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Zu hübsch zum Sterben

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Kurzkrimi von John F. Beck und Ines Schweighöfer

Mit geschlossenen Augen stand Stephanie Riehl auf dem Bootssteg und umschloss mit den Armen ihren Körper. Sie genoss die Ruhe nach einer recht turbulenten Woche. In ihrer Firma, einem Spezialbetrieb für Werkzeugmaschinen, gab es Ärger mit einem Kunden, aber das nahm sie bei Weitem nicht so mit, wie ihre momentane Situation in ihrem Privatleben.

Tief in ihren Gedanken über ihre Zukunft versunken, spürte sie plötzlich, dass sie nicht mehr allein war. Sie hatte keine Schritte gehört, aber der Steg wurde durch die sich nähernden Schritte in sanfte, fast schon beruhigende Schwingungen versetzt. Als sie sich umwandte, sah sie nur wenige Meter entfernt eine hoch aufgewachsene, hagere Gestalt reglos in der sich verdichtenden Abenddämmerung. Sie gab keinen Laut von sich.

Stephanie hatte im nahen Wochenendbungalow zwar das Licht brennen lassen, bevor sie den kurzen Spaziergang hier runter zum Wasser machte, doch die Läden waren halb geschlossen, sodass keine Helligkeit den Steg erreichte.

Im ersten Moment dachte sie, dass Paul Klarner, ihr Geliebter, überraschend doch noch gekommen war, obwohl er kurzfristig zu einer wichtigen Geschäftsbesprechung musste. Sie wunderte sich jedoch, dass die Gestalt weiterhin nichts sagte oder dichter auf sie zukam. Sie stand einfach nur da und rührte sich nicht.

Es war still am See, nur das Quaken der Frösche im nahen Schilf war zu vernehmen. Vor wenigen Minuten war der letzte schmale, rote Streifen der untergehenden Sonne verschwunden. Doch erst in diesem Augenblick wurde Stephanie Riehl die plötzliche Kühle des Abends bewusst. Fröstelnd schlang sie ihr Tuch fester um den Körper, überwand sich und ging auf den Wartenden zu, bis sie den Revolver, der auf sie gerichtet war, in dessen Hand sah. Im restlichen schnell schwindenden Tageslicht konnte sie ein kantiges, ausdrucksloses Gesicht mit stechenden Augen erkennen. Beides hatte sie zuvor noch nie gesehen.

„Schade.“ Sie hörte die Stimme wie aus weiter Ferne. „Eigentlich sind Sie viel zu hübsch zum Sterben. Aber zehn Mille für ’ne risikolose Kugel sind eine Menge Geld.“

Die Gedanken der nicht mehr jungen, aber sportlich attraktiven Frau überschlugen sich. Markus hatte also alles herausbekommen – zumindest ihr Verhältnis mit Paul. Nur ihr Mann konnte den Killer angeheuert haben. Sie hatte vor zwei Wochen nur andeutungsweise eine mögliche Scheidung erwähnt – obwohl für sie längst feststand, dass sie spätestens in einem Jahr mit Paul Klarner verheiratet sein würde. Scheidung bedeutete für Markus die Katastrophe, nämlich das Ende seines bisherigen Schmarotzerdaseins.

Bereits kurz nach der recht überstürzten Hochzeit, Stephanie war bis über beide Ohren in ihn verliebt, und für sie war es Liebe auf den ersten Blick, erkannte sie, dass er sie, die Erbin und Besitzerin der weithin bekannten Riehl-Werke, nur des Geldes wegen geheiratet und auch deshalb ihren Familiennamen angenommen hatte. Für ihn waren Partys und das Sportstudio und damit sein Äußeres wichtiger als seine Frau oder gar die Firma. Auch die Erfüllung der körperlichen Liebe suchte er in anderen Betten. Kinder hatten sie keine, obwohl Stephanie sich am Anfang ihrer Beziehung nichts sehnlicher gewünscht hatte. Mittlerweile war sich froh darüber.

