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PROPHET OHNE GELTUNG

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Bei vielen in Minneapolis hatte Dylan noch immer keine Anerkennung gefunden. Selbst 1966 nahmen die großen Campus-Poeten, John Berryman und Allen Tate, kaum Notiz von ihm. 1972 hatte Berryman sich umgebracht; Tate ignorierte Dylan weiterhin bis zu seinem eigenen Tod. Im Mai 1964 nahm ihn das studentische Literaturmagazin Ivory Tower zur Kenntnis. Roland Flint, ein Redakteur der Minnesota Review: »Die einzigen Sachen von Dylan, die ich gelesen habe, waren die auf den Plattenhüllen; darunter waren einige so genannte Gedichte. Er ist ein guter, populärer Entertainer. Ich mag seine Sachen. Ich mag seine Konzerte und liebe seine Songs. Aber ich finde nicht, dass er ein Dichter ist, und ich finde auch nicht, dass er Lyrik schreibt. Seine Arbeit lässt jegliche metaphorische Komplexität vermissen. Sie ist simpel und in weiten Teilen geradezu einfältig … The Minnesota Review ist nicht dazu da, Popsongtexte zu veröffentlichen. Das ist genau das, was Dylan schreibt, und das macht er sehr gut. John Berryman würde mir wahrscheinlich zustimmen; er wäre vielleicht noch viel herabsetzender. Ich würde wirklich gern mal von Dylan etwas sehen, was literarische Qualitäten hat.«

1961 war Harry Weber, Flints Vorgänger, mit 33 Jahren der jüngste Redakteur der Minnesota Review. Weber sagte mir: »Ich halte nicht viel von den Gedichten auf den Rückseiten der Plattenhüllen von Bobs Alben, aber seine Songs sind gute Gedichte. Wenn ich noch Redakteur wäre, hätte ich ›Tambourine Man‹ sofort abgedruckt, seinen ›115th Dream‹ ebenso. Ich hätte ›Maggie's Farm‹ mit Vergnügen abgedruckt, einschließlich aller Wiederholungszeilen. Flint war ein Schützling und Freund von Allen Tate. Tate hat sich immer besonders bemüht, Dylan als Dichter niederzumachen; aber ich bin da einfach anderer Meinung als die. ›Hard Rain‹ ist natürlich noch ein Gedicht eines Anfängers, aber ich würde sagen, dass ›Rolling Stone‹ Qualität hat.«

Während die meisten Literaten von Minneapolis Dylan als Poeten abqualifizierten, so waren örtliche Journalisten noch weitaus feindseliger. P. M. Clepper von The Pioneer Press aus St. Paul machte sich zum Spezialisten für Dylans Lebensgeschichte. 1965 verfasste er einen Artikel, als hätte er dabei in einen sauren Apfel beißen müssen; er erschien am 27. März 1966 in der Sonntagsbeilage von This Week:

»Dylan ist ein Beatnik-Millionär … der Geld einheimst wie Irving Berlin. Dylan ist kein Hillbilly, auch nicht ungebildet … das hat er alles erfunden … Tatsächlich hat Dylan in seinen 24 Jahren nie arbeiten müssen, nicht einmal als Jugendlicher … Hibbing hat ihm keine Erfahrung mit rassistischer Klassenunterdrückung verschafft, die er später in Liedern hätte ausbeuten können … Dylan hatte keine schwarzen Freunde in Minnesota, deshalb war es eine Überraschung, als er sich im August 1963 bei dem Marsch auf der Washington Avenue blicken ließ. Aber offenkundig gab es draußen in unserem großen jungen Land einen Hunger nach derlei Sentimentalitäten … Es ist geradezu Ironie …, dass Dylan phantastisch gut bezahlt wurde von derselben Gesellschaft, die er attackierte.«

Ein weiterer Journalist, der seinen Zynismus an Dylan ausließ, war Walter Eldot von der Duluth News-Tribune. Eldot sagte mir, ein Haufen schräger Vögel sei aus der Iron Range gekommen, wie Dylan und Gus Hall, der Kommunistenführer. Als bestes Beispiel für Dylans Verfälschungen nannte Eldot seinen Song »Walls Of Red Wing«, über die staatliche Bildungsanstalt für jugendliche Straffällige. »Da gibt es überhaupt keine walls (Mauern)«, enthüllte der Experte aus Duluth.

