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SIMON

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Ich werde im Gedränge in Alis kleiner Küche hin und her geschoben. Die Musik aus dem Flur ist so laut, dass der Fußboden unter meinen Füßen vibriert. Ich befürchte, dass er jeden Moment nachgibt und wir in die darunterliegende leer stehende Wohnung stürzen. In diesem Stadtteil stehen seit einer Weile viele Wohnungen leer.

Moa vom naturwissenschaftlichen Gymnasium tanzt auf dem Tisch. Sie hat irgendwo den Schmuck von Alis Oma aufgetan und sich mehrere Lagen Ketten um den Hals gehängt. Auch an ihren Handgelenken klimpert Schmuck und ihr Gesicht ist zur Hälfte von einer mit Strass besetzten, schwarzen Sonnenbrille verdeckt. Plötzlich stößt Hampus mich an und hält mir sein Handy unter die Nase. Ich sehe, dass er die TellUs-App aktiviert hat.

»Sag was zu den Außerirdischen!«, fordert er mich laut auf.

Ich schiebe das Handy weg. Schließe die Augen, konzentriere mich wieder auf die Musik und wiege mich mit den anderen im Takt.

Alle sind hier, außer Tilda. Mein einziger Trost besteht darin, dass Sait drüben im Wohnzimmer hockt und deshalb auch nicht mit ihr zusammen ist. Eigentlich sollte es mir egal sein, denn schließlich sind Tilda und ich kein Paar mehr. Und dennoch tut es mir gut.

Ich nehme einen großen Schluck Schnaps, den wir mit Heidelbeersaft vermischt haben, weil nirgends mehr Limo zu bekommen ist. Als ich wieder meine Augen öffne, erblicke ich Oscar auf der anderen Seite des Tisches. Er taucht gerade einen Löffel in seinen Pappbecher und fischt einen Eiswürfel heraus, den er sich in den Mund schiebt. Dann schaut er sich grinsend um.

Das Eiswürfelspiel. Ich weiß nicht mehr genau, wann wir damit angefangen haben, aber seit einiger Zeit spielen wir es auf jeder Party. Oscar dreht sich gerade zu einem Mädel mit hell blondierter Kurzhaarfrisur um, das ich noch nie gesehen habe. Sie küssen einander, wobei sie den Eiswürfel entgegennimmt und zwischen den Zähnen festhält, während sie zu Moa aufschaut und kurz an ihrer Hand zieht. Daraufhin kniet sich Moa auf die Tischplatte. Auch im Dröhnen der Musik höre ich das Rasseln und Klirren ihrer Ketten. Die beiden ziehen ihre Show ab und lachen auf, als die Meute jubelt. Als sich ihre Münder wieder voneinander lösen, dreht sich Moa zu mir um und robbt auf Knien auf meine Seite des Tisches. Ihre Lippen formen sich um den schmelzenden Eiswürfel herum zu einem O. Dann legt sie einen Arm um meinen Nacken. Ihre Lippen sind kalt. Unsere Zungen spielen von beiden Seiten aus mit dem Eiswürfel und höhlen ihn leicht aus, sodass sich Speichel darin sammelt. Kurz darauf legt mir jemand eine Hand auf die Schulter und als ich mich umdrehe, steht Johannes vor mir.

Jetzt ist mein Mund der kältere und Johannes’ Lippen fühlen sich auf meinen ganz heiß an. Er schnappt sich den Eiswürfel und wir hören nicht auf, einander zu küssen, bis ich versuche, ihm den Würfel abzuluchsen. Er lacht und saugt noch einen Moment an meiner Zunge, bevor er seine wieder zurückzieht. Dann zerkaut er schmunzelnd den Eiswürfel.

Im Flur startet jemand eine neue Playlist und dreht die Lautstärke noch weiter auf. Johannes’ verschwitzte Wange streift meine, während er mir etwas zuflüstert, was ich nicht hören kann. Als ich gerade nachfragen will, gibt mir sein Blick zu verstehen, dass ich es besser bleiben lassen sollte.

Er wirkt irgendwie nervös, so als wolle er mir etwas sagen. Doch dann wird mir klar, dass ich damit, egal was es ist, in diesem Augenblick vermutlich überhaupt nicht umgehen kann.

Auf einmal taucht Amanda wie aus dem Nichts auf und versucht, Johannes mit sich aus der Küche zu ziehen.

»Ey, was ist dein Problem?«, frage ich.

»Du bist das Problem«, antwortet Amanda. »Kommst du jetzt, Johannes?«

Dann stürmt sie allein hinaus, ohne eine Antwort abzuwarten.

