Читать книгу Arten sterben - Norman Macleod - Страница 18

|43|4 Arten des Aussterbens DATEN UND ENTWICKLUNGEN IN DER AUSSTERBEFORSCHUNG

Оглавление

Das erste Diagramm zur Artenvielfalt, oder korrekter zum Reichtum des Lebens im Laufe der geologischen Zeit, wurde 1860 von John Phillips veröffentlicht (siehe S. 45 oben). Phillips’ Diagramm zeigt drei Radiationsphasen der Artenvielfalt in der Erdgeschichte, die durch deutliche Intervalle voneinander getrennt sind, in denen die Vielfalt abnimmt: eines am Ende des Paläozoikums, das andere am Ende des Mesozoikums. Ein kleinerer und weniger klar definierter Rückgang der Vielfalt wurde als Charakteristikum des mittleren Paläozoikums vorgeschlagen. Darüber hinaus veranschaulicht dieses Diagramm die Zunahme der Artenvielfalt in jedem der geologischen Zeitalter bis zu ihrem Höhepunkt in der modernen Welt.

Obwohl Phillips’ Artenvielfaltsdiagramm zu seiner Zeit dazu diente, zu zeigen, dass Paläozoikum, Mesozoikum und Känozoikum (= Erdneuzeit) eine natürliche Unterteilung der geologischen Zeit bildeten, dauerte es noch mehr als ein Jahrhundert, bis die Paläontologen anfingen, sich ernsthaft mit den in seinem Diagramm erkennbaren Mustern auseinanderzusetzen. Dieses verspätete Interesse ist der Tatsache geschuldet, dass viele Geologen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts der Meinung waren, Phillips’ Diagramm beruhe auf zu wenigen Informationen, um eine definitive Zusammenfassung der reichen Erdgeschichte bieten zu können.

Die Paläontologen zeigten erneutes Interesse an den Diagrammen von Phillips und anderen, als in den 1960er- und 1970er-Jahren umfangreiche Zusammenfassungen stratigrafischer Daten für viele fossile Familien und Gattungen erschienen. Diese Verjüngungskur der Aussterbeforschung war durch Otto Schindewolf in den 50er-Jahren angestoßen worden und wurde von Norman Newell aktiv vorangetrieben, der die gesamten 60er-Jahre hindurch behauptete, dass biotische Krisen – was wir inzwischen „Massenaussterben“ nennen – reale Phänomene im Fossilbefund waren |45|und nicht, wie Darwin angenommen hatte, Beispiele von Unzulänglichkeiten des Befunds. Zur Untermauerung seiner Aussage erstellte Newell die ersten umfassenden Datensätze oder Kompendien von Aussterbemustern vieler fossiler Gruppen (siehe oben links).

Zwei von J. J. (Jack) Sepkoskis Auswertungen der Biodiversitätsgeschichte von Meerestieren, basierend auf Daten der Familienebene und der Gattungsebene).



V.: Vendium; Kamb.: Kambrium; Ord.: Ordovizium; S.: Silur; Dev.: Devon; Karb.: Karbon; Pr.: Perm; Tr.: Trias; Jur.: Jura; Kre.: Kreide; Paläog.: Paläogen. (Neuzeichnung nach Sepkoski 1997.)


John Phillips’ 1860 veröffentlichtes Diagramm der Artenvielfalt im Phanerozoikum.


Norman Newells Zusammenfassung der Artenvielfalt im Phanerozoikum für Familien mariner Wirbelloser aus dem Jahr 1963.

In der Folge von Newells Veröffentlichungen wurde eine Reihe von taxonomischen Kompendien herausgegeben (z.B. Harland u.a. 1967, Van Valen 1973) und zur Erforschung langfristiger Entwicklungen im Fossilbefund herangezogen. Doch kein einziger Sammler solcher Daten war gewissenhafter als J. J. (Jack) Sepkoski Jr., der mittlerweile verstorben ist. Im Jahr 1981 veröffentlichte er eine Übersicht der stratigrafischen Reichweiten von 2 800 Familien mariner Wirbelloser und trug die Daten in einem Diagramm zusammen, das Phillips’ Übersicht von 1860 aktualisierte (Sepkoski 1981, siehe links).

