Читать книгу 519 Park Avenue - Peter Stockfisch - Страница 13

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Thomas Kirsten wollte gerade zum Tradingraum rübergehen, als sein Telefon klingelte.

“Ja !”

“Trevis, Trevis Mohan von CALO Solutions.”

“Hi, sind sie wieder zurück in Kalifornien ?”

“Ja, ich wollte mich noch einmal bei ihnen und Lars für das konstruktive Gespräch gestern bedanken. Wann können wir konkret werden ? Wie lange brauchen sie für das Due Diligence ? Ich glaube, wir müssen uns einen engen Zeitplan setzen. Das wirtschaftliche Umfeld ist nicht gerade rosig. Wir würden diese Runde allerdings nur ungern verschieben.”

Kirsten hatte noch nicht mit seinen Leuten gesprochen.

“Ich denke, das sollte in den nächsten zwei Wochen erledigt sein. Wenn sie mit dem Filing auf dem Laufenden sind, können wir Vieles online bekommen. Wir schicken ihnen aber noch einen detaillierten Fragenkatalog. Und unser Service Agreement. Ich rufe sie in der nächsten Woche an.”

“Okay, ich verlass’ mich auf Sie. Schönes Wochenende.”

Kirsten musste unbedingt noch mit ein oder zwei Analysten der großen Finanzhäuser sprechen, um ein besseres Gefühl für die aktuelle Marktsituation zu bekommen. Die Engelhard Capital Group unterhielt keine eigene volkswirtschaftliche Abteilung oder einen Chef-Volkswirt. Er hätte auch gerne noch ausführlicher mit Bergstraesser gesprochen, aber der war heute irgendwie von der Rolle und hatte sich früh ins Wochenende verabschiedet.

So sehr sie auch an dem neuen Kunden und der Konsortialführerschaft bei dieser Kapitalerhöhung interessiert waren, einen Flop konnten sie sich nicht leisten. Er griff zum Telefon:

“Jeff, kannst Du mal kommen, ich muss etwas mit dir besprechen.”

“Gib mir 10 Minuten, ich bin gerade dabei, einen Brief an die FINRA zu schreiben, der heute raus muss”.

“Okay.”

Jeff Cohan war ein Veteran, der praktisch von Anfang an dabei war. Kirsten hatte ihn vor etwa 18 Jahren von einer anderen Wall Street Firma zu Engelhard geholt. Sie machten ihn bereits nach kurzer Zeit offiziell zu ihrem CFO. Er war ein sehr erfahrener Finanzmann und, was das Wichtigste war, Kirsten und Bergstraesser konnten sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Mit seinem kleinen, aber hochkalibrigen Team hatte Jeff die Dinge stets unter Kontrolle. Und das war nicht immer ganz leicht. Seit ENRON und dem Sarbanes-Oxly-Act waren die Compliance-Anforderungen immer umfangreicher und komplexer geworden. Immer mehr und häufiger mussten Berichte und Zahlen an die Aufsichtsbehörden geliefert werden. Ihre Kosten für Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer hatten sich in den letzten beiden Jahren verdoppelt.

“Da bin ich; was gibt’s ?”

Jeff Cohan war eine positive Erscheinung: Mit seinen leicht angegrauten kurzen Haaren, seiner randlosen Brille, schlank und rank wirkte er eher wie ein Gymnasiallehrer für die Fächer Deutsch , Geschichte und Sport. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht.

“Setz’ dich. Jeff,” Kirsten kam gleich zur Sache.

“Du siehst doch in Ausschüssen und Kommittees einige Leute. Wie wird in der Branche die derzeitige wirtschaftliche Situation eingeschätzt. Und was ist deine eigene Meinung ?”

“Das Bild ist uneinheitlich. Natürlich sind alle einigermaßen geschockt, was vor einigen Wochen mit Bear Stearns geschah, nachdem Alan Schwartz noch kurz vorher bei CNBC ihre Zahlungsfähigkeit beschworen hatte. Das werde ich so schnell nicht vergessen. Ich war übrigens am 14. März, an dem Freitag, mit einem Banker in Maggie’s Bar verabredet, gleich gegenüber von Bear Stearns an der 47. Straße. Da waren viele, die ihr ganzes Geld verloren hatten. Ihre Bear Stearns Aktien, die sie in all den Jahren angesammelt hatten und die einmal bei 154 Dollar notierten, waren an dem Tag nochmals um 40 % auf fast 2 Dollar gefallen. Da war Weltuntergangsstimmung”.

