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7. Das Todesurteil

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Einer Streife der Feldgendarmerie, vier deutsche Kettenhunde und zwei rumänische Polizisten in einem offenen Kübelwagen, war schon von großer Weite der hellgraue Rauch aufgefallen, der aus dem Schornstein des Hauses quoll. Hasso und Georg hatten nicht die Gefahr bedacht, sich durch den Rauch verraten zu können. Sie hatten nicht bedacht, dass die Stadt Braila, noch dazu an wahrscheinlich strategisch nicht unbedeutender Stelle an der Donau, von rumänischem und deutschem Militär besetzt war und gesichert wurde. Es war eine derbe Festnahme, wie jedermann sich denken kann. Für die beiden Deserteure war neu, dass sie umgehend ihre Rucksäcke entleeren mussten, wonach für die Feldgendarmen keine Frage offenblieb; und den Versuch, sich als stumm darzustellen, konnten sich Hasso und Georg ersparen. Sie stopften ihre Sachen wieder in ihre Rucksäcke, wurden hinausgedrängt und in den Kübelwagen gestoßen. Die Fahrt endete vor einem Backsteingebäude in einer Kaserne, die umgeben war von einer hohen Mauer, darauf auseinandergezogene Stacheldrahtrollen. Für eine Kasernenanlage, üblicherweise mit mindestens einem Bataillon belegt, war sie mit drei Blöcken, jeweils nur zweigeschossig, ziemlich klein. Hier waren vermutlich höhere rumänische Stäbe zu Hause gewesen, jetzt hatte hier die SS das Kommando. Auf dem Antreteplatz zwischen den Gebäuden standen ausgerichtet zwei Kübelwagen, vier Mannschaftstransportwagen und einige Kräder. Nach zehn Minuten Wartezeit im Eingangsbereich des Gebäudes übernahmen zwei SS-Soldaten die beiden Verhafteten, führten sie über eine breite Treppe hinunter in das Kellergeschoss und weiter einen langen Gang entlang – links und rechts in geringen, gleichen Abständen Eisentüren. Am Ende des Ganges bezogen Hasso und Georg dann ihre Zelle; etwa zweieinhalb Meter maß sie in der Breite, etwa vier Meter in der Länge. Die Schlafstätten waren zwei auf niedrigen Pfosten genagelte Bretterböden von jeweils eineinhalb Quadratmetern Größe, ohne Decken oder Stroh. Die Rückwand des Raumes wies direkt unter der Decke ein breites Fenster auf, das für ein Hindurchklettern in der Höhe zu niedrig, dennoch mit zwei senkrecht angebrachten Eisenstäben gesichert war. Ein Notdurftkübel stand in der Türecke, eine Waschgelegenheit fehlte.

Drei Tage waren vergangen, ohne dass Hasso und Georg verhört worden waren oder sonst etwas zu überstehen hatten, außer den Kellergestank und ein miserables Essen, aber immerhin, da forderte ein SS-Mann sie auf, ihre Rucksäcke aufzunehmen und augenblicklich auf den Flur hinauszutreten. Der Mann trieb sie nach oben, wo vor dem Eingangsbereich ein Lastwagen wartete, auf dessen überplante Ladefläche sie dann klettern mussten. An den Längsseiten waren abklappbare Bänke installiert. Vier rumänische Feldgendarmen, mit Maschinenpistolen bewaffnet, hatten bereits auf einer der Seitenbänke Platz genommen. Die Bank gegenüber besetzten die beiden Gefangenen. – Während der Fahrt durften Hasso und Georg nicht sprechen, die Rumänen hingegen unterhielten sich dafür umso lauter; sie rauchten ununterbrochen, wobei in gewissen Abständen kameradschaftlich eine Schnapsflasche von Hand zu Hand ging. Es war unverkennbar: Für die gut versorgten Bewacher war es eine dienstlich angesetzte Vergnügungsfahrt. Aber auch an ihre Gefangenen war gedacht worden, denen ein mit Trinkwasser gefüllter Kanister zur Verfügung stand.