»Was hast du denn?«, rufe ich ihr nach.

»Ich rede mit ihr«, sagt Johannes. »Sie ist wohl eher sauer auf mich

Ich kapiere rein gar nichts mehr und versuche es auch gar nicht erst.

Plötzlich vibriert das Handy in meiner Hosentasche. Eine Nachricht von Stina.

Du musst mir versprechen, nicht zum Public Viewing in die City zu gehen. Dort herrscht absolutes Chaos.

Ich verspreche es ihr.

Als ich wieder aufschaue, ist Johannes verschwunden.

Ich genehmige mir noch ein paar Schlucke Schnaps, der zumindest besser schmeckt als das Gesöff in der Schwimmhalle. Hin und wieder kommen weitere Eiswürfel durch meinen Mund. Als aus dem Wohnzimmer unerwartet Save The World erklingt, jubeln alle.

Boah, ist mir heiß. Mann, bin ich besoffen. Auf einmal spüre ich, dass mich jemand anschaut. Die Blondierte. Sie sitzt auf der Arbeitsplatte und füllt gerade ein Trinkglas mit Wasser aus dem Hahn. Dann winkt sie mich zu sich heran und ich zwänge mich zu ihr hin. Unterwegs stolpere ich fast über ein Pärchen, das mitten auf dem Fußboden Sex hat. Die Blondierte streckt mir das Wasserglas hin und ich trinke in großen Schlucken. Als mir das Wasser übers Kinn hinunterrinnt, muss sie lachen. Ich reiche ihr das Glas zurück und sie sagt etwas. Ich nehme an, ihren Namen. Sie riecht nach Parfüm und frischem Schweiß. Ich stütze eine Hand direkt neben ihrer Hüfte ab und brülle ihr meinen Namen ins Ohr.

»Ich weiß«, entgegnet sie und lächelt.

Das Vibrieren der Bässe spüre ich von meinen Beinen aufwärts und mein Körper beginnt im Takt der Musik zu dröhnen.

Am liebsten würde ich jetzt mit Tilda zusammen sein. Und ich hoffe, dass sie es sich auch wünscht.

Doch Tilda ist nicht hier. Aber ich sehne mich nach Berührung. Ich sehne mich so stark danach, dass es körperlich wehtut.

Ich sollte sie endlich gehen lassen, wie alle anderen Jungs es mit ihrer Ex auch tun.

Schließlich berühren meine Lippen die der unbekannten Blondine. Sie sind etwas schmaler als Tildas und fühlen sich völlig anders an. Sie verlagert das Gewicht und ihr weicher Busen streift meinen Arm. Eines ihrer Beine landet wie zufällig zwischen meinen und es erregt mich sofort.

Dann nimmt sie meine Hand. Wir zwängen uns in den Flur hinaus und schlüpfen unbemerkt durch die Wohnungstür ins Treppenhaus, ohne das Licht anzumachen. Auf dem Treppenabsatz vor Alis Wohnung küsst sie mich erneut. An der Wand starrt uns der rot leuchtende Lichtschalter wie ein Auge an. Ich schiebe mit zittrigen Händen ihren Rock über die Hüften hoch und berühre sie, wie ich Tilda immer berührt habe. Sie stöhnt mir ins Ohr.

In der Dunkelheit ist es fast so, als wäre Tilda bei mir. Und als wäre sie diejenige, in die ich gerade eindringe. Die Musik aus Alis Wohnung dröhnt durchs gesamte Treppenhaus und dämpft die Geräusche unserer Körper, die sich aneinander reiben. Eigentlich wäre ein Quickie angebracht, bevor irgendwer kommt, aber ich will nicht, dass es schon aufhört, denn dann würde mich die Wirklichkeit schlagartig wieder einholen. Jetzt atmet sie schneller.

Plötzlich wird Alis Wohnungstür unsanft von innen aufgerissen und die Musik ist deutlich lauter. Kurz darauf wird ein Schalter gedrückt und plötzlich baden wir im Licht. Der Zauber ist gebrochen. Sie kichert betreten und wir rücken unsere Klamotten eilig wieder zurecht.

Aus dem Wohnungsflur dringen laute Stimmen und Gelächter. Dann folgt ein Poltern. Offenbar sind einige bei der Suche nach ihren Jacken gestürzt.

»Seid ihr so weit?«, fragt Ali grinsend vom Türrahmen her. »Das Spiel fängt gleich an.«

Das Ende

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