Читать книгу Torres del Paine - Stephan Hamacher - Страница 11

Timor

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Die Äquatorflaute bedeutet Höllenqualen. Man hat die Wahl zwischen dem Grillrost an Deck und dem überhitzten Dampfbad unter Tage. Der Mensch dörrt aus, wird zu Salz. Seine Gedanken kreisen, bis wüste Visionen den wirren Kopf beherrschen.

Am 6. Dezember sichteten wir die Küste Südamerikas, einen dunkelgrauen Strich über einem hellgrauen wässrigen Horizont. Eine Woche später setzten wir in einer Bucht die Anker, in der Bahia de Santa Lucía, denn der 13. Dezember ist der Namenstag der Lichterkönigin. Konnte es sein, dass uns Gott in seiner Güte herbei befohlen hat? Die Wilden hielten uns für Götter, und sie begegneten uns mit Ehrfurcht und Hochachtung. Konnte es sein, dass uns Gott in seiner Güte herbei befohlen hat? War dies der heiß ersehnte Paso, die Durchfahrt ins Südmeer, die uns endlich den entscheidenden Schritt näher ans Ziel unserer Reise bringen würde? Fernão befahl die Flotte südwärts, langsam erkundeten wir die Küste, immer auf der Suche nach dem alles entscheidenden Durchbruch. Doch so oft wir es wagten, wir landeten immer wieder in einer Sackgasse.

Das alte Jahr ging und das neue kam. Von der Bucht des Januar segelten wir zu einem weit geöffneten Trichter, einer Meerenge, wie alle dachten, doch der Río de Solís erwies sich abermals als Irrweg. Das war am 10. Januar des noch jungen Jahres. Im Nachhinein vergeudeten wir auf dem Solís einen ganzen Monat mit der Suche nach der erhofften Passage. Die Enttäuschung stand jedermann ins Gesicht geschrieben. Doch Fernão ließ sich nicht beirren. Es musste dieses Tor nach Westen geben! Wenn nicht hier, dann weiter im tiefen Süden, also setzten wir abermals die Segel und hielten uns dicht ans Band der lichter werdenden Küste. Aus Bergen wurden Hügel, aus Hügel wurden Ebenen.

Immer wieder landeten wir an, immer wieder setzten wir Fuß auf einen Strand, voller Bangen, voller Erwartungen, voller Vorfreude und voller Furcht auf Begegnungen. Immer wieder endeten wir im weiten Nichts. Und obwohl mit dem Januar der Hochsommer längst gekommen war, wurde es mit fortgesetzter Fahrt und Zeit zunehmend kühler. Bei einem dieser Landgänge begegneten wir den Großfußmenschen, wahre Hünen von ehrfurchteinflößender Gestalt, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Es waren keine Christenmenschen, gewiss, aber es waren, soweit ich das beurteilen kann, kräftige Männer, die Tüchtigkeit als Tugend versprachen. Wir nahmen zwei von ihnen an Bord, um sie eines Tages nach Spanien zu bringen, doch sie verstarben während der Reise.

Der Zenit des Sommers war bald überschritten, über uns wehte ein steter heftiger Wind. Am 31. März des Jahres beschloss Fernão, in einer geschützten Bucht vor Anker zu gehen und dort zu überwintern. Er gab dem Ort den Namen Puerto San Julián. Die Jahreszeiten, sie überholten uns. Oder sollte ich sagen, wir überholten die Jahreszeiten?

Torres del Paine

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