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Nachdem Mandane mit Kambyses ihr Elternhaus verlassen hatte, begann auch für Astyages und Aryenis ein neuer Lebensabschnitt. Wie so viele Eltern mussten sie sich an die neue Situation erst gewöhnen. Das Kind, das man jahrelang voller Fürsorge und Liebe großgezogen hatte, ist nun nicht mehr da. Es ist plötzlich ruhiger im Haus, keine Kinderstimmen mehr, kein Lachen, kein Weinen, keine kleinen und größeren Sorgen und Probleme mehr. Und vor allem: keine Möglichkeit mehr, das Kind zu beschützen bei Gefahr, es vor Unheil zu bewahren, zu trösten, zu behüten. All das liegt ab jetzt nicht mehr in ihrer Macht. Von nun an ist das Kind auf sich alleine gestellt, muss selbständig durchs Leben gehen, sich behaupten und bewähren. Nun zeigt sich, ob die Vorbereitungen der Eltern auf diesen Moment ausreichend waren, ob ihre Erziehung gut genug war.

Und so verging anfangs kaum ein Tag, an dem die beiden nicht an sie dachten. Was wird sie wohl gerade tun? Geht es ihr gut? Behandelt Kambyses sie gut?

Doch je mehr Tage vergingen, desto mehr erkannten sie, dass sie eh keine Möglichkeit hätten, schnell einzugreifen, sollte in irgendeiner Weise Gefahr drohen. Und so wuchs auch immer mehr die Gewissheit und das Vertrauen, dass sie ihr Bestes gegeben hatten und dass Mandane in der Lage war, sich im Leben zu behaupten und durchzusetzen. Das war dann doch ein beruhigendes Gefühl. Astyages und Aryenis nahmen sich in den Arm, drückten sich fest, schauten sich an und lächelten.

So vergingen die Tage.

Eines Nachts jedoch wachte Astyages schweißgebadet auf. „Mandane!!“, schrie er in die Nacht. „Mandaaaneee!!!“ Benommen richtete er sich auf und blickte durch das Halbdunkel seines Schlafgemachs auf die fahlen Wände. Seine Gedanken schwirrten in seinem Kopf durcheinander. Nach einiger Zeit fand er zu sich und versuchte, sie zu ordnen. Was war das? Was hatte das zu bedeuten? Augenblicklich fiel ihm sein Traum von damals ein und er erschrak. Sollten sie sich in der Deutung seines Traums geirrt haben? Oder war alles nur eine Folge des Abschieds von Mandane, den er möglicherweise doch noch nicht ganz überwunden hatte? Er stand auf und trat ans Fenster. Sein Blick streifte über Ekbatana und holte ihn zurück in die Realität. Sein Traum war jedoch immer noch da und schien somit in der Wirklichkeit angekommen. Der Schreck fuhr ihm durch die Glieder. Er konnte nun nicht mehr weiterschlafen. Augenblicklich begab er sich zum Schlafgemach seiner Frau. „Aryenis!“ Er schüttelte sie recht unsanft. „Aryenis, wach auf!“ Sie setzte sich ziemlich missmutig auf und rieb sich die Augen. „Astyages, was ist los? Wieso weckst du mich so grob?“ - „Aryenis, ich hatte wieder einen Traum. Ich glaube wir haben einen Fehler gemacht!“ Bestürzt redete er auf sie ein. „Ich hatte wieder so einen Traum wie damals! Wir waren so dumm! Wir haben es nicht richtig gedeutet!“ – „Langsam, mein Lieber, langsam! Beruhige dich erst einmal.“ Aryenis war nun wach und setzte sich auf. Sie nahm ihren Mann bei der Hand und zog ihn sanft auf ihr Bett, sodass er neben ihr auf der Bettkante saß.

„Nun sag, was hast du geträumt?“ Astyages erzählte. „Wieder sah ich Mandane im Traum, aber dieses Mal war sie alleine. Da war kein fremder Junge. Sie war ganz alleine. Und aus ihrem Bauch wuchs plötzlich ein Rebstock. Zuerst ganz klein mit nur wenigen Blättern. Dann jedoch trug er Früchte, süße Trauben. Und er wuchs und wuchs. Er wurde immer größer und größer. Er war schließlich so groß, dass sein Schatten das ganze Land und noch weiter bis zum Horizont bedeckte. Er verdunkelte die Sonne und brachte die Kälte. Das ganze Land begann unter seinen Blättern zu frieren. Dann erwachte ich.“ Astyages machte eine Pause. „Verstehst du, was das bedeutet?“, fragte er aufgebracht und beantwortete die Frage umgehend selbst. „Die Gefahr geht nicht von dem Jungen aus, sondern von dem, was Mandane hervorbringt. Ein Kind!“ – „Du könntest recht haben“, antwortete Aryenis besorgt. „Ein Rebstock. Süße Früchte. Das ist etwas Schönes, Glückbringendes. Ein Kind ist etwas Schönes, Glückbringendes. Aber dieses Kind wird so groß und mächtig, dass es das ganze Land bedroht.“ Die beiden schauten sich wortlos an. In diesem Moment war ihnen klar: allein mit der Hochzeit war die Gefahr noch nicht gebannt. Eine schwere Entscheidung stand an.

Kyros und das große Land

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