Читать книгу Gefährliche Nächte für Killer: Krimi Koffer 10 Thriller - A. F. Morland - Страница 72
21
ОглавлениеDer Club 21 öffnete um einundzwanzig Uhr.
Eine halbe Stunde später traf Bount Reiniger in der New Chambers Street ein. Über die nahegelegene Brooklyn Bridge schob sich eine nicht enden wollende Lichterkette. Der Club war von lichtstarken Scheinwerfern angestrahlt und nur von einem Blinden zu übersehen. Die Attraktionen, die das Lokal zu bieten hatte, wurden in großen Schaukästen angepriesen.
Bount sah halb bis ganz nackte Girls mit hier ein bisschen Flitter und dort ein wenig Straß. Aufgedonnert wie die Puppen aus den Shows von Las Vegas. Ein eingefrorenes Lächeln auf den korrekt geschminkten Lippen. Hervorragend gewachsen, aber doch nicht absolute Spitze, sonst hätten sie nicht im Club 21 aufzutreten brauchen.
Vor dem pompösen Eingang stand ein Mann in Phantasieuniform. Er sah Charles Laughton ähnlich und sein Blick ging jedem Gast wie ein Röntgenstrahl unter die Kleidung, direkt hinein in die Brieftasche.
Bei Bount gab es keine Schwierigkeiten. Bount Reiniger wurde für würdig befunden, im Club 21 aufgenommen zu werden.
„Guten Abend, Sir“, sagte der Türsteher mit einer dumpfen hohlen Stimme. Er klappte die Glastür für Bount auf und Bount Reiniger trat ein.
Auf der kleinen Bühne zeigten gerade zwei Artisten, was man Tag für Tag im Fernsehen vorgesetzt bekommt. Sie jonglierten mit Tellern, verrenkten dabei die Glieder, standen Kopf, mühten sich redlich ab, zeigten aber im Grunde nichts anderes als das, was man schon hundertmal gesehen hatte. Der Applaus fiel dementsprechend dürftig aus.
Bount setzte sich an einen Tisch für zwei Personen.
Ein Mädchen im Schwimmkostüm rauschte heran. Sie war blond, schlank und sah im ungewissen Licht sehr gut aus, obwohl sie nicht mehr die Jüngste war. Ihr Lächeln deckte um die Augen viele kleine Fältchen auf. Bount schätzte sie auf vierzig.
„Was darf es sein?“, fragte sie mit einer rauchigen Altstimme.
„Johnnie Reiniger“, verlangte Bount.
Die Puppe machte kehrt und sie sah auch von dieser Seite noch recht appetitlich aus.
Das Lokal war ziemlich voll. Die Gäste zählten größtenteils zum Mittelstand. Nur bei wenigen schlug Bounts Geigerzähler nach unten aus.
Er bekam seinen Drink, bezahlte ihn mit einem Zwanziger und ließ sich nichts zurückgeben. Das Service-Girl bedachte ihn daraufhin mit einem dankbaren Lächeln, das ausnahmsweise sogar die Augen erreichte. Bount fragte: „Wie muss ich es anstellen, um ein paar Worte mit dem Chef dieses Lokals sprechen zu können?“
„Nichts leichter als das. Sie brauchen nur dort am Tresen vorbeizugehen. Sehen Sie die Tür?“
„Ja.“
„Dahinter befindet sich ein Gang mit vier Türen. Die erste Tür rechts, das ist das Büro des Chefs. Ich hoffe, Sie wollen sich nicht über die Bedienung beschweren.“
Bount schmunzelte. „Wie kommen Sie darauf? Ich fühle mich von Ihnen bemuttert.“
„Es gibt Leute, die mögen das nicht.“
„Ich schon.“
Bount trank zuerst seinen Whisky aus, damit der Drink während seiner Abwesenheit keinen Liebhaber finden konnte. Auf der Bühne tauchte ein quirliger Conferencier auf und veranstaltete ein Quizspiel, bei dem zahlreiche kleine Preise zu gewinnen waren.
Bount wollte sich erheben.
Da merkte er, dass er aus irgendeiner Richtung intensiv angestarrt wurde. Seine Augen machten sich sofort auf die Suche. Er sah viele Gesichter. Sie waren alle der Bühne zugewandt nur eines nicht... In Bounts Kopf klickten sofort die Relais.
Dunkle Augenbrauen, fein geformte Nase, kleiner Mund, rundes Kinn und vor allem eine dunkelrote wulstige Narbe knapp unter dem braunen Haaransatz... Dieses Antlitz sah Bount an diesem Abend nicht zum ersten Mal. Der Bursche hieß Quirley Parsons. Es gab viele Leute, die ihn gut genug kannten, um zu wissen, dass es nicht ratsam war, ihm in einer dunklen Straße zu begegnen.