Nun konnte er höchstens noch ihren Mörder bezahlen. Denn Stephanie hatte nicht nur heimlich ihre Lebensversicherung auf Paul umschreiben, sondern diesen auch als ihren Teilhaber ins Handelsregister eintragen lassen. Ein Großteil der Konten lief ohnehin auf ihren Namen beziehungsweise auf die Firma. Markus, der sich um geschäftliche Belange nicht kümmerte, hatte nichts davon mitgekriegt. Paul war das Gegenstück von ihm: ein zärtlicher Liebhaber und tüchtiger Geschäftsmann, der stets zur Stelle war, wenn sie mit jemand reden wollte oder der sie einfach mal in den Arm nahm und dafür keinen Grund brauchte.

„Warten Sie!“, rief Stephanie. „Ich zahle Ihnen das Doppelte, wenn Sie nicht mich, sondern Ihren Auftraggeber töten. Ich weiß, dass es mein Mann ist.“

„Klar, Gnädigste. Sie würden mir auch das Zehnfache versprechen, und sobald ich weg bin, rufen Sie die Polizei. Ich traue Ihnen trotz der bereits vorherrschenden Dunkelheit eine so genaue Personenbeschreibung zu, dass die Bullen mich noch vor Tagesanbruch erwischen. – Ohne mich!“

Stephanie kämpfte vergeblich gegen die panische Angst und eine Schwäche in den Beinen, schaffte es aber, ihre Stimme sachlich und entschlossen klingen zu lassen.

„Kommen Sie mit ins Haus. Dort kann ich Ihnen eine Anzahlung geben. Überlegen Sie es sich, bevor Sie einen großen Fehler begehen, einen Fehler, den Sie später garantiert bereuen werden.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie nur eine halbe Armlänge an der auf sie gerichteten Waffe vorbei. Der Hagere folgte ihr. So früh im Jahr standen die übrigen Bungalows noch leer. Damit waren Zeugen nicht zu befürchten. Sein Auto hatte er in einiger Entfernung unter den Uferbäumen geparkt.

*

Drinnen, im geräumigen und modern ausgestatteten Wohnraum, öffnete Stephanie im schwachen Schein einer kleinen Stehlampe den hinter einem Bild verborgenen Wandsafe.

„Zehntausend, meine Reserve für Notfälle.“ Mit geübten Händen schloss sie die Tür des Safes, drehte sich wieder um und legte die Scheine auf den niedrigen Couch-Tisch.

„Sind Sie nicht ein bisschen leichtsinnig, Gnädigste?“

„Keineswegs, ich rechne mit Ihrem Geschäftssinn.“ Stephanie blickte ihn fest an. „Die gleiche Summe erhalten Sie nochmals, wenn meinem Mann noch heute Abend zustößt, was er mir zugedacht hat. Er ist ausnahmsweise zu Hause. Ich werde Ihnen beschreiben, wo …“

„Ich kenne die Adresse“, wurde Stephanie unterbrochen. „Nachdem ich neulich mit ihm handelseinig wurde, bin ich ihm unbemerkt gefolgt – als Rückversicherung, wenn Sie verstehen. Ihnen rate ich, nicht zu versuchen, mich aufs Kreuz zu legen. In so einem Fall werde ich verdammt ungemütlich. Sorgen Sie lieber dafür, dass die zweite Rate hier bereitliegt, wenn ich morgen wiederkomme.“

Er steckte das Geld ein, schaute sich nochmals prüfend um, verstaute den Revolver in einem versteckt angebrachten Schulterholster und verließ das Gebäude.

Stephanie stürzte zum Telefon. „Gott sei Dank, dass du noch da bist, Paul!“, rief sie, als Klarner sich meldete. „Sag’ deine Besprechung ab, egal wie wichtig sie ist. In einer halben Stunde bin ich bei dir. Ich erkläre dir alles, wenn wir uns sehen.“ Paul wollte gerade ansetzen, etwas zu erwidern, als Stephanie ihm das Wort abschnitt: „Jetzt nicht Paul, ich hab’ jetzt keine Zeit. In einer halben Stunde bin ich bei dir, da erfährst du alles.“ Ohne ein weiteres Wort legte sie auf und zog sich rasch an – ein letzter Blick in den bodentiefen Spiegel am Eingang, und schon machte sie sich auf den Weg.