Jeff machte eine Pause. Die Erinnerung daran schien ihn immer noch zu beschäftigen.

“ Und die zahlreichen Pleiten der Hypothekenfinanzierer im letzten Jahr haben natürlich zur Verunsicherung beigetragen. Inzwischen werden etwa 25 % aller Hypothekendarlehen nicht mehr bedient. Überwiegend besteht allerdings die Meinung, dass es sich um eine Krise bei der Immobilienfinanzierung handelt, die weitgehend ausgestanden ist. Einige sind pleite gegangen, andere sind übernommen worden, und die Banken haben den überwiegenden Teil ihrer Risiken bereits abgeschrieben.”

“Ja, auch die Schweizer, die Deutschen, die Franzosen und die Briten haben bereits alle massive Abschreibungen auf Immobilienkredite vorgenommen. Ackermann hat sogar etwas Optimismus verbreitet, als er kürzlich verkündete, dass die Deutsche Bank voraussichtlich nur noch einen kleinen Teil ihrer Immobilienkredite abschreiben müsse. Die Deutsche hat für 2007 sogar wieder ein Bombenergebnis vorgelegt und die Cobank glänzte mit einem Rekordgewinn.”

“Die Abschlüsse vom letzten Jahr haben sich allerdings als trügerisch erwiesen. Die Deutsche musste im ersten Quartal in diesem Jahr noch einmal die Hosen runterlassen. Ich glaube, die mussten noch einmal 3 Milliarden Dollar abschreiben. “

Kirsten wusste, dass sein CFO immer gut informiert war. Das war einer der Gründe, warum er Jeff so schätzte.

“Bei uns gehen jetzt insbesondere Merril Lynch und Citigroup auf dem Zahnfleisch, von Fannie Mae und Freddy Mac ganz zu schweigen; denen greift aber natürlich die Regierung kräftig unter die Arme. Ich fürchte, auch für Morgan Stanley, Goldman Sachs und Lehman Brothers kann es noch ungemütlich werden. Und die Deutschen sind auch noch nicht aus dem Schneider.”

Thomas Kirsten war natürlich froh, dass er diese Risikopapiere nie in Engelhards Portfolios genommen hatte. Er war manchmal dafür kritisiert worden, auch von Lars Bergstraesser. Die Branche hatte nämlich klotzig mit diesen Subprime Loans verdient. Vielleicht war es sein Background als traditioneller deutscher Banker, der gelernt hatte, die Finger von Produkten zu lassen, die er nicht ganz versteht. Und dies war hier der Fall. Die anderen verstanden diese ‘synthetischen’ Produkte oder das structured finance, wie es auch schönfärbend genannt wurde, zwar auch nicht, aber keiner wollte es zugeben.

“Goldman Sachs wird, so denke ich, mit einem blauen Auge davon kommen. Wie du sicherlich auch gehört hast, haben die den Markt nämlich getrickst. Während sie den Investoren in der ganzen Welt diese Subprime Mortgage Bonds in Milliardenhöhe andrehten, haben sie sich selber dagegen versichert, wissend, dass diese faulen Papiere höchstwahrscheinlich notleidend werden würden.”

“Ja, das war ziemlich übel. Und sie haben damit den größten Versicherer der Welt, A.I.G., bei dem sie sich abgesichert hatten, womöglich an den Rand seiner Existenz gebracht.”

“Und die Ratingagenturen haben da kräftig mitgespielt. Ohne die hätte Goldman Sachs nicht so ein leichtes Spiel gehabt. Es ist schon beschämend, wie die den meisten dieser Papiere ein Triple-‘A’ geben konnten.”

“Ja, unglaublich. Natürlich hat da auch eine Rolle gespielt, dass die Ratingagenturen von denen bezahlt wurden, die diese Papiere kreiert und verkauft haben.”

“Mir hat kürzlich jemand, der bis vor kurzem bei Standard & Poors gearbeitet hat, erzählt, dass bei den Ratingagenturen auch nicht unbedingt die Smartesten mit dem höchsten IQ arbeiten. Die gehen zu den Investmentbanken. Bei den Agenturen finden sich eher die Bürokraten. Und die haben die Konstruktion dieser Bonds nicht richtig verstanden. Sollten sie vielleicht auch gar nicht.”