Fahrtziel war ein Gefängnis in Bukarest und nur einen Tag später, mit drei neuen Bewachern, eine Haftanstalt in Ploesti. Die Stadt lag rund sechzig Kilometer von Bukarest entfernt im rumänischen Erdölgebiet. Hier nun sollten die beiden Deserteure vor ein deutsches Militärgericht gestellt werden.

Erneut betraten sie einen langen Kellergang, wo sie fast an dessen Ende in einen relativ großen Raum eingesperrt wurden, der an ein mittelalterliches Verlies erinnerte. In die unverputzten Mauerwände waren in gleichmäßigem Abstand vier etwa zwei Meter lange Ketten, jeweils am Ende ein eiserner Ring, eingelassen. Dieser Kerker wurde für Hasso und Georg zur Hölle. Feuchtwarme, entsetzlich stinkende Luft umhüllte sie; fast zerriebenes, schmutziges Stroh entlang der Seitenwände unter den Kettenverankerungen war ihre Lagerstatt; in der Ecke neben der Tür aus eisernen Stäben stand – wie in Braila – der Notdurftkübel ... mit Resten der Vorgänger darin. In eine Wand, direkt unter der Zellendecke, war ein kleines, nicht zu öffnendes Fenster eingelassen, dessen schmutzig blindes Glas kaum Tageslicht hereinließ. Elektrisch Licht war nicht vorhanden, die Häftlinge benötigten keins. Elektrizität war selbstverständlich vorhanden: in den Räumen der SS-Aufseher, in den Gerichts- und Schreibzimmern, den Fluren und anderen dem Personal vorbehaltenen Räumen ... und für spezielle schmerzhafte Quälereien. In diesem Gebäude warteten die sogenannten Hochverräter auf ihren Prozess. Zu ihnen gehörten nun auch Hasso und Georg.

Es wäre müßig, das Häftlingsleben von Fahnenflüchtigen und Soldaten, die beispielsweise wegen Feigheit vor dem Feind, wegen Wehrkraftzersetzung im Felde, wegen Befehlsverweigerung oder wegen Vorgesetztenmordes auf ihre Aburteilung warteten, sich nun in langwierige Einzelheiten zu verstricken. Sind zurückliegende Gefängnisaufenthalte für Hasso und Georg nur von relativ kurzer Dauer gewesen, so sollte hier in diesem Verlies das Warten auf ihren Prozess am längsten dauern. In den Fällen, wo Fahnenflucht bewiesen war, urteilten die Militärgerichte und die Standgerichte in den Einheiten in aller Regel nach verhältnismäßig kurzer Zeit, oftmals in wenigen Minuten: Sie verhängten die Todesstrafe ohne Wartezeit. Gingen für Hasso und Georg nur deshalb so unendlich viele zermarternde Haftmonate ins Land, weil die Militärgerichtsbarkeit sich nicht über die Schuld der beiden schlüssig war? Oder hatte man sie ganz einfach vergessen? Nein, vergessen waren sie nicht, sie waren noch nicht an der Reihe. Glücklicherweise – wenn es denn glücklich zu bewerten ist – waren die beiden Inhaftierten nicht den schlimmsten, den schmerzhaften Foltermethoden der Wächter ausgesetzt, wahrscheinlich, weil ihnen, und davon ging das Gericht aus, strategisch wichtige Dinge gar nicht bekannt waren. Dennoch, Fakt war, insgesamt gesehen, die Gefangenen zu quälen, womit die Aufseher ihre sadistischen Abartigkeiten befriedigten. Es war der Heeresleitung sehr wohl bekannt und äußerst recht, dass es vielen, sehr vielen SS-Angehörigen in Aufsichtspositionen an Intelligenz, an Einfühlungsvermögen sowieso, mangelte, denen aber eine regelrechte Gier nach Grausamkeiten zu bescheinigen war. Untere SS-Dienstleistende wurden in der Regel auch nicht befördert, sie blieben, was sie waren: abartige, bestialische Schinder, für die oberste SS-Führung verlässliche Vollstrecker. Für oberste Führungspositionen griff die Reichsführung SS gern auf intelligente Schwerverbrecher zurück, die sie aus Zuchthäusern holte, um sie an die Spitze von gewissen SS-Verbänden zu stellen. Von taktischer und schon gar nicht strategischer Kriegsführung hatten sie keine Ahnung, es oblag ihnen lediglich, mit ihren Einheiten den Nazis unliebsame Volksschichten, wie beispielsweise die Juden, den Vernichtungslagern zuzuführen oder sie an Ort und Stelle umzubringen.

