Читать книгу Im Licht des Mondes - A. Cayden - Страница 14
Kapitel 10
ОглавлениеSkip:
Langsam stehe ich auf und strecke vorsichtig meine Glieder. Mit jeder Dehnung meiner ermatteten Muskeln merke ich, wie die Müdigkeit aus mir weicht und mein Verstand wieder klarer wird. Ein schönes Gefühl. Ich blicke nach links, wo Mick auf dem Rücken liegend schläft. Der Halbmond scheint hell durch das große Fenster und hüllt sein Schlafzimmer in schimmerndes Licht.
Leichtfüßig springe ich von seinem Bauch und bahne mir den Weg zu seinem Gesicht, welches er leicht nach rechts geneigt hat. Sein Brustkorb hebt und senkt sich langsam zum Takt einer lautlosen Melodie seines Atems. Seine Haut wirkt im Mondschein elfenblass und seine sanften Gesichtszüge geben ihm in diesem Moment etwas zerbrechlich Wirkendes. Sein Anblick beherbergt in diesem Augenblick etwas Magisches und ich muss schlucken. Mein Herz beginnt wieder schneller zu schlagen und ich schüttle sofort meinen Kopf und schließe meine Augen. Ich darf jetzt nicht schwach werden, nicht wieder nachgeben! Mein Entschluss steht fest: Mick muss sterben und genau das werde ich jetzt bewerkstelligen! Denn er verändert mein Verhalten ins Negative und verschlechtert meine Konzentration und Arbeit! Ich weiß zwar nicht, wie er das macht, doch ich darf es nicht weiter hinnehmen! Die Demütigung, die Erniedrigung, damit ist nun endgültig Schluss!
Entschlossen sehe auf sein friedliches Antlitz. Ich frage mich, was für eine Aura in ihm schlummert und schleiche näher, bis ich dicht vor ihm stehe. Ich hole noch einmal tief Luft und vertreibe den letzten Funken Nervosität. Dann konzentriere ich mich, bis ich den Schlag seines Herzens und den Rhythmus seines Atems deutlich hören kann. Gemächlich zeichnen sich die Konturen der Energien ab, die ihn umgeben. Strahlend hell, wie das Sternenlicht selbst, als wäre er vom Nachthimmel heruntergefallen. Ich kann mein Glück nicht fassen und verharre. Wie kann das sein? In seinem Alter … er hat eine ungewöhnlich weiße und reine Aura.
Abermals muss ich kurz schlucken und etwas tief in mir drin zögert. Woher kommen jetzt diese Zweifel? Ich sollte mich freuen, dass er eine so gute und kräftige Lebensenergie hat, denn die Anerkennung meines Herrn wird mir dadurch gewiss sein. Warum hadere ich mit meinem Entschluss? Er ist nichts weiter als ein nutzloser Mensch und verdient es nicht, hier auf der Erde zu wandeln! Nicht mehr und nicht weniger.
Ich schließe meine Augen und beuge mich nahe zu seinem geschlossenen Mund. Ein kleiner vorsichtiger Schubs mit meiner Nasenspitze an seine federweichen Lippen genügt, um sie zu öffnen. Ich hole tief Luft und spüre, wie sein Lebenshauch hochgezogen wird, genau in meine Richtung, um gefressen zu werden. Ein weiteres Mal atme ich tief ein und verliere mit einem Mal den Halt unter meinen Pfoten, als er sich ruckartig von mir weg und auf die Seite dreht. Benommen taumle ich zurück und knalle unsanft auf den harten Boden auf. Ich unterdrücke einen überraschten Aufschrei und bleibe bewegungslos am Fußboden liegen, während meine Seite schmerzhaft im pochenden Takt aufzuheulen beginnt. Mit weit aufgerissenen Augen schaue ich nach oben, doch keine weitere Bewegung folgt. Ich spitze meine Ohren, aber außer dem Klang meines aufgeregt trommelnden Herzens ist es still. Meine Gedanken wirbeln wild durcheinander und es dauert eine Weile, bis ich diese wieder unter Kontrolle habe. So etwas ist mir noch nie passiert. Wie konnte er das Ritual der Lebensübergabe einfach so unterbrechen? Sind meine Fähigkeiten schon dermaßen beeinflusst?
