Читать книгу Mörderhimmel: 7 Strand Krimis - A. F. Morland - Страница 17

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Grau hatte sich die Dämmerung über die hässlichen Wohnblocks gelegt. Das Feuer auf dem Trümmergrundstück loderte hoch empor.

Auf der anderen Straßenseite befand sich ein fünfstöckiger Klotz, der aussah, als wäre er vom Stadium des Rohbaus übergangslos in jenes der Ruine übergegangen. Ein Bau ohne Fenster und Fassade. Die Betonelemente waren deutlich zu sehen, an einigen Stellen sogar die längst rissig gewordenen Stahlträger im Inneren. Wie die Gräten eines toten Fischs, um dessen Stücke sich längst die Katzen stritten. Irgendein Spekulationsobjekt früherer Tage, dessen Erbauer vermutlich längst im Konkurs waren.

"Der schweigt eisern", sagte Lew von der Seite her und bezog sich damit auf das Gespräch mit Rooney.

"Der Kerl hat Angst", gab ich zu bedenken. "Und er bekommt Geld..."

"Wird wohl nicht so einfach sein, diesen Donato aufzutreiben. Ganz gleich, ob er nun mit diesem Killer-Joe identisch ist, oder nicht."

"Leider wahr."

"Glaubst du, es bringt was, diesen Rooney zu beschatten, Murray?"

"Versuchen kann man's ja. Fragt sich allerdings, ob das Risiko für unseren Agenten noch im Verhältnis zu den Erfolgsaussichten steht..."

Natürlich stand fest, dass weder Lew noch ich uns hier auf die Lauer legen konnten. Denn es war ziemlich sicher, dass wir von unseren Gegnern beobachtet worden waren.

Wenn die KILLER ANGELS ihr Viertel wirklich so im Griff hatten, wie man sagte, dann konnte es gar nicht anders sein. Die ANGELS mussten um ihr Überleben willen auf der Hut sein. Denn ihre Konkurrenz würde es sich nicht ewig gefallen lassen, dass die ANGELS sie wie aufgeschreckte Hühner vor sich hertrieb und Straßenzug für Straßenzug zurückdrängte. Die Gegenreaktion würde kommen.

Früher oder später.

Und dann war hier Krieg.

Wir gingen in Richtung unseres Wagens. Irgend so ein Eckensteher mit einer viel zu großen Wollmütze verschwand in einer Türnische, als er uns sah.

"Heh, da ist einer an unserem Wagen", hörte ich Lew neben mir.

Jetzt sah ich es auch.

Hinter dem vorderen rechten Kotflügel tauchte ein schwarzer Lockenschopf kurz auf, dann duckte der Kerl sich wieder. Er hatte begriffen, dass wir ihn gesehen hatten. Lew hatte die P 226 schon aus dem Holster gezogen. Ich schlug ebenfalls Mantel und Jacke zur Seite, um zur Waffe zu greifen.

Wir schwärmten auseinander.

Lew lief in geduckter Haltung zur Straße und verschanzte sich hinter einem parkenden Buick, der mehr aus Rost als etwas anderem zu bestehen schien. Ich arbeitete mich derweil weiter den Bürgersteig entlang voran.

Der Lockenkopf tauchte wieder hervor, diesmal hinter der Motorhaube.

"Stehenbleiben! FBI!", rief ich.

Zwei dunkle Augen sahen mich an. Es war ein junges Gesicht. Der Junge war höchstens sechszehn oder siebzehn. Ich sah die Unentschlossenheit in seinen Zügen. Er war wohl noch nicht ganz so abgekocht, wie seine älteren Komplizen, mit denen er vermutlich in diesen Straßen unterwegs war.

Einen Augenblick lang zögerte er, dann rannte er davon. Er lief einfach drauflos, quer über die Straße. Ich fluchte ärgerlich vor mich hin.

Ich hasste es, eine Waffe auf halbe Kinder richten zu müssen. Andererseits durfte man sich durch die Jugend nicht täuschen lassen. Die Zahl der Kollegen, die das mit dem Leben bezahlt hatten, wuchs stetig.

Hier gab es Killer, die nicht mal volljährig waren. Und das Crack-Geld sorgte dafür, dass auch ein steter Nachschub an Waffen floss.

Ich setzte zu einem kleinen Spurt an.

