Читать книгу Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis - A. F. Morland - Страница 47

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Nachdem sich die Versicherung bereit erklärt hatte, den gesamten Schaden zu bezahlen, setzte sich Eckhard Joswig in sein Büro und telefonierte. Verabredungen wurden getroffen und Verträge geschlossen. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Jannick Wolfe zögerte zwar, bevor er seine Zustimmung gab, doch schließlich willigte er ein. Die Versicherungsgesellschaft hatte allerdings eine Bedingung an ihre Zahlung geknüpft. Katharina Ledermacher sollte das Filmteam nach Italien begleiten und dafür sorgen, dass es keine weiteren Zwischenfälle gab.

Am Nachmittag des nächsten Tages besuchte die Detektivin Eckard Joswig in seinem Büro, um mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen.

„Ich habe mir die ganze Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen“, sagte sie. „Irgendjemand hat offenbar ein großes Interesse daran, dass der Film nie ins Kino kommt. Ich frage mich nur, weshalb? Vielleicht war die ganze Erpressungsgeschichte nur ein Vorwand. Sie müssen einen Gegner haben, der Ihnen schaden will. Hat es etwas mit dem Inhalt des Films zu tun?“

Joswig schüttelte energisch den Kopf. „Unsinn“, sagte er. „Das ist ein ganz normaler Actionfilm ohne politische oder anderweitige Botschaft. Es gibt ‘ne Menge Explosionen, Verfolgungsjagden und Schießereien. Das ist auch schon alles.“

„Aber es muss doch einen Grund dafür geben, dass man den Film sabotieren will.“

„Vielleicht will man mich ruinieren“, murmelte Joswig.

„Was ist mit den Schauspielern?“

„Ich verstehe nicht.“

„Könnte einer von ihnen der Grund sein?“

„Das halte ich für ausgeschlossen. Jannick Wolfe interessiert sich nur für seine Arbeit. Andere Ambitionen hat er nicht.“

Katharina kannte Wolfe aus einer Reihe von Filmen. Der blendend aussehende Schauspieler trat vorwiegend in anspruchslosen Actionfilmen auf. Wegen seiner verwegenen Art hatte er eine große Fangemeinde. Trotz seiner fünfzig Jahre machte er die meistens Stunts selber. Zumindest behauptete er das. Doch Katharina musste bald feststellen, dass nicht jede Behauptung der Wahrheit entsprach. Während sie sich noch mit Joswig unterhielt, wurde die Tür geöffnet, und ein Mann trat ein, den sie im ersten Moment für Jannick Wolfe hielt. Nur wirkte er bedeutend jünger als fünfzig. Aber er trug das gleiche unbekümmerte Lächeln zur Schau, das Wolfe berühmt gemacht hatte.

„Ist das wahr?“, fragte der Mann. „Sind wir jetzt alle arbeitslos?“

„Hallo, Simon“, sagte Joswig. „Keine Sorge, ihr seid nicht arbeitslos.“ Er wandte sich wieder an Katharina. „Das ist übrigens Simon Struck, Wolfes Stuntman in sämtlichen Action-Szenen. Er bricht sich für Wolfe mindestens drei Mal jährlich die Knochen.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte Katharina.

Struck nickte ihr zu.

„Ich habe gehört, dass Jannick bereits ein anderes Angebot hat“, meinte Struck. „Wenn er nicht verfügbar ist, kann ich seine Rolle spielen. Was hältst du davon?“

„Überhaupt nichts“, erwiderte Joswig. „Jannick spielt in der zweiten Hälfte, also muss er auch in den restlichen Szenen auftreten. Das Publikum würde den Unterschied sofort merken. Vor allem in den Großaufnahmen.“

„Na und?“, fragte Struck. „Die Maskenbildner haben schon ganz andere Kunststücke vollbracht. Die werden mich so schminken, das niemand etwas merkt. In den Actionszenen trete ich ohnehin auf.“

„Nichts gegen deine Fähigkeiten, Simon“, lenkte Joswig ein. „Du bist ein ausgezeichneter Stuntman, aber deine Stimme klingt vollkommen anders als die von Jannick.“

„Ich könnte sie imitieren.“

„Vergiss es. Was glaubst du, wird Jannicks Agent mir erzählen, wenn du in der ersten Hälfte für seinen Star einspringst? Der würde eine einstweilige Verfügung erwirken und ...“

Das Läuten des Telefons unterbrach ihn. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Sofort veränderte sich sein Gesichtsausdruck. „Okay“, sagte er und legte wieder auf. Ein Lächeln umspielte seinen Mund. „Jannick hat mir soeben mitgeteilt, dass er für die zehn Tage zur Verfügung steht.“ Er rieb die Handflächen aneinander. „Gut, dann wollen wir mal an die Arbeit gehen. Morgen fliegen wir nach Italien.“

Katharina verabschiedete sich von Eckard Joswig, stieg in ihren Wagen, startete den Motor und fuhr zur Charité, um ihren Lebensgefährten Robert Tillmann zu besuchen. Er war während einer Unterrichtsstunde zusammengebrochen. Bisher hatten es die Ärzte nicht geschafft, die Ursache herauszufinden.