Während die stratigrafische Auflösung, die Anzahl der Taxa, die Genauigkeit der Dokumentation und die gesamte quantitative Behandlung der Daten in den 150 Jahren seit Phillips’ ursprünglicher Arbeit sehr verbessert wurden, sind doch immer noch dieselben Grundmuster in Newells und Sepkoskis Diagrammen sichtbar, darunter der Rückgang der Vielfalt am Ende des Paläozoikums und Mesozoikums, Fluktuationen im mittleren Paläozoikum und die generelle Zunahme der Artenvielfalt im Laufe des Phanerozoikums. Auch nach 1982 fuhr Sepkoski fort, Daten aus der paläontologischen Literatur zu sammeln, überarbeitete die Kurve auf der Familienebene und veröffentlichte Mitte der 1980er-Jahre einen Datensatz für die Gattungsebene (siehe links unten). In beiden Fällen waren die allgemeinen Muster der ursprünglichen Familienkurve auch in den erweiterten Daten der taxonomischen Vielfalt auf Familien- und Gattungsebene präsent.

Die von Sepkoski und anderen erstellten Diversitätskurven des Phanerozoikums spiegeln das komplizierte Zusammenspiel zwischen den evolutionären Prozessen der Entstehung (= Speziation) und dem Aussterben taxonomischer Gruppen wider. Insofern die für die Erstellung dieser Kurven herangezogenen Datenbanken das Erscheinen und Verschwinden individueller Gruppen verzeichnen, ist es möglich, diese beiden bestimmenden Aspekte der Artenvielfalt zu isolieren.

|46|Paläontologen benutzen vier Aussterbe- beziehungsweise Speziationsindizes zur Beschreibung von Biodiversitätsdaten. Da sowohl die Form als auch die damit verbundenen Probleme der Indizes von Speziations- und Aussterbedaten gleich sind, werden hier nur die Aussterbeindizes angegeben:


Der Gesamtaussterbeindex ist am einfachsten zu berechnen, wird aber durch eine Reihe an Faktoren verzerrt. Der proportionale Index berücksichtigt die Anzahl an Taxa, die vom Aussterberisiko betroffen sind, in jedem beliebigen Intervall, jedoch nicht die Größe des Intervalls. Der zeitnormalisierte Index berücksichtigt die Dauer des Intervalls, über den sich die aussterberelevanten Prozesse erstrecken, aber nicht die Anzahl der vom Aussterben bedrohten Taxa. Der Pro-Taxon-Index ist ein wahrscheinlichkeitstheoretisches Maß der Aussterbeintensität, das die Zahl der betroffenen Taxa und die Dauer der Zeitintervalle berücksichtigt, allerdings eine Aussterbeintensitätsschätzung liefert, die bei einer Reihe von Aussterbemodellen durch die Intervalllänge verzerrt wird (siehe Foote 1994). Keiner dieser Indizes ist perfekt, doch jeder beleuchtet wichtige Aspekte der Aussterbedaten.


Die Geschichte des Aussterbens mariner Gattungen in den Stufen des Phanerozoikums.

|47|Betrachtet man die Geschichte des Aussterbens von Gattungen mariner wirbelloser Organismen auf der Stufenebene, kann man sehen, dass die Aussterbeintensität im Laufe der geologischen Zeit stark variiert hat (siehe links unten), während die Aussterbeanfälligkeit der taxonomischen Gruppen konstant bleiben kann. Intervalle von relativ hoher Aussterbeintensität werden durch Intensitätstiefs voneinander getrennt. In manchen Fällen liegen die Höhepunkte der Intensität deutlich über den lokalen Durchschnittsintensitäten (z.B. die Höhepunkte im Norium und Maastrichtium). In anderen Fällen bildet der Höhepunkt das Ende einer über mehrere stratigrafische Stufen fortschreitenden Steigerung der Aussterbeintensität (z.B. das Frasnium und das Cenomanium). Außerdem geht die Durchschnittsintensität von älteren hin zu jüngeren Zeitabschnitten merklich zurück.

Arten sterben

Подняться наверх