Thomas konnte sich immer noch ereifern, wenn er daran dachte, wie ungebremste Spekulation und mangelnde Kontrolle nicht nur eine ganze Branche an den Rand des Zusammenbruchs geführt hatte, sondern letztendlich Auslöser einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise geworden war.

“Da kommt bestimmt noch etwas nach,” sagte Jeff.

“Ja, aber du wirst sehen: Trotz eklatantem Fehlverhalten, man könnte auch sagen Betrug, wird keiner von den Brüdern ins Gefängnis wandern. Die kommen mit einer Geldstrafe davon, die sie aus der Portokasse bezahlen können,” machte Thomas seinem Ärger Luft.

Es entstand eine kurze Pause. Dann wechselte Jeff das Thema.

“Übrigens, Thomas, wie wollen wir vorgehen in Sachen CALO Solutions ? Ich denke, wir sollten hier noch ein wenig auf Zeit spielen.”

Kirsten nickte.

“Ja, obwohl ich verhalten optimistisch bin. Die Weltbank sagt für die US ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent für dieses Jahr voraus, 3,3 Prozent weltweit. Aber du hast Recht. Die Stimmung an den Märkten ist nicht gut. Und die Investitionsbereitschaft ist auf einem Tiefpunkt.” Er sah seinen CFO an. Sie waren, wie meistens, einer Meinung.

“Vielen Dank, Jeff. Falls wir uns heute nicht mehr sprechen, schönes Wochenende !”

Thomas Kirsten sprach am Telefon noch mit zwei Chefvolkswirten von großen Investmentbanken. Beide, eine Frau und ein Mann, waren sehr bekannt. Sie waren sehr hoch bezahlt, hatten Bücher geschrieben und gaben ihre Analysen regelmäßig bei CNBC zum Besten. Sie verfügten über ein hochkarätiges Team von Leuten, die ihr Rüstzeug in Harvard, Yale oder bei der LBS in London erworben hatten. Aber keiner von beiden hatte jemals eine außergewöhnliche ökonomische Entwicklung von Bedeutung vorausgesehen. Häufig lagen sie sogar recht schief in ihren Prognosen. Aber sie konnten beide brilliant erklären, warum es so und nicht wie vorausgesagt gelaufen war. Daher waren sie gefragt. Und sie wurden gefragt. Auch von Thomas Kirsten, der sie durch verschiedene Begegnungen bei Veranstaltungen persönlich gut kannte. Sie waren in der Lage, ein Komfortgefühl zu vermitteln. Und das war es, was Kirsten am Freitagnachmittag brauchte. Fazit der Experten: Das Schlimmste ist vorbei.

Kirsten würde sich am Wochenende mit Bergstraesser besprechen. Leider war dies heute nicht möglich. Zu sehr schien sein Partner heute durch den Wind gewesen zu sein. Merkwürdig. So hatte er ihn noch nie erlebt.

*

“Hallo, Liebling. Wie sieht’s aus. Kommst du heute rechtzeitig raus ?”

Meistens gingen sie am Samstag nicht ins Büro, aber bei Christina kam es hin und wieder vor, dass sie auch am Wochenende für ein paar Stunden in die Kanzlei musste. Und auch Thomas Kirsten nutzte manchmal die Ruhe im Büro, um ungestört von Telefonaten und dem Marktgeschehen einige Dinge aufzuarbeiten

Er freute sich auf das Konzert heute Abend. Er hatte die Limousine für viertel nach sieben bestellt und wollte sich vergewissern, dass bei Christina nichts dazwischen kommt. Er mochte nicht gerne unter Zeitdruck sein, wenn sie ausgingen. Davon hatten sie genug in ihren Jobs.

“Kein Problem, zwei unserer Partner sind schon weg. Ich denke, ich verlasse das Büro in einer halben Stunde. Sag’ mir noch mal schnell das Programm.”

“Ganz toll. Zum Auftakt Mozart, die Ouvertüre zu Le Nozze di Figaro, danach Beethovens Pianokonzert No. 1 und nach der Pause Rachmaninoffs Symphonic Dances . Zum Schluss Ravels La Valse.”