„Na, wie geht es dir?“, fragte er, als sie das Zimmer betrat.

„Ich liege nicht im Krankenhaus“, erwiderte Katharina. „Dreh den Spieß nicht um, Robert. Ich sollte dir diese Frage stellen. Was haben sie heute alles mit dir gemacht?“

„Sie waren wie immer sehr nett und freundlich zu mir“, sagt er lächelnd. „Und sie haben mich durch den Wolfe gedreht. Nichts ließen sie aus. EKG, EEG, Blutsenkung, Harntest, Zuckerbelastung, Ultraschall, Scanner ... Sie waren wirklich sehr gründlich, gaben mir alles mögliche Zeug zu trinken, durchleuchteten mich von allen Seiten, und testeten meine Reaktion auf dies und jenes.“

„Und?“

„Sie haben nichts gefunden. Nach Ansicht der Mediziner ist es offenbar geradezu eine Beleidigung ihres Berufsstandes, wie gesund ich bin.“

„Aber dein Schwächeanfall muss doch eine Ursache haben.“

„Der Ansicht waren die Ärzte auch. Wenn einer so gesund ist wie ich, muss er wohl krank sein. Deshalb haben sie immer schlauere Spielchen mit mir getrieben, doch meine Werte waren völlig normal.“

„Und woher kamen deine Beschwerden?“

Robert zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Vermutlich Überanstrengung. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“

„Ich mache mir aber welche. Das weißt du doch.“

„Vielleicht werde ich morgen schon entlassen. Oder ich rücke bei Nacht und Nebel aus.“

„Das solltest du nicht tun. Warte lieber so lange, bis der Chefarzt dir grünes Licht gibt.“

„Ich habe das Gefühl, er sieht sich in meinem Fall überfordert“, sagte Robert. „Er hat sich‘s ein bisschen einfacher vorgestellt, und ich wette, er ist mit seinem Latein bald am Ende. Aber reden wir nicht mehr über mich. Was ist mit dir? Hast du einen neuen Fall?“

„Ja, seit gestern.“

„Etwas Interessantes?“

„Diebstahl und Erpressung.“

„Ja“, meinte er. „Das klingt sehr interessant.“

„Deshalb muss ich morgen auch nach Rom.“

„Rom?“, fragte Robert erstaunt. „Aber wieso?“

Katharina berichtete ihm, was sich in den vergangenen Stunden ereignet hatte. Zwanzig Minuten lang erzählte sie, ohne dass er sie ein einziges Mal unterbrach. Als sie fertig war, dachte er lange schweigend nach.

„Eine seltsame Geschichte“, war alles, was er schließlich dazu bemerkte. „Und wie du es erzählst, klingt es höchstens noch seltsamer.“

„Schon möglich“, gab Katharina zu. „Aber – wie denkst du darüber?“

„Du bist die Expertin.“

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“

Robert nickte. „Alles. Trotzdem solltest du vorsichtig sein.“

„Das bin ich doch immer.“

„Am liebsten würde ich dich begleiten. Aber stattdessen liege ich hier herum und spiele Versuchskaninchen. Lange mache ich das nicht mehr mit. Wenn ich gesund bin, habe ich nicht das Recht, einem Kranken das Bett wegzunehmen.“

„Du bleibst hier“, sagte Katharina entschieden. „Denk ja nicht an eine Nacht- und-Nebel-Flucht, sonst lasse ich dich vom Chefarzt ans Bett fesseln.“

„He, das hört sich nach einer handfesten Verschwörung an“, gab er störrisch zurück.

In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und ein Arzt betrat das Zimmer. Er mochte so um die vierzig Jahre alt sein, hatte schwarze, dichte Haare, eine schmale Nase und braune Augen.

„Aha, Doktor Hulke“, sagte Robert.

