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Der Sommer in Anschan war in diesem Jahr außergewöhnlich heiß gewesen. Die Menschen stöhnten unter der Hitze, obwohl sie hohe Temperaturen eigentlich von jeher gewohnt waren. Anschan lag in einer trockenen und eher kargen Landschaft, die Menschen vor langer Zeit bewohnbar gemacht hatten. Sie sammelten Regenwasser und Grundwasser, das an manchen Stellen aus den Bergen austrat, in einem fein ausgeklügelten System von ober- und unterirdischen Kanälen und leiteten es zu den Häusern. Ohne dieses Qanatsystem wären Siedlungen in dieser Gegend wahrscheinlich nicht möglich.

Für Mandane war diese Hitze in ihrem Zustand natürlich doppelt anstrengend. Und so hoffte sie, die Zeit der Schwangerschaft möge bald vorbei sein, nicht nur, weil sie sich so sehr auf ihr Kind freute.

Endlich näherte sich der Sommer dem Ende und der Herbst kündigte sich an. Die Temperaturen wurden erträglicher und in den Morgen- und Abendstunden war es bereits wieder angenehm kühl.

Mandane sehnte die Geburt ihres Kindes herbei und die Ärzte, die sie jetzt immer engmaschiger untersuchten, prognostizierten die Niederkunft für die kommenden zwei Wochen.

„Kambyses, ich glaube, ich hätte gerne, dass meine Eltern bei der Geburt dabei sind und mir zur Seite stehen können“, sagte Mandane zu ihrem Mann. „So langsam werde ich nervös. Ich weiß nicht so recht, was jetzt alles auf mich zukommt und hoffe, dass alles gut geht.“ – „Sei unbesorgt“, beruhigte sie Kambyses. „Alles wird gut, die Ärzte sind sehr zufrieden. Aber wenn es dir wichtig ist und es dich beruhigt werde ich natürlich sofort einen Boten schicken, der deine Bitte überbringt.“ Der Bote brach noch am selben Tag auf und überbrachte die Botschaft.

„Harpagos, soll zu mir kommen“, wies Astyages seinen Ersten Diener an. „Augenblicklich!“ Als die Botschaft von der nahenden Niederkunft eintraf galt es, keine Zeit zu verlieren. Er hatte sein Vorhaben bis jetzt geheim gehalten, aber nun war es an der Zeit, Harpagos einzuweihen und ihn mit der Ausführung des Plans zu beauftragen.

„Harpagos“, begann Astyages ernst. „Du bist mir der Vertrauteste unter meinen Vertrauten. Immer konnte ich mich auf dich verlassen und wurde nie enttäuscht.“ – „Mein König, ich stehe immer zu deinen Diensten“, entgegnete Harpagos untertänig. Bereits bei diesen ersten Worten des Königs spürte er, dass Astyages ihm etwas sehr Bedeutungsvolles zu sagen hatte.

„Harpagos, was ich dir jetzt sage und worum ich dich bitte, darf außer dir niemand erfahren. Niemand, hörst du?“ Harpagos nickte. „Es handelt sich um einen Auftrag, der von entscheidender Bedeutung für den Fortbestand des Reiches ist. Wenn du ihn nicht erfolgreich ausführst, ist das Reich dem Untergang geweiht!“ Asytyages blickte ihm ernst in die Augen. „Niemandem außer dir traue ich seine Ausführung zu. Ich muss mich auf dich verlassen können!“ – „Mein König“, antwortete Harpagos, „ich stehe zu deiner Verfügung, du kannst dich auf mich verlassen.“

Als Astyages ihm die Situation, sein Vorhaben und seine Beweggründe erläutert hatte, starrte ihn Harpagos entsetzt an. Er brachte zunächst kein Wort heraus. „Du willst, dass ich für dich einen Mord begehe?“ vergewisserte sich Harpagos. „Nicht für mich! Für das Reich. Es handelt sich um einen Akt nationaler Notwehr. Die Existenz des Reiches steht auf dem Spiel. Das ist kein Mord, das ist eine Rettungstat. Es ist deine Pflicht, diese auszuführen. Andernfalls begingest du Hochverrat!“ Harpagos verstand diese Warnung. „Mach dich sofort auf den Weg, damit du rechtzeitig zur Geburt dort bist. Und wenn man dich fragt, warum du kommst und nicht wir, so wie gewünscht, dann antworte, dass wir untröstlich sind und natürlich gerne gekommen wären, aber dass dringende Staatsgeschäfte anstehen und wir hier unabkömmlich sind.“

Harpagos war ein tief gläubiger Mensch. Die Vorstellung, im Auftrag seines Königs und zum angeblichen Wohl des Staates einen Menschen, noch dazu ein Neugeborenes, töten zu müssen, widerstrebte ihm zutiefst. Und so fragte er sich, ob diese Tat dazu führen würde, dass er, wenn er dereinst vor der Chinvat-Brücke stehen wird, einen breiten, bequemen Weg ins Paradies vorfinden oder auf einer Messerschneide balancierend in die Hölle abstürzen würde. Durfte ein Menschenleben geopfert werden, um das Reich zu schützen? Falls nicht, was tun dann Soldaten? Harpagos war innerlich zerrissen. Und so machte er sich auf den Weg.

Kyros und das große Land

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