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Riesen

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Noch heute gelten die Germanen als besonders hochgewachsen, kräftig und kriegerisch. Aber waren die Germanen wirklich deutlich größer als ihre damaligen Nachbarvölker? Waren sie sogar größer als wir heutzutage? „In jedem Hause wachsen die Kinder nackt und schmutzig zu diesem Gliederbau, zu dieser von uns bestaunten Größe heran“, schrieb etwa der Römer Tacitus um 100 n. Chr. Den hohen Wuchs der Germanen erwähnen die antiken Werke von Plutarch, Caesar und Appian. Ebenso äußerten sich Geschichtsschreiber ab dem dritten Jahrhundert bis in die Völkerwanderungszeit: Der Byzantiner Prokopios über die Vandalen, der Römer Ammianus Marcellinus über die Alemannen und der Gallo-Römer Sidonius Apollinaris über die Burgunder. Sollten sie alle sich geirrt haben?

Das Problem: Über die Köperhöhe der Germanen geben heute ausschließlich Skelettreste Auskunft. Davon gibt es zwar Abertausende. Doch weil sie selten vollständig sind und fast nie so, wie sie in einem aufrechten Mensch aus Fleisch und Blut sitzen, wird die Körpergröße anhand der Länge bestimmter Langknochen durch Schätzformeln errechnet. Entsprechend können die ermittelten Körperhöhen je nach Methode und Schätzformel um bis zu plus/minus 5 cm variieren. Hinzu kommt, dass die Germanen ihre Toten bis zum 4. Jahrhundert bis auf wenige Ausnahmen verbrannt haben – die Knochen sind geschrumpft und gesplittert.

Der Prähistoriker Frank Siegmund hat die verschiedenen Methoden kombiniert und kommt anhand hunderter spätantiker Skelettfunde von Gräberfeldern aus Südwestdeutschland und der Schweiz zu folgenden miteinander vergleichbaren Werten: Maßen die spätrömisch-romanischen Männer durchschnittlich etwa 1,64 m bis 1,69 m, kamen ihre etwa gleichzeitigen Geschlechtsgenossen auf alamanischen Gräberfeldern auf 1,70 m. Hier waren es also wenige Zentimeter, die Germanen und Romanen voneinander unterschied.

Weit geringere Körperhöhen ergaben die anthropologischen Untersuchungen von tausenden Leichenbränden aus Gräbern aus Schleswig-Holstein aus der Zeit von etwa 1000 v. Chr. bis 500 n. Chr. Für die germanischen Männer des 1. bis 4. Jahrhunderts n. Chr. errechneten die Wissenschaftler Körpergrößen von etwa 1,65 m. Zusätzlich konnten sie feststellen, dass die Durchschnittsgröße der Männer von 1,70 m in der Bronzezeit (vor etwa 3000 Jahren) bis auf 1,60 m in der Völkerwanderungszeit (vor etwa 1500 Jahren) schrumpfte. Die Durchschnittsgröße der Frauen blieb im gleichen Zeitraum demgegenüber weitgehend stabil um 1,60 m.

Untersuchungen anderer Gräberfelder kommen für Schleswig-Holstein auf eine Körperhöhe der Männer von im Schnitt etwa 1,72 m. Unter den mit Haut und Haaren erhaltenen Moorleichen kam der Mann von Rendswühren auf 1,63 m, der von Windeby I auf 1,65 m, der von Dätgen auf 1,65 m.

Groß waren wohl einige Bewohner des heutigen Dänemark: Bei den 25 untersuchten Männern ergibt sich dort ein Durchschnitt von 1,77 m, bei 25 Frauen 1,63 m. Unter den wohlhabenden germanischen Frauen des 3. Jh. von Skovgårde auf der dänischen Insel Seeland schwankte die Größe beträchtlich. Die kleinste der Frauen maß 1,55 m, die größte 1,71 m. Sicherlich wird es auch mal einen Riesen gegeben haben, wie den Mann von Oldcroghan, die mit über 1,91 m größte bekannte Moorleiche. Dieser Mann jedoch wurde in Irland gefunden und war wohl kein Germane.

Die Bewohner des europäischen Nordens waren somit durchschnittlich größer als diejenigen des Römischen Reiches. Doch nicht Haupteslänge, sondern vielleicht Stirnhöhe maß der Unterschied. Im Vergleich zu uns heute waren die Germanen klein. Männer werden heute in Deutschland im Durchschnitt 1,78 m und die Frauen 1,65 m groß. Hünen waren die Germanen keinesfalls.

Ihre Pferde waren übrigens wirklich klein, wie die unzähligen Knochenfunde verraten, so wie Caesar behauptet hatte. Allerdings auch nur zehn Zentimeter kleiner als die römischen Rosse.

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