Читать книгу Mörderhimmel: 7 Strand Krimis - A. F. Morland - Страница 15
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ОглавлениеDer Porsche hielt vor dem fünfstöckigen Brownstone-Haus, einer Mietskaserne, die noch aus dem letzten Jahrhundert stammte. Die Adresse lag in East Harlem, wie man das Manhattan nördlich der 96. Straße nannte. Es hieß allerdings bei seinen Bewohnern eher El Barrio - das Viertel. Anderthalb Millionen Puertoricaner lebten hier, während es auf der Insel selbst gerade mal dreieinhalb Millionen waren. El Barrio war Latino-Land, unterbrochen nur von einer anglo-weißen Insel, der Columbia-University. Neben den Puertoricanern hatten sich hier auch andere Einwanderergruppen aus der Karibik und Mittelamerika angesiedelt.
Und Alberto Marias kam ursprünglich auch hier her. Obwohl er es immer als einen Makel empfunden hatte. Eine Zeitlang hatte er sich daher auch stets als Al Marias vorgestellt.
Aber seine Herkunft war nicht zu verschleiern. Sie klebte an ihm wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle. So sehr man sich auch Mühe gab, ihn loszuwerden - ein bisschen blieb immer zurück.
Jetzt lebte Alberto weiter nördlich, in der Bronx. Und er hatte das Gefühl, es endlich geschafft zu haben.
Jedenfalls sagte er sich das. Jemand, der mitten an einem Werktag nur so zum Spaß mit einem Porsche durch die Gegend fuhr, der musste es geschafft haben.
Alberto hupte. Zweimal kurz hintereinander.
Er blickte auf die Uhr.
Eigentlich war er ein bisschen spät dran.
Aber Teresa würde schon auf ihn warten.
Es dauerte nicht lange, bis sich der Eingang des Brownstone-Gebäudes öffnete. Teresa war bildhübsch, hatte langes, leichtgelocktes Haar, das ihr lang über die Schulter fiel. Den Mantel trug sie offen. Das knappe, fast hautenge rote Kleid, das ihre kurvenreiche Figur gut zur Geltung brachte, saß ihr wie angegossen. Alberto hatte es ihr gekauft. Sie stand eigentlich nicht darauf, so aufgedonnert herumzulaufen. Aber Alberto mochte es. Und darum trug sie es. Alberto stieg aus und machte ihr die Beifahrertür des Porsche auf.
Sie konnte gar nicht den Blick von dem edlen Fahrzeug abwenden.
Alberto grinste.
"Da staunst du, was?"
"Woher hast du den?"
"Spielt das eine Rolle?"
"Für mich schon."
"Quatsch nicht und setz dich rein." Er zwinkerte ihr zu. "Du musst nicht alles wissen, okay?"
Sie sah ihn nachdenklich an.
Wenig später saßen sie gemeinsam im Wagen. Die Wagenheizung sorgte für angenehme Wärme.
"Ich weiß nicht", murmelte sie.
"Was weißt du nicht? Komm, nimm erstmal eine Prise Schnee, dann wirst du etwas lockerer."
"Nein!" Ihr Tonfall hatte jetzt einen sehr bestimmten Unterton.
Alberto war überrascht.
Und etwas ärgerlich.
"Was ist plötzlich los mit dir?", knurrte er. Er griff über ihre Beine, tätschelte sie kurz und öffnete das Handschuhfach. Er fingerte ein kleines Briefchen mit weißem Pulver heraus. Etwas davon rieselte auf ihre Knie. Alberto machte sich eine Prise des Kokains auf den Handrücken und schnupfte sie dann. Er schloss die Augen anschließend für ein paar Augenblicke.
Dann sah er sie an.
"Jetzt du!"
"Nein!"
"Zier dich nicht so! Du fühlst dich easy hinterher!"
"Nein!"
Er wollte ihr das offene Plastikbriefchen an die Nase halten. Sie wandte den Kopf. "Lass das, verdammt noch mal!" Sie hob abwehrend die Hand und etwas von dem kostbaren weißen Pulver rieselte in der Gegend herum.
"Verflucht!", schimpfte er. "Meinst du, das Zeug gibt es umsonst!"
"Mein Gott, was bist du mies drauf heute, Al!", stellte Teresa fest. Sie atmete tief durch und zog sich dabei den Mantel vorne zu. Alberto wusste, was das bedeutete. Wenn sie ihm diesen Blick verwehrte, hieß das, dass sie wirklich sauer auf ihn war.
Er zuckte die Schultern.
Dann ließ er den Motor an und fuhr los. "Ich weiß auch nicht", sagte er.
"Ist irgendetwas passiert?"
"Was soll passiert sein?"
Natürlich war etwas passiert. Alberto hatte ständig das Bild des Crack-Dealers vor Augen, den er erschossen hatte. Mit dem Schnee in der Nase ließ sich das etwas besser ertragen, so hatte er gedacht. Es war nicht besser geworden.
"Vielleicht setzt du mich besser gleich wieder ab", sagte sie.
"Wieso das?"
"Mir scheint, du bist heute nicht in der richtigen Stimmung..."