Der Mann schloss die Tür hinter sich, kam auf die beiden zu und gab Katharina die Hand. „Frau Ledermacher, nehme ich an?“

„Ja, stimmt. Woher ...“

„Er spricht von niemand anderen, seit er hier ist. Sie müssen etwas ganz Besonderes sein.“

„Das ist sie auch“, bestätigte Robert. „Wie sieht es denn nun aus? Haben Sie alle Ihre Geräte an mir ausprobiert?“

„Wie fühlen Sie sich heute, Herr Tillmann?“, fragte Doktor Hulke.

„Großartig“, antwortete er. „Das gefällt Ihnen nicht, wie?“

„Sie sind nicht hier, weil es Ihnen noch nie besser ging“, sagte der Arzt, „sondern weil Sie irgendeinen Krankheitsherd in sich haben.“

„Den Sie nicht finden können.“

„Sie müssen bedenken, dass wir uns die größte Mühe geben.“

„Ich bin für Sie und Ihre Kollegen ein medizinisches Rätsel, nicht wahr?“

„Nun, ich gestehe, es würde mir besser gefallen, wenn ich wüsste, woher ihr merkwürdiger Zustand kommt. Die Symptome sind uns fremd. Das erschwert natürlich die Diagnose. Organisch scheinen Sie völlig in Ordnung zu sein. Als dieser Anfall kam, hatten Sie da Schmerzen?“

„Nein.“

„Und dieser Blackout kündigte sich auch nicht irgendwie an?“

„Nein, er kam ganz plötzlich.“

Nachdenklich massierte der Arzt sein Kinn. „Merkwürdig. Höchst merkwürdig.“

„Wie geht es nun weiter?“, wollte Robert wissen.

„Mein Ehrgeiz lässt nicht zu, dass ich aufgebe“, beharrte Doktor Hulke. „Wir werden einige Tests wiederholen. Heutzutage ist der Körper eines Menschen kein Geheimnis mehr für uns Mediziner. Wir können in die Patienten hineinsehen, ohne sie aufschneiden zu müssen.“

„Ich bin froh, dass ich in diesem Jahrhundert lebe“, erwiderte Robert grinsend.

„Ich schlage vor, dass Sie für den Rest der Woche zur Beobachtung dableiben.“

„Was versprechen Sie sich davon?“

„Vielleicht haben wir Glück, und Sie kriegen diesen Blackout bei uns wieder. Unter Umständen können wir dann herausfinden, wodurch er ausgelöst wurde.“

„Aber Sie sind sich nicht sicher.“

„In Ihrem Fall befinden wir uns auf medizinischem Neuland, Herr Tillmann. Wir haben keine Erfahrungswerte, auf die wir zurückgreifen können. Wie gesagt, wir können die Tests nur wiederholen und auf ein positives Ergebnis hoffen.“

Robert schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht zur Beobachtung hierbleiben, Doktor“, sagte er entschieden.

„Sie nehmen uns die Möglichkeit, doch noch darauf zu kommen, was Ihnen fehlt“, sagte der Arzt sichtlich enttäuscht. „Ich kann Sie natürlich nicht zurückhalten. Wenn Sie gehen wollen, muss ich Sie gehen lassen. Aber das würde ich mir an Ihrer Stelle noch einmal reiflich überlegen. Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit Ihrem Wagen, und dieses Unwohlsein überkommt Sie. Damit gefährden Sie nicht nur Ihr eigenes Leben, sondern unter Umständen auch das anderer Menschen.“

„Trotzdem werde ich nicht zur Beobachtung hierbleiben“, wiederholte Robert.

Doktor Hulke zuckte mit den Schultern. „Sie müssen wissen, was Sie tun“, sagte er ernst.

„Wenn es mir besser passt, stelle ich mich Ihnen und Ihrem Team gerne noch einmal zur Verfügung.“

Doktor Hulke gab sich damit zufrieden. Er verabschiedete sich und verließ aus Zimmer. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, sprang Robert aus dem Bett. Katharina sah ihn mit großen Augen an.

„Hältst du wirklich für eine gute Idee?“, fragte sie.

„Natürlich, du hast es doch gehört. Doktor Hulke hat mir bescheinigt, dass es keinen gesünderen Menschen als mich gibt. Das heißt, dass ich wieder nach Hause kann.“

„Aber dieser Blackout ...“

„Vielleicht kehrt er nie mehr wieder.“

Er öffnete den Schrank und zog sich an. Wenige Minuten später verließen sie das Krankenhaus.

„Versprich mir trotzdem, dass du während meiner Abwesenheit vorsichtig bist“, sagte Katharina, während sie in den Wagen stieg.

„Natürlich bin ich das. Du kennst mich doch.“

„Eben.“

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