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Seine bewegte Klage hatte sie nicht vergessen, deshalb stand sie auf und holte aus einer Bäckerei um die Ecke frische Brötchen, während er noch gewaltig schnarchte. Nach dem Frühstück mussten sie sich trennen, er fuhr ins Amt und sie verabredete sich mit Peter Schröder und Mareike Schertz.

Schröder schnitt eine betrübte Grimasse, als Lisa ihm berichtete, welche Spitznamen der verblichenen Gunda sie erfahren hatte. Er widersprach aber nicht, sondern nickte traurig und gestand, dass er sich deshalb von ihr getrennt hatte: Bei aller Zuneigung ertrug er es nicht länger, von allen möglichen Kollegen hämisch-höhnisch-verächtlich angesehen zu werden.

„Warum zum Teufel musste sie um jeden Preis vor der Kamera stehen oder liegen?“, erkundigte sich Lisa.

„Das weiß ich bis heute nicht“, seufzte Schröder. „Sie hat zu einer Zeit mit dem Theater angefangen, als es für sie noch viele andere Jobs gegeben hätte. Zumal sie ja gar nicht arbeiten musste, bei dem, was sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Sie hat mir einmal verraten, dass ihre Mutter als Opernsängerin gescheitert war. Die Eltern wollten ihre Mutter, deren einzige Tochter, von der Bühne fernhalten, zumal das Talent objektiv nicht ausreichte. Da machte sich Gunda übrigens nichts vor.

Sie war fleißig, zuverlässig und jederzeit bereit, auch kleinste Rollen zu übernehmen. Sie wohnte extra hier in der Nähe des Studios, um auch einmal ganz schnell einspringen zu können. Aber das Talent, das gewisse Etwas, das man weder kaufen noch erlernen kann, fehlte ihr. Ein Trauerspiel.“

„Haben alle Männer so gedacht, die mit ihr zusammengelebt haben?“

„Die anderen Männer kenne ich nicht.“

Lisa hatte schon die Hand an der Türklinke, als er sich räusperte.

„Es gibt eine Anekdote aus dem Leben von Thomas Mann, Frau Koschwitz. Er hatte eine ungewöhnlich schöne Mutter, Julia, und die Töchter, respektive Schwestern, haben sich geärgert, wenn die Mutter sie auf einen Ball begleitete, weil die potentiellen Verehrer sich nicht entscheiden konnten, ob sie der Mutter oder den Töchtern den Hof machen sollten.“

„Ja, und?“

„So was Ähnliches muss sich zwischen Gunda und ihrer Mutter Annabella Harsfeld abgespielt haben.“ Lisa schüttelte den Kopf. Die Tochter war zweiundvierzig Jahre alt, als sie starb. In dem Alter sollte sie sich von der Mutter auch seelisch abgenabelt haben.

Krimi Sammelband 12001: Riesen Mords-Paket November 2019 - 1000 kriminelle Seiten

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