Читать книгу Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis - A. F. Morland - Страница 53
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An diesem Abend wollte im Restaurant des Marsala-Hotels keine heitere Stimmung aufkommen. In kleinen Gruppen saßen die deutschen und italienischen Kollegen zusammen und diskutierten den Mord an Jannick Wolfe. Katharina Ledermacher hockte an der Bar. Hin und wieder sah sie zu Eckard Joswig hinüber, der finster in sein halbleeres Whiskyglas starrte.
Commissario Stefano Cariddi hatte alles getan, um dem geheimnisvollen Mörder auf die Spur zu kommen. Das gesamte Filmgelände war abgesucht worden. Jeder, der sich zur Tatzeit dort aufhielt, musste sich einer intensiven Befragung unterziehen. Jedes Alibi wurde genau überprüft. Doch vom Täter fehlte jede Spur. Trotzdem war Katharina davon überzeugt, dass der Mörder unter den Filmleuten zu finden war. Allerdings rätselte sie immer noch über das Motiv. Wollte jemand die Fertigstellung des Films verhindern?
Gegen diese Theorie sprachen jedoch der Diebstahl der Filmrollen und die darauffolgende Erpressung. Natürlich konnte es sich auch um einen Racheakt handeln. Vielleicht hatte der Kerl in dem blauen BMW die gesamte Beute behalten, und der Komplize versuchte nun auf diese Weise, an das Geld zu kommen. Doch Katharina bezweifelte diese Theorie. Vielleicht war die Lösung ganz simpel.
Sie wandte den Kopf, als sich Sophie Rosenbruck auf den Hocker neben ihr setzte. In ihrer Hand hielt sie ein Cocktailglas mit einer roten Flüssigkeit. Sie nippte daran und verzog das Gesicht.
„Wissen Sie, woher der Cocktail seinen Namen hat?“, fragte die junge Frau.
Katharina schüttelte den Kopf.
„Übersetzt bedeutet Cocktail Hahnenschwanz, vom englischen cock, Hahn, und tail, Schwanz“, erklärte Sophie. „Angeblich soll in einer amerikanischen Bar einst ein hohler Keramik-Hahn gestanden haben, in den der Barkeeper alle übriggebliebenen Drinks kippte. Die so entstandene Mixtur zapfte er in Gläser ab und verkaufte sie zum Sonderpreis. Die Drinks sollen sehr gefragt gewesen sein.“
„Aha“, meinte Katharina.
„Glücklicherweise sind die Drinks heutzutage immer frisch geschüttelt oder gerührt.“
Abermals trank Sophie einen Schluck aus dem Glas. „Tja, das war‘s dann wohl“, sagte sie nach einer Weile. „Ab morgen kann ich wieder zum Arbeitsamt gehen.“
„Haben Sie keine anderen Angebote?“, fragte Katharina.
„Ich hatte welche. Doch die habe ich alle für diesen Film sausen lassen. Es waren zwar nur Nebenrollen, aber besser als nichts.“
„Das tut mir leid.“
Sophie zuckte mit den Schultern. „Warum? Es ist doch nicht Ihre Schuld.“ Sie deutete mit dem Kopf zu Simon Struck hinüber. „Auch für ihn ist es ein harter Schlag. Er ist jetzt ebenfalls arbeitslos. Schließlich war er komplett auf seinen Doppelgänger eingestellt. Obwohl ...“
„Ja?“, fragte Katharina.
„Eine Möglichkeit gäbe es vielleicht doch, um das Projekt zu retten.“
„Welche?“, fragte die Detektivin, obwohl sie genau wusste, worauf Sophie hinauswollte.
„Ich kenne Simon schon einige Zeit“, sagte sie. „Und ich bin davon überzeugt, dass er den Film zu Ende drehen kann, ohne dass das Publikum den Schwindel bemerkt. Ich habe schon viele Stunden mit ihm zusammengearbeitet und kann ganz gut beurteilen, dass mehr in ihm steckt, als er bisher zeigen konnte.“
Sieh mal an, dachte Katharina. Der schlaue Kerl hat sich an die Hauptdarstellerin herangemacht, um seine Ziele zu erreichen. Und Sophie? Hatte sie sich in den Stuntman verliebt? Joswig hatte ihm jedes schauspielerische Talent abgesprochen. Und er musste es schließlich wissen.
Katharina sah Sophies forschenden Blick. „Ich bin weder die Regisseurin, noch die Produzentin des Films“, sagte sie ausweichend. „Ich kann so etwas nicht entscheiden.“
„Das verlangt ja auch keiner von Ihnen“, erklärte die junge Frau. „Aber Sie könnten Joswig davon überzeugen, dass es einen Versuch wert ist. Und für uns wäre es eine Chance, im Geschäft zu bleiben.“
„Ich werde mal sehen, was er von der Sache hält“, meinte Katharina.
„Aber sagen Sie ihm nicht, dass ich den Vorschlag gemacht habe.“
Katharina nickte und ging zu dem Produzenten hinüber, der immer noch in sein Glas starrte.
„Ich überlege gerade, vor welchen Zug ich mich werfen soll“, sagte Joswig, als er Katharina neben sich bemerkte.
„Am besten, vor gar keinen. Mir liegt viel daran, dass die Versicherung keine weiteren Verluste erleidet. Weshalb drehen Sie die fehlenden Szenen nicht mit Simon Struck zu Ende? Dann wäre allen geholfen.“
Joswig verzog das Gesicht.
