbigen noch gar nicht fähig gewesen wäre.

>>Ich hol dich morgen am frühen Vormittag hier ab, schau dass du einigermaßen fit bist. Schönen Abend noch, A r b e i t s k o l l e g e!<<

Esther drehte sich um, verließ die Wohnung und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

Going Underground

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