“Das ist ja super ! Wer ist der Pianist ?”

“ Andre Watts. Er ist für Marga Argerich eingesprungen. Hat exzellente Kritiken.”

“Wann treffen wir Tom und Nina ?”

“Viertel vor acht im Foyer der Avery Fisher Hall.”

“Okay, ruf’ mich an, wenn du mit dem Wagen da bist. Ich komm’ dann runter. Ich freue mich, mein Schatz.”

“Ich mich auch, bis später.”

*

Die Limousine wartete schon. Der Fahrer hielt Thomas die Tür auf. Ein paar Straßen weiter holten sie Christina ab. Der Weg zum Lincoln Center war nur kurz. Sie brauchten nur den Central Park zu durchqueren. Allerdings konnte dies eine Weile dauern. Busse, Taxen und Limousinen stauten sich um diese Zeit. Außer der Avery Fisher Hall, der Konzerthalle der New York Philharmonic, gab es im Lincoln Center noch mindestens 5 weitere Musik- und Theaterbühnen – die verschiedenen Konzertsäle der Julliard School nicht mitgerechnet. Und alle Veranstaltungen fingen mehr oder weniger zur gleichen Zeit an.

Christina und Thomas freuten sich nicht nur auf die New York Philharmonic, sondern auch auf ihre FreundeTom und Nina. Sie hatten sich schon eine ganze Weile nicht gesehen, zuletzt bei einem Awards Dinner im Grand Hyatt am Grand Central, bei dem ein Deutscher Industrieboss und ein amerikanischer ausgezeichnet wurden.

Kennengelernt hatten sie sich vor zwei Jahren beim Quadrille Ball, der jedes Jahr traditionsgemäß im Plaza stattfindet, damals aber wegen Renovierung des Plaza im Pierre stattfand. Sie saßen am gleichen Tisch und stellten übereinstimmend fest, dass es nur wenige Deutschland-bezogene Ereignisse in New York mit einem bestimmten Niveau gibt, die es sich lohnt hinzugehen. Der Quadrille Ball war eines davon. Er wird ausgerichtet von Damen deutscher Herkunft und ist ein New Yorker gesellschaftliches Ereignis in der Ballsaison Januar/Februar. Der Reinerlös dieser Veranstaltung wird für Stipendien für den deutsch-amerikanischen Studentenaustausch verwendet.

Ansonsten sind die Deutschen in New York eher unauffällig. Andere Nationen zeigten hier weitaus mehr Profil, wie zum Beispiel die Franzosen, die Italiener, die Iren und natürlich die Chinesen, die einen ganzen Stadtteil für sich ‘annektiert’ hatten.

Tom Hockney war Polizist, ziemlich weit oben in der Hierarchie der NYPD. Ein interessanter Mann. Er hatte ursprünglich Kunstgeschichte an der Universität in Austin in Texas studiert und einen Master Degree in Art (MfA). Nina war Deutsche. Dadurch gab es natürlich sofort Anknüpfungspunkte für ein Gespräch. Und, wie sich später herausstellte, teilten sie ihr Interesse für Musik und Kunst.

Tom hatte Nina in Hamburg kennengelernt. Die Polizeidirektion der Freien und Hansestadt hatte im Frühjahr 2002 eine Gruppe von New Yorker Polizisten, die am 11. September 2001 direkt am World Trade Center eingesetzt waren, nach Hamburg eingeladen. Tom war der Chef der Gruppe und stand daher bei den Pressekonferenzen immer im Mittelpunkt. Nina arbeitete damals als Reporterin beim Hamburger Abendblatt. Und irgendwie hatte es zwischen beiden kräftig gefunkt. Er war geschieden, und sie war ledig. Sie heirateten noch im gleichen Jahr - in Hamburg, bei Jacob an der Elbchaussee.

Ein attraktives Paar. Er mittelgroß, durchtrainiert mit dunkelblonden kurzen Haaren. Und mit einem offenen, forschenden Blick. Sie, wie man sich eine gutaussehende Norddeutsche vorstellt: Schlank, sportlich, lange blonde Haare und mit einem edel geschnittenen Gesicht, dessen leicht unnahbarer Ausdruck durch freundlich dreinblickende blaue Augen ausgeglichen wurde.