"Ich dachte, wir fahren nach Midtown. Ein paar Klamotten für dich kaufen..."
"Ich habe genug Klamotten."
"Ich hätte nie gedacht, dass 'ne Braut das mal zu mir sagen würde!"
"Und ich hätte nie gedacht, mal in einem gestohlenen Porsche nach Midtown Manhattan zu fahren."
Alberto lachte heiser.
"Cool, was?"
"Dreist, würde ich sagen. Und risikoreich."
"Was wäre das Leben schon ohne Risiko, Teresa?" Alberto jagte mit dem Porsche in halsbrecherischer Manier die Straße entlang. Ein Ford musste im letzten Moment ausweichen. Alberto grinste auf eine Weise, die Teresa nicht gefiel. Seine Pupillen wurden groß.
"Lass mich raus", sagte sie unmissverständlich.
"Red' keinen Quatsch, Baby!"
"Al!"
An der nächsten Ecke riss Alberto das Lenkrad herum. Die Reifen quietschten. Das Hinterteil des Porsche schleuderte herum. Und dann trat Alberto das Gas wieder voll durch.
"Das war eine Einbahnstraße, Al!"
"Eine Abkürzung, Teresa!"
Sie verwünschte sich dafür, je in diesen Wagen gestiegen zu sein. Gleich bei der nächsten Ecke, nur ein paar hundert Meter weiter, bog Alberto erneut ein. Immerhin stimmte die Fahrtrichtung jetzt mit dem überein, was die Verkehrsplaner von New York City sich für dieses Stück Asphalt überlegt hatten.
Teresa atmete tief durch.
Das schlimmste war überstanden, dachte sie.
"Du bist unmöglich", sagte sie und wischte sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht.
"Vielleicht", sagte er. Er hatte das Gefühl, dass ihm der Adrenalinstoß gutgetan hatte, den ihm die Höllenfahrt bereitet hatte. Er hatte das vergessen können, was geschehen war. Wenigstens für ein paar Augenblicke. Und jetzt... Jetzt war er wieder vor seinem inneren Auge.
Der zuckende Leichnam.
Alles rot...
Er schloss die Augen viel länger, als man das im Straßenverkehr tun sollte. Er kniff sie förmlich zusammen und schüttelte dann den Kopf.
Du sitzt ganz schön in der Scheiße, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Und er ahnte, dass das voll und ganz der Wahrheit entsprach. Daran konnte man selbst mit reinstem Kokain nichts schön schnupfen.
"Wir machen uns jetzt einen tollen Nachmittag", sagte er.
"Al..."
"Heute Abend kann ich nämlich leider nicht."
"Warum nicht?"
Er schwieg.
Sie wusste, worum es ging. Immer, wenn er auf diese Weise schwieg, ging es darum.
"Du triffst dich mit ihnen - nicht wahr?"
"Na, und? Allein bist du nichts, Teresa. Ein Stück Dreck, ein Fußabtreter... Aber wenn du zu ihnen gehörst, dann..." Er sprach nicht weiter.
In Gedanken vollendete er seinen Satz. Dann musst du bereit dazu sein, ein Killer zu werden...
Er schluckte.
"Hat es was mit der Sache von heute Morgen zu tun? Am Lincoln Tunnel? Vielleicht sind euch die Cops auf den Fersen und nun wird euer allgewaltiger Joe nervös..." Er sah sie an, bis er die Ampel erreichte. Dann stoppte er den Porsche ziemlich abrupt.
"Wovon redest du?"
"Hörst du denn nie Nachrichten oder siehst Lokalfernsehen?"
"Sehe ich so aus, als hätte ich für sowas Zeit?"
"Vielleicht solltest du das mal! Außerdem glaube ich nicht, dass du nichts von dieser verdammten Mutprobe wusstest, die ihr da veranstaltet habt..."
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.
"Warst du der Kerl, der auf den BMW geschossen hat? Al, es hat fünf Tote gegeben!"
Alberto kniff die Lippen zusammen. Sie bildeten jetzt einen dünnen Strich.
"Hör zu, ich will von dem Mist nichts mehr hören! Nimm Schnee, wenn du die Klappe nicht einfach so halten kannst und sei glücklich! Wir haben einen tollen Wagen und viel Geld! Also freu dich, verdammt nochmal und frag mir keine Löcher in den Bauch. Sonst hat es dich auch nur am Rande interessiert, woher das Geld kam, mit dem deine Klamotten gekauft wurden." Sie öffnete die Tür.
"Du kannst dir diesen Fummel sonstwohin stecken!", fauchte sie und stieg aus.
"Teresa!", rief er ihr etwas verwirrt hinterher. Sie sah ihm in die Augen. Die großen Pupillen sprachen für sich. Die Ampel sprang auf grün. Und irgendwo hinter ihnen hupte ein ungeduldiger Fahrer.
"Hasta la vista, Al!", sagte sie und schlug die Tür zu. Sie tänzelte zwischen den Autos hindurch bis zum Bürgersteig. Alberto war so perplex, dass er vergaß, seinen Mund zu schließen.
Dies ist eindeutig nicht mein Tag, ging es ihm durch den Kopf.