Читать книгу Strand Krimi Paket: Auch Mörder unter den Freunden - Thriller Sommer 2020 - A. F. Morland - Страница 10
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ОглавлениеWir kämpften uns durch die Menge, während im Hintergrund bereits Sirenen von Einsatzfahrzeugen der City Police und des Emergency Service schrillten. Anschließend rannten wir über die Straße. Der Van eines Pizza-Service bremste mit quietschenden Reifen. Der Fahrer zeigte mir einen Vogel, ich ihm meine ID-Card des FBI Field Office New York.
Endlich erreichten wir die andere Straßenseite.
Über Handy hatte Milo längst unsere Zentrale an der Federal Plaza verständigt. Von dort aus würden alle weiteren, als notwendig erachteten Maßnahmen ergriffen werden.
Wir erreichten den Eingang des gewiss schon etwas älteren, aber in einem Top-Zustand befindlichen Brownstone-Hauses. Ein Bürohaus der gehobenen Sorte – ohne den Komfort der modernen Glaspaläste, aber mit dem Charme und dem Stil der Architektur der dreißiger.
Anwaltskanzleien residierten hier. Die unmittelbare Nähe zum Gerichtsgebäude war zweifellos ein Standortvorteil, der zumindest für Kanzleien der mittleren Kategorie es attraktiver erscheinen ließen, sich hier einzumieten anstatt in einer Etage des Empire State Building.
In der Eingangshalle patrouillierten Angehörige eines privaten Security Service in schwarzen Uniformen herum. Sie trugen sechsschüssige kurzläufige Revolver vom Typ Smith & Wessen Kaliber .38 an den Gürteln – eine Waffe, die wir vom FBI auch lange benutzt hatten, bevor sie gegen die sechzehnschüssige P226 der schweizerischen Firma SIG Sauer wegen der größeren Feuerkraft ausgetauscht worden war.
Ich ging auf den ersten der Security Guards zu, zeigte ihm meine ID-Card und sagte: „Jesse Trevellian, FBI. Vom dritten Fenster im siebten Stock ist auf das Portal des Gerichtsgebäudes geschossen worden. Sorgen Sie mit Ihren Leuten dafür, dass die Ausgänge, das Treppenhaus und die Aufzüge bewacht werden. Niemand darf das Haus verlassen, bevor unsere Verstärkung nicht eingetroffen ist und die Personen kontrollieren konnte.“
„Ja, Sir, kein Problem.“
Ich gab ihm meine Karte. „Da ist meine Handynummer drauf. Melden Sie sich sofort, wenn sich hier unten etwas tut.“
„In Ordnung.“ Er steckte die Karte ein. „Drittes Fenster, siebter Stock, sagten Sie?“
„Ja.“
„Das müssen die Räume von Watson & Partners sein. Die sind letzte Woche ausgezogen. Seitdem steht die Etage leer, weil sich noch kein Nachmieter gefunden hat, der bereit war, die horrende Miete zu bezahlen!“ Der Security Guard drehte sich um. Sein Name stand in Großbuchstaben an seinem Uniformhemd: BO HENNESSY. „Hey, Buddy! Bring die FBI-Agenten ins Siebte! Aber pass auf, kann sein, dass sich da oben ein schießwütiger Killer herumtreibt!“
‚Buddy’ – dem Hemdaufdruck nach hieß er Bud Conroy – zog Revolver und Generalschlüssel und bedeutete uns, ihm zu folgen.
Hennessy bellte inzwischen Befehle an seine Leute durch die Eingangshalle. Ein Security Guard, der seinen Platz in einem Kubus aus Panzerglas hatte und von dort aus den Eingang überwachte, griff zum Telefonhörer, um Anweisungen weiterzugeben.
Bud Conroy führte uns zum Treppenhaus. Wir konnten nur hoffen, dass Hennessy auch wirklich meinen Anweisungen folgte und in Kürze noch ein paar Security Guards hier in Stellung gingen und sich die ‚schwarzen Sheriffs’ nicht nur auf die Aufzüge konzentrierten. Schließlich musste innerhalb kürzester Zeit dem Täter jegliche Fluchtmöglichkeit genommen und jedes noch so kleine Loch gestopft werden.
Wenn es nicht ohnehin schon zu spät war.
Wir nahmen jeweils zwei bis drei Stufen mit einem Schritt. Dabei stellte sich heraus, dass es Bud Conroy in punkto Kondition durchaus mit zwei durchtrainierten G-men wie Milo und mir aufnehmen konnte.
Schließlich erreichen wir den siebten Stock.
Ein kurzer Korridor führte zu den Räumen von Watson & Partners.
Das Firmenschild war abmontiert.
Lediglich ein Umriss und die Schraubenlöcher waren noch zu sehen.
„Hieß nicht einer der Verteidiger von Azzaro Watson?“, fragte Milo.
„Allerdings!“
Die Zugangstür zum Bereich von Watson & Partners war durch eine Glastür vom Eingangsbereich getrennt, wo sich auch der Zugang zu den Aufzügen befand.
Die überprüften wir zuerst.
