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9.

Nikolai saß in seinem Büro. Hier konnte er sich mit Geschäftsfreunden austauschen und sich in dem modernen Ambiente wohlfühlen. Gregori Moskwin war gekommen. Sie kannten sich seit Jahren. Moskwin war als Betriebsleiter der sowjetischen Staatsbahn in Kursk für umfangreiche Instandsetzungen verantwortlich.

Nach der Auflösung und Privatisierung von Staatseigentum ging er leer aus. Er hoffte, mit Volkovs Hilfe, etwas vom Kuchen abzubekommen. Den Großteil hatten kapitalistische Beutemacher bereits eingesackt. Moskwin hatte keine sittlichen Skrupel, es auch mit kriminellen Mitteln zu versuchen. Volkov aber versuchte Moskwin in seine Geschäfte mit einzubeziehen, um ihn besser unter Kontrolle zu haben. Moskwin war geschieden, hatte einen Sohn, der in der damaligen Jugendorganisation Komsomol einen höheren Posten hatte und über wichtige Interna der Organisation Bescheid wusste. Mit Billigung des ZK und der KPdSU entstanden Anfänge einer kapitalistischen Betriebsform. Unter Gorbatschow und später unter Jelzin sollte sich eine Unternehmerelite bilden, die in der Lage war, den wirtschaftlichen Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft zu realisieren.

Trotz der wirtschaftlichen und politischen Wirren, hatten sich die Jungunternehmer durchgesetzt und der Versuch, alles wieder unter politische Aufsicht zu bringen, war gescheitert.

Die Büchse der Pandora ließ sich nicht mehr schließen.

Auch der junge Moskwin hatte vorgesorgt. Mit dem Einvernehmen seiner jungen Unternehmerkollegen, hatte er sich mit günstigen Krediten ins russische Erzgeschäft eingekauft.

Für die prekäre Finanzlage seines Vaters hatte er kein Verständnis. Um die Privatisierung der Wirtschaft voran zu treiben, hatte Jelzin jedem Bürger Anteilscheine zum Nennwert von zehntausend Rubel ausgehändigt. Da sie namentlich nicht gebunden waren, machten viele Russen die Scheine zu Bargeld, was in diesem Land immer knapp war. Wer viel Geld besaß, kaufte diese Anteilscheine auf und war über Kredite in der Lage, Miteigentümer von Staatsbetrieben zu werden. Auf diese Weise war auch Volkov zu seinem Vermögen gekommen. Ihm hatten auch frühere Mitarbeiter, die bereits als Eigentümer wichtige Entscheidungen trafen, geholfen. Er hatte große Teile einer staatlichen Baufirma gekauft und war dabei, die Firma vollständig in seinen Besitz zunehmen.

Gregori Moskwin, ein kleiner, schmächtiger Mann, der für seine fünfzig Lebensjahre weit älter aussah, saß in sich versunken vor Volkov und sah mißmutig vor sich hin.

„Nikolai, Nikolaiwitsch ich bin pleite, du musst mir helfen, ich brauche einige Rubelchen.“

Volkov sah listig zu Moskwin und sagte: „Du brauchst hier nicht herumzubetteln, ich habe einen Auftrag für dich.“

Moskwin sah überrascht auf, man merkte, wie erleichtert er war.

„Grigori, ich brauche für meinen Fuhrpark noch Baufahrzeuge. Was ich habe ist veraltet und zum Teil schrottreif. Du bist ein Mann vom Fach und ich glaube, ich kann dir vertrauen. Besorg dir ein Touristenvisum und flieg nach Berlin. Es gibt da ein großes Angebot an Nutzfahrzeugen aus Beständen der NVA. Die sind preiswert und in einem guten Zustand.“

Volkov griff in seine Schreibtischlade, holte ein Kuvert heraus und legte es vor sich hin.

„In diesem Kuvert sind dreißigtausend Dollar. Ich hoffe, du kommst damit zurecht, in Berlin. Dein Flugticket liegt bereits am Flughafenschalter. Du fliegst von Kursk nach Minsk und von da nach Berlin. Du hast einen gültigen Reisepass?“

„Habe ich“, sagte Moskwin und ließ schnell das Geld in der Innentasche seiner Jacke verschwinden.

„Ich suche dir schon was Brauchbares, und was geschieht weiter?“

„Im Vergleich zu Neufahrzeugen habe ich die Hälfte gespart. Beim Transport haben wir zwei Möglichkeiten, entweder demontieren oder auf Tieflader und wir können die Fahrzeuge hier sofort einsetzen. Was meinst du?“

„Ich würde alles auf Tieflader nach Russland schaffen“, meinte Moskwin und Volkov gab ihm Recht.

Volkov griff in den Schrank, um eine Flasche Wodka und zwei Gläser zu nehmen und beide tranken auf den Erfolg ihres Unternehmens. Auf den Sachverstand seines früheren Berufskollegen konnte Volkov sich verlassen. Was seine charakterlichen Qualitäten anging, war Moskwin oft unübliche Wege gegangen. Es wurde gemunkelt, dass er als Zuträger für den KGB gearbeitet habe. Auch mit der Mafia, in Sowjetzeiten, soll Moskwin seine Geschäfte gemacht haben. Beweisen konnte man ihm nie etwas, aber er wurde mit Missachtung gestraft. Böse waren nur die, die nie eine Gelegenheit fanden, sich das Eine oder Andere unter den Nagel zu reissen. Ungewöhnlich war das Verhalten des Genossen Grigori nicht. Über Korruption wurde in der Sowjetunion nicht gesprochen, denn mancher glaubte, er sei das Volk, wenn es um Volkseigentum ging.

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