Die Limousine hielt vor dem Lincoln Center Plaza mit dem Springbrunnen in der Mitte. Es waren nur ein paar Schritte bis zur Avery Fisher Hall. Nina winkte ihnen schon vom Eingang aus zu.

“Schön, euch endlich einmal wieder zu sehen.” Sie umarmten sich mit jeweils zwei Wangen-Luftküssen.

“Gleichfalls. Ja, von Connecticut kommt man eben nicht so oft nach Manhattan, und irgendwie haben wir alle auch immer volles Programm.”

Thomas schaute auf die Uhr:

Wir haben noch etwas Zeit, schnell noch einen Drink ?”

“Mir wäre es jetzt zu sehr in Eile. Lieber anschließend noch irgendwo hingehen. Was meint Ihr ?”

“Christina hat recht,” stimmte Nina zu, und die Männer nickten.

Mit einem Blick ins Programmheft, das es für jeden immer umsonst gibt – bei den hohen Eintrittspreisen auch kein besonderer Bonus - , stimmten sie sich auf das Konzert ein.

“Der Dirigent ist heute nicht Lorin Maazel, sondern der Schweizer Charles Dutoit, künftiger Chef in Philadelphia. Er war mal mit Martha Argerich verheiratet. Interessant, dass große Dirigenten häufig Solisten heiraten, mit denen sie zusammengearbeitet haben. Dass sie heute nicht spielt, wisst ihr ja,” meldete sich Thomas und ersparte seinen Freunden einen Teil der Lektüre des Programmhefts.

Als Ravels La Valse ausgeklungen war, sagten alle lange nichts

So sehr waren sie noch gefangen von der Musik. Für Thomas waren dies Momente , in denen er alles andere vergessen konnte und nur noch glücklich war .

“Wohin gehen wir ?” meldete sich Nina nach einer Weile.

“Entweder Hudson Hotel oder Mandarin Oriental,” beeilte sich Christina zu sagen, um eventuellen, von ihr weniger geschätzten Vorschlägen zuvorzukommen.

“Ich bin für ‘Mandarin Oriental’, da war ich noch nicht,” sagte Tom.

“Ich auch, außerdem, Freitagabend im ‘Hudson’ siehst Du viele halbseidenen Typen, die….”

“Woher weißt Du das,” unterbrach Christina ihren Freund lachend.

“Nun, es gab ein Leben vor dir, mein Schatz, wie du weißt.”

“Schon gut,” sagte Christina und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Es war spät geworden. Thomas hatte den Fahrer der Limousine angerufen, um sie am Columbus Circle abzuholen . Sie brachten Nina und Tom zurück zur Lincoln Center Garage zu ihrem Auto. Um diese Zeit würden die beiden in weniger als einer Stunde zu Hause in Connecticut sein. Christina und Thomas waren in wenigen Minuten an der Upper East Side. Diesmal wollten sie die Nacht in seiner Wohnung verbringen.

Sein Appartment lag im 19. Stock. Es war – für Manhattaner Verhältnisse – mit 6 Zimmern und 2 ½ Bädern sehr geräumig. Nach seiner Trennung von Bärbel hatte er zunächst ein kleineres Appartment in der 68. Straße zwischen Lexington Avenue und Third Avenue gemietet. Nach ein paar Jahren mit Engelhard, in denen der ‘Rubel rollte’, hatte er sich diese Wohnung im nächsten Häuserblock gekauft.

Zum Osten lag das große Schlafzimmer, von dem man den East River sehen konnte. Gleich daneben eines der Bäder mit einem kreisförmigen Whirlpool in der Mitte.

Sein Arbeitszimmer mit diversen Bildschirmen lag auf der anderen Seite neben dem Wohnbereich, von dem man durch die offenen Schiebetüren in die Bibliothek schauen konnte.

Die anderen Zimmer waren mehr oder weniger mittelgroße Schlafzimmer für Gäste. Eines davon hatte Christina für sich besetzt. In einem der Wandschränke hatte sie ein paar Sachen deponiert: Etwas Garderobe für alle Gelegenheiten, förmlich und weniger förmlich – und natürlich Sportsachen für’s Gym und für ihr gemeinsames Joggen im Park.

Obwohl sie beide Wert darauf legten, ihre eigene Wohnung zu haben, wollten sie auf den Komfort, ein wenig ‘eigenes Reich’ beim anderen zu haben, nicht verzichten.