Sie mussten nicht irgendwelche Umstände überdenken; sie mussten nur Befehle ausführen, die sie nach ihren eigenen blutrünstigen Vorstellungen erweiterten. Im Rücken osteuropäischer Kriegsschauplätze zeichneten sie sich besonders durch Vernichtungsaktionen wehrloser Kleinstadt- und Dorfbewohner aus. Diese Einheiten waren auch verantwortlich für die teuflische Behandlung und Vernichtung Zigtausender jüdischer Menschen im Warschauer Getto (siehe Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben, DVA). Es diente aber auch eine weitere große Zahl von intelligenten nazihörigen Führungspersonen in der SS: Denken wir u.a. nur an die Reichsverwalter, an die Lagerkommandanten mit ihren Euthanasie-Ärzten. Alle diese Themen füllen viele besondere Kapitel der deutschen Geschichte.

Nein, Hasso und Georg wurden keinen schmerzhaften Verhören und Foltern unterzogen, sie wurden in unregelmäßigen Zeitabschnitten mit einer besonderen Methode daran erinnert, nicht umsonst eingesperrt zu sein. An einigen Tagen trugen sie eine quer über ihre Brust hängende, etwa einen Meter lange Eisenstange, die an einer um die Hals geschlungene Kette hing. Mit den Handgelenken waren sie an die Stangenenden gefesselt, ebenfalls mittels einer Kette. Sie konnten also nur ihre Finger bewegen. Besonders gut unterhalten fühlten sich die Peiniger, wenn sie Hasso und Georg den Suppennapf vor die Füße stellten, die sie wie Hunde leerten. Und mussten die beiden ihre Notdurft verrichten, was ohne gegenseitige Hilfe nicht möglich war und hier nicht beschrieben werden muss, dann kriegten sich die Wärter vor Vergnügen kaum ein. Anscheinend hatten sie nichts weiter zu tun, als sich immer neue Quälereien auszudenken.

Wie viele Monate Hasso und Georg in ihrem Kerker hinter sich brachten, bei scheußlicher Verpflegung und unzureichender Körperpflege, konnten sie am Ende nicht nachvollziehen. Es war ihre Jugend, ihr Lebenswille, der sie alle Peinigungen durchstehen ließ. Dennoch behandelten sie an manchen Tagen das Thema Selbstmord. Für sie war es letztlich ein positiv zu wertendes Thema, es beflügelte sie immer wieder, sich Mut zuzusprechen, nein, nicht den Mut aufzubringen, um sich selbst umzubringen, sondern darauf zu vertrauen, irgendwann freizukommen. Vor allem Georg sorgte für Hoffnung. Tag für Tag warf er sich auf die Knie, auch wenn er angekettet war, und erflehte für Hasso und für sich Hilfe von seinem Gott. Hasso trug nach wie vor sein Foto bei sich, mit der Erklärung des ukrainischen Offiziers auf der Rückseite. Zwei Mal hatte man es bei ihm gefunden, zwei Mal aber nicht auf die Rückseite geschaut. Es war noch nicht einmal betrachtet worden, es wurde ihm sofort wieder zugeworfen. Ihm war bewusst, wenn ihm zum dritten Mal das Foto abgenommen werde, und der Blick des Betrachters auf die Rückseite falle, dann sei hier ihr Haftdasein ganz schnell beendet; aber auf die Idee, es zu vernichten, kam er nicht. Jeden Tag ließ er vor seinen geistigen Augen seine Kindheit und Jugend Revue passieren. Er dachte an seinen Vater, der ohne ein Lebenszeichen von ihm seinen Dienst bei der Basis des Oberkommandos der Wehrmacht in Berlin verrichtete; und er dachte an seine vier berühmten Onkel, indes von Mutter und Schwester konnte er sich keine genaueren Bilder mehr machen. Wiederholt unterbreitete er Georg seine Herkunft, die Geschichte seiner Familie und seine Erlebnisse bis in alle ihm bekannten Einzelheiten, und Georg hörte stets aufmerksam zu. Georg war in einem Waisenhaus aufgewachsen und überzeugt, keine lebenden Angehörigen ausfindig zu machen. An ihn dachte vermutlich niemand mehr. Von Hasso erfuhr er die Generationsgeschichte einer großen Familie, ihre hauptsächlich sich selbst zuzuschreibenden bewältigten und unbewältigten Sorgen und Ichbezogenheiten. Hasso verschwieg auch nicht, dass er als Heranwachsender seinem Vater und anderen Erziehern öfter mehr als üblich Probleme bereitet hatte. Ihm wiederum wurden von Georg Bilder aufgemalt, die den grauen Weg von Kindern und Jugendlichen zeigten, der an einer familiären, fürsorglichen Geborgenheit vorbeiführte.