„Simon ist ein ausgezeichneter Stuntman, aber ihm fehlen die schauspielerischen Fähigkeiten, die Jannick hatte. Wenn ich ihn die Rolle zu Ende spielen ließe, würde das Publikum die Umbesetzung merken, und der Film wäre ein Flop.“
„Oder auch nicht“, entgegnete Katharina. „Sie kennen das Publikum vermutlich besser als ich, aber der Mord an Jannick Wolfe wird mit Sicherheit einen großen Wirbel verursachen. Deshalb glaube ich, dass jeder den letzten Film mit ihm und seinem Nachfolger sehen will.“
Der Produzent blickte Katharina eine Weile schweigend an. „Klingt gar nicht so dumm, was Sie da sagen“, gab er schließlich zu. „Ich werde mich wohl doch nicht vor einen Zug werfen, sondern erst einmal mit dem Regisseur reden.“
Er rutschte vom Barhocker, nickte Katharina zu und verschwand nach draußen. Nachdenklich kehrte Katharina auf ihren Platz neben Sophie zurück.
„Ich glaube, es hat bei ihm eingeschlagen“, sagte die Detektivin.
„Das haben Sie großartig gemacht.“
„Finden Sie?“
„Aber ja.“
Sophie stand auf und verabschiedete sich. „Ich werde ins Bett gehen. Morgen wird bestimmt wieder ein anstrengender Tag.“
„Okay, gute Nacht“, sagte Katharina.
„Gute Nacht.“
Katharina blieb noch einige Zeit an der Bar sitzen. Dann ging sie ebenfalls auf ihr Zimmer. Weit mehr als Jannick Wolfes Tod beschäftigte sie im Moment die Frage, wie es wohl Robert gehen würde. Hatte man ihn inzwischen aus der Charité entlassen? Ihr Blick fiel auf das Telefon, das auf dem Nachttisch stand. Vielleicht sollte sie ihn anrufen. Katharina setzt sich aufs Bett, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer seiner Wohnung. Nach dem fünften Klingeln wurde abgenommen.
„Tillmann.“
„Hallo, Schatz, ich wollte mich mal erkundigen, wie es dir geht. Ist alles in Ordnung?“
„Natürlich.“
„Wann wurdest du entlassen?“
„Heute Vormittag.“
„Und?“
„Was meinst du?“
„Haben die Ärzte endlich herausgefunden, was dir fehlt?“
„Nein. Ich soll in ein paar Wochen noch einmal wiederkommen.“
„Und dann?“, fragte Katharina.
„Keine Ahnung. Vielleicht geht der ganze Zirkus noch einmal von vorne los.“
„Ach du lieber Himmel.“
„Und wie läuft es bei dir?“, erkundigte sich Robert.
„Am Set hat es einen Mord gegeben.“
„Einen Mord?“, wiederholte er erstaunt.
In wenigen Worten berichtete Katharina, was sich ereignet hatte.
„Das ist ja furchtbar“, sagte Robert. „Pass bloß auf dich auf.“
„Keine Sorge, das mache ich. Aber pass du auch auf dich auf.“
„Du kennst mich doch.“
„Ja, eben.“ Sie stieß ein helles Lachen aus. „Okay, ich werde dann mal Schluss machen, sonst wird die Telefonrechnung zu hoch. Und ich weiß nicht, ob mein Auftraggeber damit einverstanden ist.“
„Als Filmproduzent wird ihn so ein Auslandsgespräch schon nicht arm machen. Solche Leute haben doch genug Geld.“
„Na ja, trotzdem ...“
„Ich verstehe“, meinte Robert. „Okay, dann mach‘s gut.“
„Du auch.“
Katharina legte den Hörer auf den Apparat und ging ins Badezimmer. Sie entkleidete sich und duschte ausgiebig. Müdigkeit überkam sie. Kein Wunder, sie hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. Sie gähnte herzhaft, zog ihren Pyjama an und streckte sich im Bett aus. Schlafen konnte sie jedoch nicht. Unruhig wälzte sich die Detektivin im Bett hin und her. Immer wieder ging ihr der Mord an Jannick Wolfe durch den Kopf. Wer hatte ein Interesse daran, den Action-Star zu ermorden? Katharina schaltete den Fernseher ein, in der Hoffnung, sich damit ablenken zu können.
Doch das Gegenteil war der Fall. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines gutaussehenden Mannes. Katharina erkannte ihn sofort wieder. Sie wäre auch ohne das eingeblendete Insert darauf gekommen, dass es sich um Jannick Wolfe handelte. Obwohl sie kein italienisch sprach, verstand sie auch so, dass es um den Mord auf dem Filmgelände ging. Es folgten Fotos vom Tatort. Ein Filmbericht wurde eingeblendet. Die Schauspielerin Sophie Rosenbruck sprach mit dem Reporter des Fernsehsenders. Immer wieder unterbrach sie sich und weinte.
„Es ... es war so grauenvoll“, stammelte sie. „Ich werde dieses Erlebnis nie vergessen ...“
Sie wandte sich von der Kamera ab. Irgendjemand nahm sich ihrer an. Katharina konnte nur die Hände des Betreffenden sehen. Man holte Eckard Joswig vor die Kamera. Er wirkte gefasst, aber seine Stimme bebte merklich, als er die Ereignisse aus seiner Sicht schilderte. Danach erschien der Nachrichtensprecher und verlas die nächste Meldung.
Katharina nahm die Fernbedienung und schaltete durch die anderen Programme. Bei einer Musiksendung blieb sie hängen. Es dauerte jedoch nicht allzu lange, bis sie eingeschlafen war.