Verdattert rapple ich mich auf. Das kann ich unmöglich hinnehmen! Noch nie habe ich eine Niederlage einstecken müssen und heute soll nicht das erste Mal werden! Fast geräuschlos bewege ich mich auf und verharre eine Minute. Als ich mir sicher bin, dass er immer noch schläft, springe ich elegant auf das Bett, direkt vor seinen Oberkörper. Seine Miene ist unverändert sorglos, als wäre sie von einem Künstler gemalt worden. Seine linke Hand hat er unter das Kopfkissen vergraben, während die rechte Hand sich in die Bettdecke gekrallt hat, als wolle er sich an ihr festhalten, um nicht zu fallen. Bei dem Anblick muss ich schmunzeln. Irgendwie niedlich …
Ich schüttle energisch meinen Kopf. Ich darf mein Ziel nicht aus den Augen verlieren. So flink wie möglich schleiche ich über die Decke, um wieder zu seinem Gesicht zu gelangen. Doch kurz bevor ich mein Ziel erreiche, zieht Mick ruckartig an seiner Bettdecke und noch ehe ich realisiere, wie mir geschieht, pralle ich ein zweites Mal hart auf den Boden auf. Nun auf meine rechte Seite, die abwechselnd mit meiner linken schmerzend um die Wette pocht. Ein qualvolles Stöhnen entfleucht meinen Lippen und innerlich verfluche ich die gesamte Menschheit und mein eigenes Unglück. Wieso muss das jetzt passieren? Entnervt verdrehe ich meine Augen und bleibe für ein paar Sekunden liegen, bis das Dröhnen in meinem Inneren etwas abflaut. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass heute nicht meine Nacht ist. Mein Blick wandert durch sein Zimmer und bleibt am Fenster hängen, durch das der Mond mit seiner Gefolgschaft hereinblickt. Ein stummer Zeuge meiner bisher missglückten Tat. Abermals spitze ich meine Ohren, nur um festzustellen, dass er auch jetzt seelenruhig weiterschläft. Ich seufze auf und richte meinen schweren und brennenden Körper wieder auf. Erneut springe ich auf das Bett, diesmal am Fußende, und schlängle mir meinen Weg an das andere Ende. Der dritte Versuch muss einfach funktionieren! Sonst fange ich wirklich an, an meinem Verstand zu zweifeln. Unsicher trete ich an ihn heran und beuge mich zu ihm runter, sodass unsere Gesichter sich fast berühren. Ich zähle langsam bis drei, dann schließe ich meine Augen und öffne meinen Mund, um mein Werk neu zu beginnen und zu vollenden.
„Hatschi!“
Erschrocken fahre ich ein paar Schritte zurück, als Mick zusammenzuckt, was sich als dummer Fehler herausstellt. Ich bin näher an der Kante als ich gedacht habe und wetze meine Krallen verzweifelt im Kampf um das Gleichgewicht in die Matratze. Doch zu spät. Ich spüre die Luft um mich herum sausen und pralle ein drittes Mal ungeschickt auf den Boden auf – direkt auf meinen Hintern. Ich fluche leise und verzweifelt vor mich hin. Das darf doch jetzt nicht wahr sein! Wie viel Glück hat der Kerl eigentlich? Wieso kann ich mir nicht einfach sein Leben wie bei jedem anderen Menschen auch nehmen und dann von hier verschwinden? Wie oft muss ich noch auf meinen Hintern fallen? Als ich höre, wie er sich im Bett räkelt, halte ich den Atem an. Sekunden ziehen sich wie Kaugummi, während ich reglos auf dem Boden sitze und warte.
„Verlauf dich nicht in deinen Träumen“, murmelt er im Halbschlaf vor sich hin, dann ist er sofort wieder eingeschlummert. Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe. Was soll das denn bedeuten? Schlagartig drängen sich meine letzten und immer wiederkehrenden Träume der vergangenen Nächte in mein Gedächtnis. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Soll das etwa bedeuten, dass ich in meinen Träumen zu ihm finden soll? Ich schüttle meinen Kopf. Meine Gedanken sind purer Unsinn. Er weiß doch gar nicht, was er da vor sich hin brabbelt! Immerhin waren diese zusammenhangslosen Worte im Halbschlaf geflüstert. Sie können also gar keinen tieferen Sinn ergeben …
Wütend über mich selbst richte ich mich auf. Noch nie in meinem Leben habe ich so versagt. Ich nehme leicht Anlauf und springe nochmals auf das breite Bett und beiße mir leicht auf die Lippen, als ein stechender Schmerz sowohl beim Absprung, als auch beim Aufkommen auf der weichen Matratze, meinen angespannten Körper durchfährt wie ein Stromschlag. Das wird richtig blaue Flecken geben, von meinen schmerzenden Gliedern mal ganz abgesehen, und das alles wegen ihm!
Ich blicke auf sein schlafendes Gesicht. Eine Träne fließt über seine Wange und perlt schließlich auf den hellblauen Bettbezug auf, wo sie geräuschlos versickert. Nur ein kleiner dunkler Fleck verrät ihre Spur, doch schon bald wird auch diese getrocknet und verschwunden sein. Als ich auf diese Stelle sehe, überfällt mich eine grenzenlose Wut. Doch nicht über den erbärmlichen Menschen, sondern über mich selbst. Ich bin nicht einmal in der Lage, einem schlafenden jungen Mann das Leben auszuhauchen! Wie armselig, wie beschämend. Noch nie habe ich mich selbst so gehasst wie in diesem Moment. Je länger ich ihn anstarre, desto größer werden das Gefühl und meine Selbstzweifel. Ich schnaufe verächtlich aus. Glückwunsch! Deine Lebensspanne ist soeben gestiegen!