*

Während der Fahrt zurück in die Stadt wurde ihr das Ungeheuerliche dieser Sache erst richtig bewusst: Markus, der Schmarotzer, hatte einen Killer auf sie angesetzt, und nun war derselbe Killer unterwegs, um Markus ins Jenseits zu befördern. Mittlerweile war es Nacht und leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Die recht kurze Fahrt kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Alle Ampeln, sieben an der Zahl, schienen nur auf sie zu warten, um kurz vorher auf Rot umzuschalten. Endlich hatte sie es geschafft, und sie bog in die kleine Seitenstraße ab, von der sie wusste, dass Paul dort sein Häuschen hatte.

Sie bremste so stark ab, dass die Räder kurz blockierten. Gleich darauf erstarb der Motor. Am Gartentor wartete bereits der Mann, für den sie einfach alles tun würde, und den sie jetzt unbedingt sehen musste. Er war wie Markus zehn Jahre jünger als sie, ein sportlicher, dunkelhaariger Junggeselle, der stets einen Anzug trug, so auch jetzt. Immer, wenn er lächelte, zeigte er seine strahlend weißen Zähne, die durch seinen leicht dunklen Teint noch betont wurden. Die Frauen umschwärmten ihn, aber für ihn gab es nur Stephanie Riehl.

Er ging weiter auf das Auto zu. „Liebling, was …“ Er brach ab.

Sie schwankte leicht als sie aus dem Wagen ausstieg, sodass es aussah, als wäre sie krank. Auch ihre blasse Gesichtsfarbe, die wegen der hellen Straßenbeleuchtung gut zu erkennen war, unterstrich diese Vermutung. Behutsam führte er sie ins Haus. Sie war zum ersten Mal hier, nahm aber von der Einrichtung, die alles andere als schlicht war, kaum etwas wahr.

Erschöpft ließ sie sich in einen bequemen cremefarbenen Ledersessel gleiten. Paul eilte sofort in die Küche und holte ein Glas Wasser.

„Wir brauchen die Scheidung nicht mehr abzuwarten, Paul“, begann sie, als er kurz darauf ins Wohnzimmer zurückkam. „Ab dem nächsten Ersten bist du mein neuer Geschäftsführer, und in einem Jahr oder schon eher …“ Ihre Nerven versagten. Schluchzend stand sie auf und warf sich in seine Arme. Er küsste und streichelte sie.

„Beruhige dich, mein Liebling. Erzähle alles der Reihe nach.“ Und das tat sie.

*

Als sie einige Zeit später geendet hatte, brauchte Klarner zuerst mal einen Drink. Stephanie bemerkte, dass seine Hände beim Eingießen der goldgelben Flüssigkeit zitterten. Er hob das Glas an die Lippen und leerte es in einem Zug, um es gleich darauf erneut zwei Finger breit zu füllen.

„Sag’ nicht, ich hätte die Polizei verständigen sollen!“, rief sie aufgebracht aus. „Markus würde alles abstreiten und womöglich völlig ungeschoren davonkommen. Ich hasse und verabscheue ihn. Er hat es nicht anders verdient. Ich könnte es nicht ertragen, ihm nach diesem Mordanschlag noch einmal gegenüberzutreten.“

„Außerdem musstest du dein Leben retten“, nickte Klarner mitfühlend. „Ich verstehe dich ja. Aber …“

„Kein Aber, Paul“, unterbrach sie ihn. „Lass uns an unsere gemeinsame Zukunft denken.“ Stephanie schmiegte sich an ihn. Dann kam ihr ein Gedanke. „Komm, wir sollten ausgehen, damit man uns zusammen sieht. Lass die Leute reden, was sie wollen. Wir brauchen für heute Abend ein unumstößliches Alibi. Ich will endlich wieder leben, nichts soll mehr meinem – unserem Glück im Wege stehen. Lange genug habe ich auf andere und deren Meinung Rücksicht genommen.“

„Du hast …“ Klarner hielt abrupt inne und lauschte nervös. Plötzlich sprang er zum Lichtschalter. „Da war was an der Terrassentür, hast du es auch gehört?“

„Ich hab’ nichts gehört. Du glaubst doch nicht etwa, Markus würde hierherkommen?“

„Nicht Markus“, murmelte Paul. Dann schrie er: „Lass den Vorhang zu!“

Doch Stephanie hatte den Stoff, der die Glasfront zum Garten verdeckte, bereits zur Seite gezogen und blickte hinaus. Klarner knipste sofort das Licht aus, aber die Helligkeit der Terrassenlampe reichte, um das Wohnzimmer in ein sanftes Licht zu tauchen. Entsetzt starrte Stephanie auf die nur zwei Meter von ihr entfernte Gestalt. Es war der Mann vom Bootssteg, das erkannte sie sofort. Was will der denn hier? Er sollte sich doch um Markus kümmern, schoss es ihr durch den Kopf. Und in diesem Augenblick krachte ein ohrenbetäubender Schuss.

