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»Möge dich selbst.«

Dylan, 1961

Dylan verabschiedete sich vom College und griff mit beiden Händen nach dem Showbusiness. Dazu nutzte er alle Finger, zeigte der Schulbildung eine lange Nase, blätterte sich durch Bound For Glory, das er als seine Bibel ansah, trampte (zumindest metaphorisch) nach New York, um Guthrie zu sehen, und schüttelte einer Reihe von wichtigen, einflussreichen Leuten der Folkmusik-Szene die Hand, um ihre Bekanntschaft zu machen.

Vollkommen berauscht vom ungezügelten Romantizismus, der Guthries harten Reisen innewohnte, nahm er überstürzt Abschied von der Universität und von Dinkytown. Manche haben ihn damals in Minneapolis stadtauswärts fahren sehen, andere berichteten, ihn ein paar Stunden später am Busbahnhof sein Ticket gen Osten lösen gesehen zu haben. Auf jeden Fall erreichte Dylan New York an einem kalten, unwirtlichen Tag im Dezember 1960. Schneematsch bedeckte die Straßen, doch die Hitze seiner Mission ließ ihn erglühen. Über seine erste Attacke auf New York hat er ganz verschieden berichtet. Die unterhaltsamste Version findet sich in »Talking New York«, geschrieben im Mai 1961 in einem Truck Stop westlich von New York. Der Song schildert einen Einsamen vom Highway, der in die Stadt hineintaumelt, sich durchkämpft und schließlich »Erfolg« hat - das heißt, einen Dollar pro Tag verdient.

Keine Gemeinschaft präsentierte eine größere persönliche und künstlerische Freiheit als Greenwich Village. Und im Village gab es nichts Lebendigeres als die Off-Broadway-Theater[91] und die Wiederentdeckung der Folkmusik, ein Revival, das teils Zirkus war und teils einen moralischen Hintergrund hatte. Der Folkboom begann, als die erste Woge des Rock'n'Roll verebbt war. Von 1954 bis 1958 war die große Zeit der Rock-, Rhythm & Blues- und Rockabilly-Sänger; danach schienen sie Inspiration und Ziel zu verlieren. Mit diesem vorübergehenden Verklingen des frühen Rock ging eine Welle von payola-Skandalen einher[92]. Viele Diskjockeys, so stellte sich heraus, nahmen Geld an, um im Radio bestimmte Aufnahmen zu spielen. Ein paar Jahre lang schien Folk die saubere Alternative zum nicht makellosen Rock zu sein. Erfüllt von den Traditionen des musikalischen Nonkonformismus und des Antikommerzialismus wirkten Folksongs damals wie ein heilsames musikalisches Korrektiv.

Fast jeder, der ein paar Dollar hatte, konnte ein Kaffeehaus aufmachen; fast jeder, der eine Gitarre und ein paar Songs hatte, konnte auftreten. Diese weitgehende Dezentralisierung von Talent und Publikum erschütterte das Musikgeschäft. Einige Zeit rollte die Folkbewegung auf den gut geschmierten Rädern eines Antishowbusiness-Idealismus. Kommerziell orientierte Folksinger mussten sich nun als Idealisten darstellen: Sie hatten sich schlicht zu kleiden und dem Geld gegenüber gleichgültig zu erscheinen. Manche waren der Meinung, sie könnten kompromisslose Idealisten sein und trotzdem angenehm leben. »Warum sollte man nicht beides, gut und kommerziell sein?«, fragte rhetorisch Lee Hays, eines der Ursprungsmitglieder von The Weavers. Die meisten hatten einen Widerwillen gegenüber finanziellem Erfolg.

Albert B. Grossman, später Dylans Manager, klagte einmal, dass einige »reine« Folksinger sich benehmen, als ob Geld Heroin wäre. Grossman leugnete, dass Wohlstand süchtig mache, und tat viel, um andere davon zu überzeugen, dass sie bei Wahrung ihrer Integrität reich werden könnten. »Das amerikanische Publikum«, sagte mir Grossman 1959 beim ersten Newport Folk Festival, das er und George Wein gemeinsam organisierten, »ist wie Dornröschen, das nur darauf wartet, vom Prinzen der Folkmusik wachgeküsst zu werden.« Grossman selbst war einer der ersten Geschäftsmänner, der Dornröschen nicht nur küsste, sondern gleich mit ihr ins Bett ging.

Bob Dylan - No Direction Home

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