Deprimiert wende ich mich von ihm ab und springe vom Bett. Ich kann nicht fassen, dass mein Vorhaben so ausgeht, doch ich bin momentan nicht in der Lage, meine Arbeit an ihm auszuführen. Meine erste Niederlage in all den Jahren …
Langsam humple ich aus dem Schlafraum zurück in das Wohnzimmer. Seit wann bin ich derartig schwach geworden? Ich war doch nicht immer so? Wann ist diese Wandlung eingetreten? Wieso habe ich nichts davon mitbekommen? Diese Schwäche wird hoffentlich wieder verschwinden. Sie muss einfach verschwinden! Verbittert beiße ich mir auf meine Unterlippe, während ich das offene Fenster ansteuere. Genervt verziehe ich mein Gesicht, als ich registriere, dass es zu regnen begonnen hat. Dies wird eine verdammt lange Nacht werden, denn ich habe noch kein einziges Leben gesammelt und ohne Erfolge kann ich unmöglich in meine Welt zurückkehren. Ich passiere die als Tisch fungierende Kiste und streife mit meinem Schwanz die darauf liegenden Unterlagen, wodurch ein Blatt locker herunterfällt, direkt neben mich. Frustriert bleibe ich stehen und wende mich schließlich den Notizen zu. Auf ein paar Minuten mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an. Micks geschwungene Handschrift ziert das Blatt und ich lasse meine Augen darüber schweifen.
Der Hoffnungsschimmer
Eiseskälte weht durch die verschmutzten Gassen,
diese Stadt scheint von allem Guten verlassen.
Egal wohin ich seh, egal wohin ich auch geh,
überall tun sie sich gegenseitig weh.
Hauen sich einander ihre Schädel ein
Schrecken nicht zurück vor groß oder klein.
Niemand ist in dieser Stadt noch sicher
Jeder ist sein eigener Vollstrecker und Richter.
Wer nicht schnell genug ist, wird niedergemacht.
Wer nicht stark genug ist, wird ausgelacht.
Was ist aus dieser Stadt nur geworden?
Ich fühle mich, als sei alles verloren.
Tränen laufen über meine Wangen,
ich bin in meiner eigenen Gefühlswelt gefangen.
Fühle mich falsch an diesem Ort.
Möchte eigentlich nur noch fort.
Heraus aus der nicht enden wollenden Dunkelheit
Die mich zu verschlingen droht von Zeit zu Zeit.
Doch je mehr Tage und Nächte verstreichen,
desto mehr spüre ich ein Teil von mir entweichen.
Tränen füllen und spülen meine Augen,
es fällt mir schwer an das Gute zu glauben.
Doch tief in mir drin, fest verborgen,
ist ein Funke Hoffnung noch nicht verloren.
Der Hoffnungsschimmer trägt deinen Namen
Auch wenn ich diesen noch nicht kann erahnen.
So will ich dich suchen und auf dich warten
Und in dieser grausamen Stadt verharren.
Ich bin voller Zuversicht, du tust es auch
Und hoffe, dass du mich genauso brauchst.
Zusammen werden wir die Gefahren bestehen
Und gemeinsam in die Zukunft gehen.
Die Freude auf dich, ist riesengroß.
Wenn ich dich finde, lass ich dich nie mehr los.
Will dir alles, was ich habe, schenken
Und mich nie mehr von dir wenden.
Deswegen bitte ich dich, gib nicht auf
Egal wo du bist, vertraue darauf,
Lass dich von der Hoffnung leiten
Und dich in meine Arme treiben.
Regungslos stehe ich da und starre auf das handgeschriebene Gedicht. Mein Verstand scheint wie leergefegt und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Mein ganzer Körper zittert leicht und mir fröstelt. Mein Herz tanzt wie wild durch meinen Brustkorb, ohne einen richtigen Takt zu finden. Unverändert stiere ich auf das Blatt und lasse meine Augen immer wieder über die einzelnen Zeilen gleiten. Ein ungekanntes Gefühl der Sehnsucht macht sich in mir breit wie eine unaufhaltsame Krankheit. Mir wird flau im Magen und ich muss leicht würgen. Als draußen ein lautloser Blitz die trostlose Nacht erhellt, kann ich mich aus meiner Paralyse reißen und ich komme langsam wieder zu Sinnen. Sichtlich verwirrt sehe ich mich um. Ich begreife einfach nicht, was mit mir geschieht.
Mit wankenden Pfoten laufe ich zum Fenster und meine Schritte werden immer schneller. Ich muss hier raus, einfach nur noch weg! Alles hinter mich lassen. Die Wohnung, das Gedicht und vor allen Dingen diesen ahnungslosen Menschen …