“Es war ein wunderbarer Abend,” sagte Christina leise und schmiegte sich an ihn. “Keiner hat auch nur einmal über den Job gesprochen, sondern über ganz andere Dinge: Neue Ausstellungen, Auktionen, Theater, Vorträge. Tom ist eine unerschöpfliche Quelle von Informationen, was kulturell in New York läuft. Es macht Spaß, ihm zuzuhören. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie er als Polizist ist. Er ist bei der Mordkommission, nicht wahr “?

“Ja, er ist jetzt der Chef dort. Ich glaube, der Job hält ihn einigermaßen in Trab, auch wenn die Anzahl der Morde in New York zurückgegangen ist. Glücklicherweise.”

Christina war aufgestanden und ging rüber zu der offenen Küche.

“Möchtest du auch ein Bier ?” Sie öffnete die Kühlschranktür.

“Ja, gute Idee.”

Sie kam mit zwei geöffneten Flaschen Heineken zurück und setzte sich wieder neben ihn auf die Couch.

“Die beiden machen einen sehr glücklichen Eindruck, findest du nicht auch ?”

“Ja, eine gute Mischung – wie wir.” Das letzte hätte er vielleicht nicht sagen sollen. Dann kommt Christina nämlich wieder auf das Thema Heirat. Sie liebten sich, verstanden sich gut und hatten super Sex. Es gab eigentlich keinen Grund, nicht zu heiraten. Aber Thomas wollte sich einfach keine legalisierte Verbindung vorstellen. Er liebte seinen Job, der ihn fast hundertprozentig absorbierte. Er schätzte seine Unabhängigkeit und fand es überdies sehr spannend, eine aufregende Freundin zu haben, die nicht zur Familie gehört. Eine Ehefrau wird zwangsläufig Familie – rund um die Uhr. Sicher, Familie ist etwas Wunderbares, unvergleichlich Wertvolles. Etwas, das er selber mit Bärbel und seiner Familie erlebt hatte und ihn über viele Jahre glücklich gemacht hatte. Aber nach einiger Zeit ist der Ehepartner eben nicht mehr jemand, bei dem das Herz schneller schlägt, wenn man sich sieht und die Hose sich spannt oder der Slip feucht wird.

Christina stellte ihre Flasche ab und rückte näher an Thomas heran. Sie legte einen Arm um seine Schultern. Mit der anderen Hand berührte sie leicht seinen Oberschenkel. Er reagierte sofort. Erst küsste er sie auf die Wange, auf ihren Hals, dann auf ihre geschlossenen Augen bis seine Lippen herunterglitten an den Nasenflügeln vorbei auf ihren Mund. Ihre Lippen und Zungen liebkosten sich; zunächst langsam und zart, dann stärker und leidenschaftlicher. Sie streichelten sich, wobei sie sich gegenseitig halb auszogen. Sie dachten nicht einen Moment an einen Standortwechsel, an sein großes bequemes Bett. Sie liebten sich hier und jetzt, halb angezogen auf der Couch.

Nach einer Weile lust- und geräuschvollem Sex sanken sie beide erleichtert in die Kissen, er immer noch im Oberhemd und sie in ihrem seidenen pfirsichfarbenen Unterkleid.

“Hast du dies bei deinen “Ex” so auch immer gemacht ?” Christina war eine moderne Frau und trotz ihrer strengen, religiösen Erziehung in Südamerika sehr offen und aufgeschlossen. Und sie konnte sich beim Sex total vergessen. Aber manche Frauen möchten einfach wissen, ob ihr Liebhaber auch andere so ‘beglückt’ hat – oder eben nicht. Sie wünschten, er sei nur bei ihnen so aus sich herausgegangen.

“Was meinst du ! Und wie !” antwortete Thomas scherzhaft mit ernst-verstellter Stimme.

“Übrigens, du weißt, dass wir morgen nicht so früh aufstehen müssen, wir können ausschlafen,” fügte Thomas mit vielsagendem Blick hinzu.

Sie verweilten lange in der geräumigen Doppeldusche. Als sie beide auf dem breiten Bett leicht erschöpft nebeneinander auf dem Rücken lagen, begannen sie, sich leicht zu streicheln - mit unvermeidlichen Konsequenzen.

519 Park Avenue

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