Little Sandy Review veröffentlichte im Spätherbst 1962 Einzelheiten über Dylans Zeit in Minneapolis. Nelson verfasste in höchsten Tönen eine sehr schmeichelhafte Analyse von Dylans erstem Album, aber Pankake schwächte in einer anonymen Rezension sein Lob ab: »Wir erinnern uns an Bob als an einen ruhigen, eher unauffälligen Jungen; er … war gepflegt und sauber, gekleidet im üblichen Stil des Campus - weite Hosen, Pullover, weiße Oxford-Turnschuhe, Popelinemantel und Sonnenbrille; und er sang die üblichen Kaffeehauslieder ... gekonnt, aber nicht besonders bemerkenswert … Dylan verließ die Universität, brach auf nach New Jersey und zu einer schicksalhaften Begegnung mit Woody Guthrie. Das war das letzte Mal, dass wir Bob sahen, bevor er im Mai 1961, als er zu einem kurzen, aber äußerst vielsagenden Auftritt bei einem Universitäts-Hootenanny erschien. Die Veränderung von Bob war, um das Mindeste zu sagen, unglaublich … Dylans Auftritt, mit einer Auswahl von Songs von Guthrie und Gary Davis, war hektisch und zweifelhaft, aber er enthielt bereits alle Elemente des inzwischen perfektionierten Vortragsstils, der ihn zum auffälligsten Newcomer in der Folkmusik gemacht hat. Ja, Freunde, an diesem Abend wurde ein Star geboren.«

Little Sandy forderte Dylan tadelnd auf, sich »von den Protestlern« fern zu halten, und demolierte das Dylan-Bild in Sing Out!: »Dylans Zitate und seine Guthrie-Pose auf dem Cover erschienen uns als ziemlich lächerlich; beide wirkten wie aufgesetzte, allzu bemühte Versuche, Woody zu sein …« Bob las diese Kritiken erstmals in meinem Apartment in New York. Statt sich mit Lob oder Tadel für sein Werk zu befassen, schien er sich am meisten über die Beschreibung seines Äußeren im ersten Collegejahr zu ärgern. »Ich habe mich nie gekämmt, ich habe nie einen Schlips getragen«, sagte er mir nachdrücklich.

Die schlechte Presse in den Twin Cities setzte sich auch 1965 fort. Nach einem Konzert im Sommer 1965 im 8000 Leute fassenden Minneapolis Auditorium fiel der Unterhaltungskolumnist von The St. Paul Evening Dispatch über Dylan her wegen seines »zu rügenden« Benehmens: »Er verweigerte, mit wem auch immer, jeglichen Kontakt, spielte während seines Auftritts auf der Bühne den Flegel und hinterließ einen faden Beigeschmack … Dylan ist entweder sehr verbittert oder äußerst eingebildet … Er sagte: ›Warum sollte ich mich mit diesen Leuten (einschließlich Angehöriger seiner eigenen Familie) aus der Gegend abgeben? Die hatten keine Zeit für mich, als ich nichts war. Warum soll ich jetzt Zeit für sie haben?‹ … Als das Publikum schließlich in den langen Pausen zwischen den einzelnen Nummern zu pfeifen begann, sagte Dylan: ›Ich hab's genauso eilig wie ihr, nach Hause zu kommen. Habt ihr denn keine Zeitung zum Lesen dabei?‹ Die Schlagzeilen am nächsten Tag lauteten: ›Bob Dylan, Go Home!‹ und ›Der Sturz eines Idols‹. Das Konzert war ausverkauft, aber seit der Darbietung (oder dem Mangel einer solchen) sind die Plattenverkäufe des großen Meisters eingebrochen.«

Am 5. November 1965 füllte Dylan das Auditorium erneut; er bekam satte 26.000 Dollar für den Abend. Der Kritiker der Minneapolis Star Tribune schrieb:

»Die eigentliche Show fand im Publikum statt. Kaugummikauende Teenager in Kostümen, die geradewegs aus Nebenvorstellungen eines Zirkus hätten kommen können, saßen wie hypnotisiert da … Dylan sah aus wie eine Vogelscheuche mit wirren Haaren … ›Desolation Road‹ (sic) wies echte Anzeichen von Humor und Durchblick auf. Und es war der Höhepunkt des Abends, dazusitzen und seine politischen Spitzen über die Köpfe seiner Anhänger gehen zu hören … das war nicht sein angemessenes Publikum ... Trotzdem, die Menge war begeistert. Mögen Psychologen eine Erklärung dafür finden.«

Ein Kritiker, der seinen Artikel nur mit »Mann« zeichnete, schrieb in der Undergroundzeitung Twin City a Go-Go, Dylans zweiter Auftritt »bekräftigte nur seine Popularität und Unverständlichkeit«. Ed Freeman wurde in Go-Go zitiert: »Früher klang Dylan wie ein Lungenkrebskranker, der Woody Guthrie singt. Jetzt klingt er wie ein Rolling Stone, der Immanuel Kant singt.« Nach diesem Konzert zog Bob mit Leuten seiner Truppe und einem auf der Straße aufgelesenen Pärchen durch Dinkytown. Sie schauten in The Scholar und ein paar andere Bars hinein, eilten dann zurück zu McCoshs Buchladen. Bob erzählte allen, wie es vorher ausgesehen hatte.