Keine der vier Kabinen war gerade in Höhe des siebten Stocks. Drei befanden sich auf dem Weg nach unten, die vierte bewegte sich aufwärts, wie anhand der Leuchtanzeigen erkennbar war.
„Wenn der Kerl den Lift genommen hat, sind wir zu spät“, stellte Conroy fest.
„Aber dann läuft er hoffentlich Ihren Kollegen in die Arme!“, erwiderte Milo.
Conroy steckte den Generalschlüssel ins Schloss der Glastür.
„Ist offen!“, stellte er überrascht fest.
„Bleiben Sie hier und achten Sie auf den Fahrstuhl!“, sagte ich.
„Aber…“
„Das ist jetzt unser Job, Mister Conroy.“
Mit der SIG in der Faust öffnete ich die Tür. Milo folgte mir. Lautlos traten wir in den Korridor. Zu beiden Seiten befanden sich die Türen zu den Büroräumen, in denen diese ihre Mandanten berieten. Ganz klassisch und konservativ. Kein Großraumbüro und abgesehen von der Eingangstür gab es auch keinerlei Glas. Seriosität schien bei Watson & Partners Trumpf gewesen zu sein. Ich fragte mich, weshalb diese Kanzlei ihren Sitz mit freiem Ausblick auf die künftige Stätte des zu erringenden juristischen Triumphs, den die Mitarbeiter von Watson & Partners für ihre Mandanten zu erringen hatten, aufgegeben hatte.
Das dritte Fenster musste sich im ersten oder zweiten Zimmer auf der rechten Seite befinden. Die Räume auf der anderen Seite des Korridors waren zur Rückseite ausgerichtet und kamen nicht in Frage.
Ich trat die erste Tür auf.
Milo sicherte auf dem Flur.
Ein kahler Raum ohne Möbel lag vor mir. Die Abdrücke auf dem hellblauen Teppichboden zeigte genau an, wo die einzelnen Möbelstücke gestanden hatten.
Beide Fenster waren geschlossen.
Ich schnellte zurück, machte Milo ein Zeichen.
Diesmal war er dran, die Tür aufzustoßen und den Raum als erster zu betreten, während ich auf dem Flur sicherte.
Mit der SIG in der Faust machte er einen Schritt in den Nachbarraum, dessen Tür nur angelehnt gewesen war. Das Fenster stand offen. Anders als in den ultramodernen Bürotürmen, die sich dreißig, vierzig oder noch mehr Stockwerke in den Himmel über Manhattan erheben, bei denen sich die Fenster oft aus Angst vor Selbstmördern gar nicht mehr öffnen lassen und Frischluft einzig über die Klimaanlage in die Räume gebracht werden kann, waren hier ganz herkömmliche Schiebefenster zu finden, wie sie in den meisten amerikanischen Häusern üblich sind.
Milo senkte die Waffe.
Dies war also der Ort, von dem aus geschossen worden war.
„Los, lass uns die anderen Räume noch kurz durchsuchen“, sagte Milo.
„Warte!“
„Was ist?“
„Hier stimmt was nicht.“ Ich deutete auf den Vorhang am Fenster. Er hing schlaff herunter, bewegte sich nicht. „Mister Conroy, öffnen Sie die Glastür!“, rief ich.
„Steht offen!“, gab Conroy einen Augenblick später zurück.
Milo sah mich verständnislos an. „Worauf willst du hinaus, Jesse?“
„Kein Durchzug, Milo! Der Kerl ist nicht durch die Glastür zu den Aufzügen gelaufen!“
„Sondern?“
Ich rannte über den Flur, stieß die Tür gegenüber auf. Sie war nur angelehnt. Mit der SIG in der Hand trat ich ein. Eines der zum Hinterhof ausgerichteten Fenster stand offen. Zugluft entstand und ließ die Tür hinter mir zuschlagen.
Ich lief zum Fenster und blickte in den Hinterhof. Ein Mann mit Baseball-Kappe und einer Sporttasche über der Schulter ging eiligen Schritts auf die etwa hundert Meter entfernte Ausfahrt des von mehrstöckigen Brownstone-Bauten eingerahmten Hinterhofs zu, der vor allem als Parkplatz diente.
Über eine Feuertreppe konnte man hinab gelangen. Ich zögerte keine Sekunde, schwang mich aus dem Fenster, erreichte den ersten Absatz der Feuertreppe und rannte sie hinunter.
„Stehen bleiben! FBI!“, rief ich dem Kerl mit der Baseball-Cap hinterher.
Der Kerl drehte sich um.
LAKERS stand in Großbuchstaben auf seiner Mütze. Die Augen waren durch eine Sonnebrille mit Spiegelgläsern verdeckt, sodass man von seinem Gesicht lediglich Nase und Kinnpartie sehen konnte.
Der Mann mit der LAKERS-Mütze griff unter seine blousonartige Jacke, riss eine Waffe hervor und feuerte sofort in meine Richtung.
Schüsse peitschten, kratzten Funken sprühend am Metallgestänge der Feuertreppe entlang oder gruben sich in das vergleichsweise weiche Brownstone-Mauerwerk.
Ich feuerte zurück.