Im März 1944 verurteilte das deutsche Tribunal im Gefängnis von Ploesti Hasso und Georg und gleichzeitig andere Mitangeklagte wegen Fahnenflucht zum Tod durch den Strang. Nach den Todesurteilen erwarteten die Delinquenten sofort die Vollstreckung. Aber es vergingen noch einige Tage, bis sie ihre Kerker verlassen mussten. Die Schergen schleiften Hasso und Georg, beide am Rande des Irrewerdens, regelrecht vor den Blockeingang, wo sie mit gebundenen Händen auf die mit einer Plane überzogene Ladefläche eines Mannschaftstransportwagens gehievt wurden. Zwölf Verurteilte hockten dort bereits, vier SS-Bewacher mit Maschinenpistolen, nahe der Ladeklappe sitzend, bewachten die Todgeweihten. Zwei SS-Männer ketteten die Häftlinge zusätzlich untereinander mit etwa einem halben Meter Spielraum zusammen. Nach rascher Fahrt hielt der Lastwagen am Bahnhof von Ploesti, wo dann alles schnell vonstattenging. Andere SS-Soldaten, es mochten sechs oder acht sein, übernahmen die Gefangenen, trieben sie zu einem wartenden Güterzug und ließen sie in einen speziell bereitstehenden Waggon klettern, den sie dann umgehend verriegelten. Die Männer ließen sich auf der Ladefläche des Waggons nieder, verschmolzen zu einem Haufen Elend, innerlich wandelnd zwischen Wahnsinn und Lebenswillen.

Welches Ziel fuhr dieses Mal der Zug an? Niemand hatte es den zum Tode Verurteilten gesagt. Warum auch ... Und warum sind die Urteile nicht an Ort und Stelle vollstreckt worden? Letztlich war das kein Thema, über das nachzudenken sich lohnte. Jeder war sich jetzt bewusst, in absehbarer Zeit das Ende seines Lebens erreicht zu haben, gleichgültig, wohin sie gebracht wurden. Nun, es war eine vorläufige Endstation, ein Konzentrationslager nahe Wien. Hier wurde ihnen zum ersten Mal bedeutet, dass ihre Hinrichtung in Wien vorgenommen werden sollte. Die Hinrichtungsstätte – es waren mehrere von der Wehrmacht in Wien genutzte Einrichtungen – stand noch nicht fest. Also wurden die Verurteilten vorerst in der gewaltigen Gefängnisanlage in der Wiener Harthmuthgasse eingeliefert, wo sie auf den Tag ihrer Hinrichtung zu warten hatten. Sie mussten noch viele Leidenstage überstehen, denn die Zahl der Hinrichtungstermine nahm erschreckend zu. Andrerseits war es die Zeit, dass Abertausende halbwegs gesunde KZ- und Militärgefängsinsassen für die Aufstellung von immer neuen Strafeinheiten aussortiert wurden. Das alles konnte schon aufgrund der Entfernungen zu den Kriegsgebieten, die bereits fast ganz Europa überzogen, nicht in wenigen Tagen erledigt werden. Es war zu bedenken, dass es große zeitliche Aufwände bedeutete, wenn im Laufe der Endphase des Krieges neben den Gerichtsverfahren der Wehrmacht oft auch noch neue Strafbataillone und andere Einheiten aus den Reihen der Verurteilten aufgestellt wurden. Besonders zeitaufwendig und gefahrvoll aber waren die Transporte zu den Einsatzorten. Und da die Wehrmacht immer höhere Verluste an den Fronten hinnehmen musste, ließen die Militärgerichte insgesamt von über 30.000 verhängten Todesurteilen nur zwei Drittel vollstrecken.