Dylan hatte Minneapolis fünf Jahre zuvor verlassen, aber der tatsächliche Zeitpunkt des Aufbruchs ist schwierig zu dokumentieren. Er hatte eine Wohnung mit Brown und Max Uhler geteilt, war dann wieder in seinen scheußlichen kleinen Raum gezogen. Oft machte Dylan guthrieske Abgänge, wollte per Anhalter fort, aber dann sah jemand ihn ein paar Stunden später am Busbahnhof. Whitaker erzählte, direkt nach einem dieser Anrufe in Guthries Krankenhaus sei Bob aufgebrochen: »Ich hau ab, nach New York! Ich geh Woody besuchen.« Whitaker: »Er ist einfach aufgestanden und raus. In Minneapolis hatten wir einen wüsten Schneesturm, aber er ist nicht nach New York, sondern nach Chicago aufgebrochen.«

Bekannte in Dinkytown waren ja schon vorgewarnt, dass Dylan gehen wollte. Vermieter und seine Eltern waren dies sicherlich nicht. Abe und Beatty wollten Bob an seiner ihnen zuletzt bekannten Adresse besuchen. In einem kahlen, kaum möblierten Zimmer fanden sie nur ein paar Fetzen Papier. Sie zogen Schreibtischschubladen heraus und durchsuchten leere Schränke. Dieses Mal war er wirklich fort. Da wussten sie, dass ihr Sohn nicht mehr unter ihrer Kontrolle war. Dylan sagte: »Ich stand in einem Schneesturm an der Straße, glaubte an die Barmherzigkeit der Welt und wollte nach Osten; ich hatte nichts außer meiner Gitarre und meinem Koffer.«

Einem Herumtreiber im Village, Keven Krown, zufolge, tauchte Dylan kurz vor Weihnachten 1960 in Chicago auf. Krown sagte, Dylan sei ein paar Wochen in Chicago geblieben, während andere behaupten, er habe ein paar Tage in Madison, Wisconsin, verbracht, bevor er nach Osten fuhr. Krown war in der New-York-Sache nicht sonderlich glaubwürdig, daher stelle ich seine Chronologie in Frage. Das Zwischenspiel in Madison halte ich aber für wahrscheinlich. Bob wollte die Geschichte über seine Ankunft in New York ein wenig ausschmücken, zumindest mir gegenüber, und noch ein paar verrückte Wochen am Time Square einflechten, bevor es weiter zum Village ging. »My Life In A Stolen Moment« ist eins von vielen Beispielen in Dylans Karriere, in dem die Metapher und nicht die Dokumentation die Botschaft ist: Den Abschied beschreibt Dylan in »My Life In A Stolen Moment«:

That's pretty well my College life

After that I thumbed my way to Galveston, Texas in

four days tryin' to find an ol' friend whose

ma met me at the screen door and said he's in the Army -

By the time the kitchen door closed

I was passin' California - almost in Oregon -

I met a waitress in the woods who picked me up

an' dropped me off in Washington someplace

I danced my way from the Indian festivals in Gallup, New Mexico

To the Mardi Gras in New Orleans, Louisiana

With my thumb out, my eyes asleep, my hat turned up

an' my head turned on

I's driftin' an' learnin' new lessons

I was making my own depression

I rode freight trains for kicks

An' got beat up for laughs

Cut grass for quarters

An' sang for dimes

Hitchhiked on 61-51-75-169-37-66-22

Gopher Road - Route 40 an' Howard Johnson Turnpike

Got jailed for suspicion of armed robbery

Got held four hours on a murder rap

Got busted for looking like I do

An' I never done none a them things …[90]

(Das ist so ziemlich mein Collegeleben / Danach bin ich per Anhalter nach Galveston, Texas, in / vier Tagen um 'nen alten Freund zu suchen, dessen / Ma mich an der Tür abfing und sagte, er ist in der Army - / Als sich die Küchentür schloss / war ich schon hinter Kalifornien - fast in Oregon - / Ich traf 'ne Kellnerin im Wald, die mich mitnahm / und irgendwo in 'nem Kaff in Washington absetzte / Ich tanzte meinen Weg von den Indianerfesten in Gallup, New Mexiko / Zum Mardi Gras in New Orleans, Louisiana / Den Daumen raus, die Augen verschlafen, den Hut hochgekrempelt und den Kopf nach vorn / Bin ich weitergetrieben und hab neue Lektionen gelernt / Ich hab meine eigene Depression gemacht / Bin zum Vergnügen Güterzüge gefahren / Zum Spaß zusammengeschlagen worden / Hab Heu für 25 Cents geschnitten / Und für 10 Cents gesungen / Per Anhalter auf der 61-51-75-169-37-66-22 / Gopher Road - Route 40 und Howard Johnson Turnpike / Bin in den Knast geflogen unter Verdacht auf Raubüberfall / Bin vier Stunden unter Mordanklage festgehalten worden / Bin hops genommen worden, weil ich ausseh, wie ich ausseh / Und hab nix von alledem je gemacht …)

Bob Dylan - No Direction Home

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