Milo hatte inzwischen das Fenster erreicht und gab mir ebenfalls Feuerschutz.
Der Kerl rannte auf die Ausfahrt zu.
Ich sah zu, dass ich hinunter kam, nahm mehrere Stufen mit einem Schritt, sprang und rutschte, bis ich schließlich den Asphalt des Hinterhofs unter den Schuhen hatte.
Wieder peitschten Schüsse in meine Richtung. Ich duckte mich hinter einer parkenden Limousine, feuerte zurück, ohne jedoch zu treffen.
Der Mann mit der LAKERS-Mütze hatte jetzt die Einfahrt zum Hinterhof erreicht.
Ein Wagen bremste.
Es handelte sich um einen Ford in Silber Metallic. Der LAKERS-Mann richtete die Waffe auf den Fahrer, umrundete die Motorhaube, riss die Fahrertür auf und zerrte den etwa fünfzigjährigen Mann am Steuer grob heraus.
„Nicht schießen!“, zitterte der Ford-Fahrer.
Der Killer gab ihm einen Schlag mit dem Lauf seiner Pistole, der ihn niedersinken ließ. Dann setzte er sich ans Steuer. Er setzte den Wagen zurück. Rücksichtslos fuhr er auf die sich an die Einfahrt anschließende Straße. Ein Wagen bremste mit quietschenden Reifen.
Ich rannte hinterher, zielte auf die Reifen des Ford. Den vorne rechts erwischte ich. Der LAKERS-Mann startete trotzdem durch. Funken sprühten und ein Geruch von verbranntem Gummi verbreitete sich, als der Ford nach vorne schoss.
Der LAKERS-Mann vollführte mit dem Ford einen riskanten Fahrbahnwechsel. Ein Chevrolet musste bremsen. Zwei weitere Fahrzeuge fuhren auf. Ein Fahrradkurier konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen.
Mit aufheulendem Motor und über den Asphalt kratzender Felge vorne rechts dröhnte der Ford die Fahrbahn entlang.
Ich erreichte die Straße, sprang auf den Kofferraum eines parkenden Wagens, legte die SIG Sauer P226 an und feuerte.
Zwei Schüsse.
Einer traf den Reifen hinten rechts.
Es war ohnehin schon ein Wunder gewesen, wie der LAKERS-Mann es geschafft hatte, den Ford trotz des zerschossenen Vorderreifens in der Spur zu halten.
Jetzt brach er hinten aus, schabte an einer Reihe parkender Fahrzeuge entlang und blieb schließlich an einem von ihnen hängen.
Die beiden verbleibenden Reifen drehten durch.
Die Metallfelge sprühte Funken wie ein Schweißgerät.
Der LAKERS-Mann öffnete die Tür, riss die Waffe empor und feuerte in meine Richtung. Ich duckte mich, sprang vom Wagen und rannte hinter ihm er.
Keine fünfzig Meter entfernt befand sich eine Subway-Station. Der LAKERS-Mann rannte die Stufen hinab, die in die Tiefe führten. Hinunter in die unterirdische Stadt aus Subway-Bahnhöfen, Schienentunnels und Abwasserkanälen, von denen nur noch ein Bruchteil in Gebrauch war. Zehn Stockwerke tief reichte dieser Maulwurfsbau, wie er von New Yorkern oft liebevoll genannt wurde, unter die Oberfläche.
Ich setzte dem flüchtigen LAKERS-Mann, den ich für den Mörder Ray Azzaros hielt, weiter nach. Ein Strom von Menschen kam mir entgegen, hielt mich auf und es nützte mir auch nichts, dass ich mit meiner FBI-Marke herumwedelte. Es waren einfach zu viele. Schon nach wenigen Augenblicken hatte ich den LAKERS-Mann aus den Augen verloren. Aber noch war ich nicht bereit aufzugeben.
Schließlich erreichte ich den Bahnsteig.
Ein Zug fuhr gerade weg.
Der Bahnsteig war voller Menschen. Eine Minute später stand ich fast allein dort. Milo sah ich die Treppe hinunter kommen, die SIG in der einen und die FBI-Card in der anderen Hand.
Er sah sich suchend um.
Von dem LAKERS-Mann war nirgends eine Spur zu finden.
Ich steckte meine Pistole weg und griff stattdessen zum Handy, um sicherzustellen, dass der gerade Richtung Central Park abgefahrene Zug bei der nächsten Station von Kollegen des New York Police Department unter die Lupe genommen wurde. Meine knappe Täterbeschreibung sollte dabei helfen: Der Killer war mindestens einsachtzig groß, männlich, Baseball-Cap mit der Aufschrift LAKERS und eine Sporttasche der Firma Nike.
„Danach könnte man nicht einmal ein Phantombild fabrizieren, Jesse“, tadelte mich Milo, der alles mitbekommen hatte. Auch er steckte jetzt die SIG zurück ins Holster und ließ die FBI-Marke in der Jackentasche verschwinden.
„Sehr witzig, Milo! Leider hat der Kerl auf meine Aufforderung seine Brille nicht abgenommen, damit ich ihn besser sehen kann!“