In ihrer Todeszelle wurde Hasso und Georg mitgeteilt, in etwa vierzehn Tagen hingerichtet zu werden. Die Bewacher verteilten Schreibpapier, einen Bleistift und einen Briefumschlag, gaben den Delinquenten die Möglichkeit, Angehörige in der Heimat letzte Grüße zukommen zu lassen. Zwar mag das eine zuvorkommende Geste für die Verurteilten gewesen sein, für die Empfänger bedeuteten die Briefe tiefste Bestürzung, tiefstes Entsetzen. Es ist davon auszugehen, dass das beabsichtigt war.

Hassos letzter Gruß war ein Schrei nach Hilfe an seinen Vater beim Oberkommando der Wehrmacht in Berlin. Georgs Papier hingegen blieb leer, er wusste niemanden zu schreiben. – Am frühen Morgen des Hinrichtungstages holte eine SS-Abordnung zunächst Georg aus dessen Zelle. Hasso, der in seiner nebenan wartete, blieb das nicht verborgen. Schritte genagelter Stiefelsohlen hallten durch den Gang, und Worte, etwas lauter gesprochen als gewöhnlich, waren gut zu verstehen. Georg brachte angesichts des nahen Todes die Kraft auf, Hasso zuzurufen, aber ohne auf dessen Zellentür zu schauen: »Bis gleich, mein Freund! Allah hat uns nicht vergessen!« Dieser Zuruf verblüffte die Begleitmannschaft.

Hinrichtungsstätte war hier in den Mauern des Landesgerichts I in Wien, mit integriertem Gefängnis für teils zivile Straftäter, hauptsächlich aber genutzt von der Gerichtsbarkeit der Wehrmacht. Hier wurden nicht nur Soldaten verurteilt, sondern auch im Sinne der Naziführung und der Wehrmachtsgerichte sich schuldig gemachte Zivilpersonen. Hinrichtungsart war in diesem Landesgericht vorzugsweise das Enthaupten: von 1938 bis April 1945 wurde 1.184 Männern und sogar einigen Frauen der Kopf abgeschlagen. Das Erhängen war seltener – Georg Mohr musste es erdulden.

Nur zwanzig Minuten später stand die Abordnung vor Hassos Zelle. Hasso kauerte, dem Wahnsinn nahe, in sich zusammengekrümmt auf seiner Pritsche, unfähig, sie zu verlassen. Sonderbarerweise rührten sich die sechs SS-Männer vor der offenen Zelle nicht, nur einer, ein Papier in der Hand, löste sich von dem Trupp, stellte sich vor Hasso in Position, warf noch einmal einen Blick auf das Papier und sagte:

»Schützendorf, Sie sind begnadigt worden zu zwölf Jahren Zuchthaus. Vorerst ist das rein formell zu verstehen. Zunächst werden Sie einer Feldstrafgefangenen-Abteilung zugeführt, denn dort werden Sie dringender gebraucht als in einem Zuchthaus. Erst nach dem Endsieg werden Sie zwecks Verbüßung Ihrer Strafe in ein dann noch zu bestimmendes Zuchthaus eingeliefert.«

Nach diesen Worten drehte der Mann leise lachend das Gesicht seinen grinsenden Männern in der Tür zu, wohl wissend, dass das Häuflein Elend dort auf der Pritsche seine Zuchthausstrafe wohl kaum werde absitzen können. Dennoch war es für diese Männer auch eine willkommene Abwechslung, Verurteilte nicht immer nur dem Hinrichtungskommando zu überstellen, sondern auch einmal zu verfolgen, wenn sie jemanden, wie jetzt Hasso, nicht zur Hinrichtung abholen, sondern eine Urteilsänderung überbringen mussten. Aber das geschah recht selten. Das augenblickliche Verhalten der Delinquenten war in etwa immer gleich.

HASSO - Legende von Mallorca

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