Parsons machte für Geld so ziemlich alles. Wenn die Kasse stimmte, konnte sich jeder an ihn wenden und ihn bitten, dieses oder jenes Verbrechen schnell und diskret zu erledigen. Wenn es verlangt wurde, verdrosch Quirley Parsons alte Menschen. Er kidnappte Kinder oder mischte bei einem Einbruch mit. Man sagte ihm nach, er wäre ein äußerst tüchtiger Allround-Mann, und das stimmte in gewisser Weise, denn im Verhältnis zu den Verbrechen, die Quirley Parsons schon begangen hatte, war sein Vorstrafenregister erstaunlich klein.
Als sich ihre Blicke trafen, sah Parsons hastig weg.
Er kaute nervös Gummi und tat so, als würde er sich auf das konzentrieren, was der Mann auf der Bühne zeigte. In Wirklichkeit schielte er immer wieder beunruhigt zu Bounts Tisch herüber. Bount Reiniger musste annehmen, dass Parsons seinen Stecken in jüngster Vergangenheit mal wieder besonders dreckig gemacht hatte.
Egal, was dabei herauskommen würde, Bount wollte die Gelegenheit nicht ungenützt lassen, mit Quirley Parsons ein paar Takte zu plaudern. Als er sich mit dieser Absicht erhob, zuckte der Ganove zusammen, blickte sich gehetzt um und setzte sich im selben Moment in Bewegung, wo Bount Reiniger den ersten Schritt in seine Richtung machte.
Grund genug für Bount, das Tempo zu forcieren.
Er schlängelte sich zwischen den Tischreihen hindurch.
Parsons setzte sich zu den Waschräumen ab. Er schien sich im Club 21 gut auszukennen, war bestimmt nicht zum ersten Mal hier und wusste, wohin er sich wenden musste, wenn er verduften wollte.
Ein baumlanger Bursche, so früh am Abend schon sternhagelvoll, stieß auf halbem Weg mit Bount zusammen und wollte sogleich Stunk machen. Er maulte: „He, Mann, können Sie denn nicht aufpassen? Was ist denn das für eine Art? Sie hätten mich beinahe umgerannt.“ Er ballte sofort die Fäuste. Sein glasiger Blick stach in Bounts Augen. Er fletschte die Zähne, als wollte er Bount den Kopf mit einem Schnapp abbeißen. „Ich verlange von dir, dass du dich entschuldigst, Bürschchen!“, knurrte er ganz hinten in der Kehle.
Bount war es wichtiger, Quirley Parsons nicht entkommen zu lassen, als auf die Provokation einzugehen, deshalb sagte er schnell: „Verzeihen Sie. Mir tut dieses Missgeschick aufrichtig leid.“
Danach schob sich Bount Reiniger an dem mit offenem Mund enttäuscht Gaffenden vorbei. Der um seine Schlägerei geprellte Betrunkene bellte hinter Bount her: „Feigling! Jetzt rennt der Dreckskerl auf die Toilette, um seine Unterwäsche zu reinigen!“
Bount beachtete den Kerl nicht weiter.
Der Zusammenstoß hatte ihn kostbare Zeit gekostet.
Quirley Parsons war nicht mehr zu sehen. Bount legte einen Zahn zu und erreichte die Waschräume. Von dort gelangte man zum Notausgang. Bount wäre bereit gewesen, um seinen rechten Arm zu wetten, dass Parsons sich für diesen Ausgang entschieden hatte.
Augenblicke später erreichte Bount den Notausgang. Quirley Parsons hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn hinter sich zu schließen. Ein zusätzlicher Beweis dafür, dass ihn sein schlechtes Gewissen zu größtmöglicher Eile angestachelt hatte.
Bount trat in einen rechteckigen finsteren Hinterhof.
Seine Augen gewöhnten sich rasch an die herrschende Dunkelheit. Irgendwo ritt Kavallerie über den Fernsehschirm. Hufgetrappel. Schmetternde Trompetensignale. Schüsse. Indianergeheul... Einer von den vielen amerikanischen Heimatfilmen.
Links neben der Tür türmten sich Plastikkisten mit leeren Flaschen. Vor allem Rick Brannons Limonaden waren hier stark vertreten. Bount blieb kurz stehen und lauschte. Ein Ventilator summte störend laut. Bount angelte sicherheitshalber die Automatic aus dem Schulterholster, damit Quirley Parsons auf keine dummen Gedanken kam. Er entsicherte die Waffe und schlich mit angespannten Nerven durch das finstere Rechteck.
Wieder eine offene Tür.
Und dahinter Motorengebrumm. Gleich darauf pfeifende Pneus. Ein Wagen schoss mit großer Geschwindigkeit die Straße entlang. Bount startete und als er seinen Fuß auf den schmalen Gehsteig setzte, sah er gerade noch das kurze Aufflammen von zwei Bremslichtern. Ein dunkler Chevrolet fegte um die Ecke und war in der nächsten Sekunde bereits nur noch zu hören, aber nicht mehr zu sehen.
Parsons hatte es vorgezogen, das Feld rechtzeitig zu räumen.
Weshalb er das getan hatte, hoffte Bount vom Besitzer des Club 21 zu erfahren.