Das Glas des riesigen Fensters splitterte und fiel gleich darauf in einem wahren Splitterregen zu Boden und bedeckte Teppiche und Möbel, die sich in unmittelbarer Nähe des Fensters befanden. Ein Splitter schrammte ihren rechten Arm, ein weiterer ihre Wange. Blut sickerte aus den kleinen Schnittwunden. Stephanie schrie auf, drehte sich zu Paul um und erkannte, dass der Schuss nicht ihr, sondern dem Geliebten galt, der mit weit aufgerissenen Augen zu Boden stürzte und ein roter Fleck sich auf seiner Brust ausbreitete. Während die Frau schluchzend neben Klarner auf die Knie sank. Floh der Schütze über den Rasen und verschwand in der Dunkelheit. Sie bettete den Kopf des bereits toten Geliebten in ihren Schoß und rief aus:

„Paul! Was hat dieses Monster dir angetan?“ Dicke Tränen liefen über ihre mit Blut verschmierten Wangen.

Jenseits der dichten Hecke, die Klarners Garten umgab, heulte ein Motor auf und mit quietschenden Reifen entfernte sich ein Wagen. Da raffte Stephanie Riehl sich auf und wankte zum Telefon.

Der Killer hatte sie geblufft. Markus hatte ihn nicht für ihren, sondern für Pauls Tod bezahlt! Wie im Fieber wählte sie die Nummer der Polizei, die keine zehn Minuten später mit einem Großaufgebot erschien.

*

Mitten in dem Blitzlichtgewitter, das sich bald darauf in Klarners Wohnzimmer abspielte, wurde der zuständige Kommissar von einem Kollegen nach draußen gerufen. Als er zurückkam, saß Stephanie Riehl immer noch apathisch im Ledersessel, den Blick starr auf die Stelle gerichtet, wo vor wenigen Minuten noch der Tote gelegen hatte. Kommissar Bohlsen räusperte sich.

„Meine Leute haben an der Autobahnauffahrt einen Mann festgenommen, auf den Ihre Beschreibung zutrifft, Frau Riehl. Fühlen Sie sich in der Lage, ihn zu identifizieren – jetzt gleich?“

Wie in Trance blickte sie auf, sagte aber kein Wort. In ihr schien irgendetwas zu arbeiten. Erst die erneut vorgebrachten Worte des Kommissars rissen sie aus ihrer Starre, und sie erhob sich wie durch eine fremde Macht in Bewegung versetzt. Schweigend folgte sie ihm zu dem Polizeifahrzeug, das draußen auf der Straße mit laufendem Motor wartete. Im Fond saß der Killer zwischen zwei Beamten. Stahlfesseln umschlossen seine Handgelenke. Bohlsen leuchtete ihn mit einer Taschenlampe an.

„Das ist er“, bestätigte Stephanie tonlos.

Das Gesicht hinter der halb heruntergelassenen Scheibe verzerrte sich. „Sind Sie wahnsinnig? Sie liefern sich damit selbst ans Messer! Glauben Sie etwa, ich werde den Mund halten, weil ich Sie zu hübsch zum Sterben fand?“

„Sie haben den Mann getötet, den ich liebte.“

„Den Kerl, der wollte, dass ich Sie ermorde!“, tobte der Verhaftete. „Er faselte, dass Sie zu alt für ihn wären. Er hätte es von Anfang an nur auf Ihre Lebensversicherung und die Teilhaberschaft in Ihrer Firma abgesehen.“

„Nicht Paul, das glaube ich nicht“, stöhnte Stephanie. „Er hat mich wirklich geliebt.“

„Wer ist Paul? Der Kerl, den ich erschoss, nannte sich Markus Riehl und behauptete, er wäre Ihr Mann. Ich hab’ nur Ihren Auftrag ausgeführt und sogar eine Anzahlung dafür bekommen …“

ENDE

Serienkiller und Mord-Schakale: 10 Krimis

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