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„Von den Jüden und ihren Lügen …”

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(Martin Luther, 1543)

Der Philosoph Karl Jaspers schreibt 1963: „Was Hitler getan hat, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern.“1 Tatsächlich verkündigt Martin Luther in seinen letzten Lebensjahren Judenhass und rät zu Verfolgungsmaßnahmen wie Synagogenzerstörung, Zwangsarbeit, Vertreibung der Juden aus ihren Häusern und aus dem Land.

Man kann Luther nicht allein die Wirkungsgeschichte seiner Worte anlasten, aber man kommt auch nicht um die bittere Erkenntnis herum, dass Luther sich in seinen späteren Jahren in einer Schärfe gegen die Juden ausgesprochen hat, die noch für führende Nationalsozialisten Anlass war, sich auf ihn als „Patron der Judenverfolgung“ zu berufen.2

Luthers Judenfeindschaft ist allerdings nichts Neues, sie ist bei den Christen im ganzen Mittelalter verbreitet. Die Lage der Juden ist damals überall in Westeuropa von Elend und Vertreibungen gekennzeichnet.3

Den Juden wird vor allem vorgeworfen, sie würden Menschen vergiften und Brunnen, und das sei der Grund für die Pestepidemie. Aber auch Hostienschändung, Ritualmord und Gotteslästerung werden ihnen zur Last gelegt … und nicht zuletzt die Schuld am Tod Jesu Christi. Der Grund für den Hass auf die Juden und den Wunsch, sie loszuwerden, liegt aber auch darin, dass viele Menschen bei den Juden Schulden haben und die handwerklich-gewerblichen Städter in den Juden unerwünschte Konkurrenten sehen.

Nach der Zeit der „spontanen“ lokalen Judenverfolgungen mit Plünderungen und Mord werden im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert die Juden aus den meisten deutschen Reichsstädten, Herrschaftsgebieten und Bistümern vertrieben. Gegen Bezahlung finden sie noch Schutz in manchen der vielen Länder im Deutschen Reich und in Dörfern. Hunderte von Synagogen sind bereits vernichtet. Judenfeindschaft und Judenhass werden in der mittelalterlichen Kirche auch durch Universitäten, Schulen, Schriften und Predigten in der Bevölkerung verbreitet.4 Das ist die Situation, die Luther vorfindet.

Luther äußert sich in allen Phasen seines Wirkens zur Judenfrage, in Vorlesungen über die Psalmen u.a., in vielen Predigten, Briefen und Tischreden und in seinen großen sogenannten „Judenschriften“ („Dass Jesus ein geborener Jude sei“/„Wider die Sabbather“/„Von den Jüden und ihren Lügen“/„Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi“/„Von den letzten Worten Davids“).

Das Thema steht für den Reformator nicht am Rande und ist auch nicht auf die genannten Sonderschriften beschränkt, sondern vielmehr im „Grundmuster der Theologie Luthers“ verankert.5

Im Folgenden geht es vor allem um die Äußerungen Luthers aus seinen letzten Jahren, die von Judenfeindschaft und Judenhass geprägt sind (s. S.17ff.). Diese sollen zunächst – bis auf kurze Überleitungen – unkommentiert wiedergegeben werden. Eine Bewertung von Luthers Judenfeindschaft, die in der theologischen Diskussion durchaus unterschiedlich ausfällt, erfolgt erst an späterer Stelle (s.S. 292ff.).

Dieses Vorgehen erscheint mir möglich und auch sinnvoll, denn die meisten, die Luthers Worte seit Jahrhunderten hören und lesen, haben nicht den theologischen Hintergrund, um diese einzuordnen. Luthers Worte wirken zunächst so, wie sie dastehen. Und so werden sie gerade auch in den Veröffentlichungen aus der Zeit des Nationalsozialismus innerhalb und außerhalb der Kirche mit Berufung auf Luthers Autorität zitiert (s.S. 44ff.).

An Luthers Geburtstag brannten die Synagogen

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