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Kapitel 7

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Bis hierhin war Mischa mit seiner Rückschau gekommen, die Bilanz nahm sich gar nicht gut aus. Er seufzte und sagte sich, dass er ja immer noch den Rest der Viererbande als Rückhalt habe. Er packte seine Sachen, verstaute alles in der schwarz-silbernen Sporttasche, ging die Kellertreppe hinauf, rief noch ein unerwidertes »Tschüss« und verließ das Haus.

Am Treffpunkt warteten die anderen bereits auf ihn, schweigend machten sie sich gemeinsam auf den Weg. Es lag eine gewisse Spannung in der Luft, alle Beteiligten spürten und ahnten, dass noch irgendetwas passieren würde. Weder konnten sie Lars ungeschoren davonkommen lassen, noch konnte Lars es zulassen, dass man ihn lächerlich gemacht hatte und dass man sich überall herumerzählte, er sei so blöd gewesen, sich in die Eier treten zu lassen. Von Tag zu Tag wuchs die Angespanntheit aller Beteiligten. Die Viererbande ging Lars, wo es nur möglich war, aus dem Weg und auch dieser vermied ein Zusammentreffen. Bei den unvermeidbaren Begegnungen während des Trainings war die Luft zum Schneiden, auch die anderen aus der Mannschaft spürten, dass irgendetwas vorging, trauten sich aber weder zu fragen noch laut darüber zu reden.

Am Freitag vor dem nächsten Spiel bat der Trainer Mischa erneut zu einem vertraulichen Gespräch. Mischa leistete der Aufforderung ohne Hintergedanken Folge, ging gut gelaunt in den Raum neben der Dusche.

»Mischa, wir müssen ein ernstes Wort miteinander reden«, begann der Trainer.

Jäh verging Mischas Stimmung, er ratterte in Gedanken alles durch, was er falsch gemacht haben konnte, fand jedoch nichts Gravierendes. Er machte sich auf das Schlimmste gefasst, ohne dass er hätte sagen können, was das sein sollte. Aber nach dem letzten Gespräch mit dem Trainer hatte er sich enttäuscht von diesem zurückgezogen und war demzufolge auf der Hut.

»Lars hat mir erzählt, dass du ihm grundlos in die Eier getreten hast.«

Mischa blieb die Luft weg, mit so viel Intrigantentum hatte er nun überhaupt nicht gerechnet. Er war zugleich wütend, dass der Trainer Lars nicht so wie ihn hatte abblitzen lassen, sondern offensichtlich seiner einseitigen Darstellung Gehör geschenkt hatte. Er rang nach Worten, wollte die Ungeheuerlichkeit in der Verdrehung deutlich machen. Er fing an zu stottern:

»Aber das, das, äh, das stimmt doch so gar nicht!« rief er in seiner Verzweiflung aus, hoffend, dass wenigstens dieses Mal seine Version angehört wurde.

»Was stimmt und was nicht, interessiert mich nicht, das habe ich dir schon einmal gesagt. Mich interessiert nur, wie die Mannschaft zusammenspielt und morgen ist das nächste Spiel, da kann ich keinen Ärger unter den Jungs gebrauchen!«

Mischa spürte wohl die feine Ausgrenzung in den Worten, der Trainer hatte nicht von seinen Jungs gesprochen, sie traf ihn wie ein Peitschenhieb.

Wütend schleuderte er dem Trainer entgegen: »Dieses Mal müssen Sie mich anhören, sonst erzähle ich überall rum, wie ungerecht Sie sind!«

Sowohl Mischa als auch der Trainer waren über diesen Ausbruch überrascht und blieben für eine Weile sprachlos. Mischa fühlte, dass sich etwas verändert hatte und tatsächlich lenkte der Trainer ein und forderte ihn auf, seine Version des Geschehens zu berichten.

Mischa sprudelte sofort los, wollte auf keinen Fall irgendein Detail in der ganzen Geschichte vergessen, weil nur so alles ein vollständiges Bild ergeben würde. Er berichtete von den wochenlangen Anspannungen und Drohungen, vom Beschluss der Viererbande und auch davon, dass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als Lars in die Eier zu treten, sonst hätte dieser ihn wahrscheinlich gehörig zusammengeschlagen. Es sei ja schließlich bekannt gewesen, dass er als Schläger galt.

Der Trainer hörte sich alles geduldig an und wartete, bis Mischa mit seinen Ausführungen zu Ende gekommen war.

»Mmh, jetzt kenne ich deine Version, aber ich weiß natürlich nicht, wem ich glauben soll. Denn auch die Version von Lars hörte sich sehr glaubhaft an.« Er überlegte eine Weile, das Schweigen nach seiner Bemerkung wurde für Mischa unerträglich lange und er betete innerlich, dass der Trainer endlich etwas sagen möge.

Nach einer unendlich scheinenden Weile räusperte sich dieser und sagte in gewichtigem Ton: »Also, was ich jetzt sage, gilt nur vorläufig, ich muss einfach nachprüfen, was denn nun wirklich passiert ist. Und damit ich erst einmal wieder Ruhe in der Mannschaft habe, seid ihr beide, du und Lars, vom morgigen Spiel ausgenommen. Nächste Woche sehen wir dann weiter.«

Wütend nahm Mischa den Beschluss entgegen, die Hälfte hatte Lars also bereits geschafft, das nächste Spiel führte er nicht als Kapitän an. Das fand er besonders gemein, war es doch ein Spiel, bei dem die Wahrscheinlichkeit bestand, einen Platz in der Tabelle aufzurücken. Er sprang von seinem Stuhl, drehte sich zur Tür, rief über seine Schulter zurück: »Das ist gemein, hundsgemein«, dabei rannen ihm die ersten Tränen über die Wangen. Er wischte sie mit einer energischen Bewegung beiseite, keiner sollte sehen, wie sehr ihn das Ganze aufwühlte. Er rannte auf den Bürgersteig.

Auf der anderen Straßenseite sah er den Rest der Viererbande. Er rückte seine Kappe zurecht, fuhr noch einmal mit beiden Händen über den Schild, drückte ihn bestimmt zum hundertsten Mal an den beiden äußeren Seiten nach unten, um die Rundung noch stärker werden zu lassen. Er musste ihnen sofort alles berichten, rief ihnen laut zu »he, wartet auf mich« und rannte die Mütze ein Stück weiter in seine Stirn ziehend auf die Straße. Er sah noch, dass Tülay ihm etwas zurief und ihm mit einer Geste ein Zeichen gab, dessen Bedeutung sich ihm allerdings nicht erschloss.


Die Schuld

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