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Alle Wehwehchen waren schlagartig vergessen.

Siedend heiß rollte Bounts Blut durch die Adern. Er hob die Hände, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Der Killer erhob sich. Er ließ Bount Reiniger keine Sekunde aus den Augen. Sein grell geschminkter Mund bildete eine grausame Linie. Er hatte viel Rouge auf den Wangen und seine Augen waren so schwarz umrandet, als hätte er durch ein rußgeschwärztes Rohr geguckt. Die Blondhaarperücke war weit in die Stirn frisiert.

Harry Prentiss, der Nachtportier jener billigen Absteige, in der Booger das Leben verloren hatte, hatte recht. Diese Blondine war nicht im mindestens sexy. Dave Booger wäre wohl nicht auf sie hereingefallen, wenn er zu dem Zeitpunkt, wo sie sich zu ihm gesetzt hatte, nicht schon soviel Alkohol im Blut gehabt hätte.

Der verkleidete Mann näherte sich Bount mit vorsichtigen Schritten.

Bount Reiniger tippte auf Carl Kilrain. Der hatte das falsche Mädchen noch einmal losgeschickt, damit es ein zweites Mal reinen Tisch machte.

„Umdrehen!“, zischte das „Girl“

„Wozu?“, fragte Bount. „Kannst du mir nicht in die Augen sehen, wenn du abdrückst? Musste sich auch Dave Booger erst umdrehen, ehe du ihm die Schädeldecke zertrümmert hast?“

„Na schön!“, fauchte der Killer. „Dann kriegst du die Kugel eben in die Fresse, Bount Reiniger.“

„In wessen Auftrag bist du hier?“

„Ist das jetzt noch von Bedeutung?“

„Wer hat dich auf Dave Booger angesetzt?“, fragte Bount weiter. „War es Rick Brannon oder Carl Kilrain?“

Der Mörder lachte höhnisch. „Das wirst du jetzt nicht mehr erfahren. Muss verdammt bitter für einen so neugierigen Hund wie dich sein.“ Der Hahn seines Revolvers spannte sich mit leisem Knacken.

Bount wusste, dass er jetzt etwas unternehmen musste. Gleichgültig, was. Die verrückteste Tat war in diesem Augenblick gerechtfertigt, sonst würde der nächste Herzschlag bereits der unwiderruflich letzte sein.

Die Züge des Killers wurden so hart, als wären sie aus Granit gemeißelt. Seine Augen wirkten mit einem Mal so seelenlos wie Glaskugeln. Seine Miene ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er den Mord begehen würde. Als sich sein Finger am Abzug der Waffe krümmte, vielleicht einen Sekundenbruchteil früher, ließ Bount Reiniger sich blitzschnell fallen. Gleichzeitig schoss sein rechtes Bein von unten schräg nach oben. Sein Fuß traf die Schusshand des Mörders. Die Kanone flog hoch. Ein Schuss verließ brüllend den Waffenlauf. Die Kugel bohrte sich im gleichen Moment in die Decke. Ehe der Killer noch einmal feuern konnte, trat Bount Reiniger ein zweites Mal kraftvoll und präzise zu.

Daraufhin polterte der Colt zu Boden.

Boogers Mörder wurde unter der Puderschicht weiß vor Zorn. Er stürzte sich knurrend auf seinen Widersacher. Normalerweise hätte Bount mit diesem Gegner keine allzu großen Schwierigkeiten gehabt. Aber Kilrains Schläger hatten ihm fast die ganze Substanz aus dem Leib gehämmert. Es war nicht mehr viel für den wutschnaubenden Killer übriggeblieben.

Bounts Selbsterhaltungstrieb zwang ihn, die allerletzten Kraftreserven zu mobilisieren, denn es war klar, dass er diese Begegnung nicht überleben würde, wenn er den Kampf nicht gewann.

Das falsche Mädchen traf Bounts Gesicht mit den Fäusten.

Bount Reiniger versuchte, wirkungsvoll zu kontern, blieb aber in der Deckung des „Girls“ hängen. Der Bursche versetzte ihm einen Tritt. Bount krümmte sich. Der Killer wollte dasselbe noch mal machen. Aber diesmal fing Bount das hoch sausende Bein ab. Er nützte den Schwung des Gegners aus, riss das Bein noch höher. Dadurch verlor der andere das Gleichgewicht und knallte mit dem Kreuz auf den Boden. Er blieb da aber nicht liegen, sondern rollte blitzartig herum und hatte im nächsten Moment schon wieder seinen Ballermann in der Faust.

Bount trat ihm die Waffe ein zweites Mal aus der Hand. Diesmal kreiselte sie unter die Schlafcouch.

Der verkleidete Mann warf sich atemlos auf Bounts Beine. Er wollte Bount Reiniger auf diese Weise zu Fall bringen, doch Bount krachte nur gegen den Schrank, dann gelang es ihm, sich loszureißen und zum Gegenangriff überzugehen. Er schaffte das Unmögliche: Er setzte dem Killer so arg zu, dass dieser nach einigen harten Treffern die Deckung nicht mehr oben halten konnte. Ein Kinnhaken und ein Uppercut beförderten den Kerl quer durch den Raum.

Panik blitzte plötzlich in den Augen des Mörders.

Er kreiselte auf den Absätzen herum und wollte aus dem Zimmer stürmen. Bount stellte ihm ein Bein. Der Killer sauste nach vorn, landete auf dem Teppich, verlor die Perücke, zuckte sofort wieder hoch und hetzte aus dem Büro-Apartment.

Bount verzichtete darauf, hinter ihm herzujagen. Er war zu sehr ausgepumpt. Diesen Wettlauf hätte er nicht gewinnen können. Es war aber auch nicht nötig, dem verkleideten Killer nachzurennen. Bount bückte sich keuchend und hob die blonde Perücke auf. Jetzt war der Fall für ihn sonnenklar. Der Mann, der soeben wie von Furien gehetzt davon gestürmt war, hatte knapp unter dem Haaransatz eine dunkelrote wulstige Narbe gehabt.

Es lag höchstens zwei Stunden zurück, da hatte Bount Reiniger diese Narbe schon mal gesehen.

Im Club 21.

Bei Quirley Parsons.

Gefährliche Nächte für Killer: Krimi Koffer 10 Thriller

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