Aber der Lockenkopf war schnell. Zu schnell.

Er hatte bereits die andere Straßenseite erreicht und strebte in geduckter Haltung auf die Bauruine zu. Ihn dort aufzutreiben war schier unmöglich. Jedenfalls, wenn man nur zu zweit war, wie Lew und ich. Ich atmete tief durch. Vielleicht war es mein Instinkt, der mich die Waffe nicht zurück ins Gürtelholster stecken ließ.

Lew hatte den Wagen ebenfalls erreicht und musterte das gute Stück.

"Scheint nichts zu fehlen", stellte er fest. "Vielleicht hatte wir Glück und es mit einem Anfänger in der Autoknackerbranche zu tun, Murray!"

"In dem Alter?" Ich schüttelte den Kopf. "Die sind entweder perfekt oder schon so vollgedröhnt, dass sie ein Stück Draht schon gar nicht mit ruhiger Hand in ein Türschloss hineinbekommen würden..."

"Steigen wir ein", sagte Lew.

An einem der Fenster in der großen Bauruine sah ich eine Bewegung.

Mir fiel im gleichen Moment ein, dass ich den Lockenkopf vorne, im Bereich der Motorhaube gesehen hatte.

Er wollte unseren Wagen überhaupt nicht knacken, wurde es mir einen Sekundenbruchteil später siedendheiß klar. Dann hörte ich das tickende Geräusch...

"Deckung! Lew!", rief ich und hechtete seitwärts. Lew begriff sofort und sprang zur Seite.

Ich kam hart auf dem Boden auf und rollte herum. Im selben Augenblick gab es einen ohenbetäubenden Knall. Der Wagen flog in die Luft. Eine enorme Flamme schoss in die Höhe. Die Hitzewelle war mörderisch.

Unser Wagen war nach wenigen Sekunden nichts weiter, als ein Haufen verkohltes Blech.

Ich drehte mich herum und versuchte mich wieder hochzurappeln. Ich sah zu Lew hinüber, der nicht ernsthaft verletzt zu sein schien.

Und dann sah ich den roten Punkt auf meiner Schulter. Ein roter Lichtpunkt, der unruhig hin und her wanderte. Ich wusste nur zu gut, worum es sich handelte.

Der Laserpointer eines hochmodernen Sturmgewehrs, mit dem sich punktgenau zielen ließ.

Der Schütze musste in irgendeinem der Fensterlöcher auf der anderen Straßenseite lauern.

Ich warf mich blitzartig zur Seite. Der Schuss streifte meinen Mantel und zerfetzte das Schulterpolster. Ich verschanzte mich hinter zwei überquellenden Mülltonnen, aus denen ein bestialischer Gestank drang. Kurz hintereinander wurden weitere Schüsse auf Lew und mich abgefeuert. Und die Mülltonen waren kein wirklicher Schutz. Die Projektile gingen so glatt durch das Blech, dass man hinterher vielleicht den Eindruck haben konnte, als hätte die Tonne versehentlich unter einer Stanzmachine gelegen.

Ich feuerte zurück.

16 Schuss konnte man mit der P 226, der offiziellen Dienstwaffe des FBI verschießen.

Mit dem Visier ließ sich sehr gut zielen.

In einem der Fensterlöcher sah ich Mündungsfeuer aufblitzen und schoss dorthin. Lew feuerte auch.

Ein Feuerstoß folgte.

Zwanzig Schüsse innerhalb von zwei Sekunden. Ich presste mich an den Boden, während die Kugeln über mir durch den Mülleimer hindurchfetzten. Der Deckel tanzte auf der Tonne und ging dann scheppernd zu Boden.

Lew befand sich in einer etwas besseren Lage.

Er hatte Deckung hinter einem der parkenden Wagen gefunden. Und der fing jedenfalls den Großteil des Bleiregens ab. Lew feuerte einen Schuss nach dem anderen.

Auf der anderen Seite verebbte der Geschosshagel. Wahrscheinlich nur für kurze Zeit. Bis ein Magazin ausgewechselt war oder der Schütze sich in eine bessere Schussposition gebracht hatte.

Ich zögerte nicht lange.

Lew blickte zu mir hinüber.

"Los!", rief er.

Aber da war ich längst auf den Beinen. Ich hatte mich aufgerappelt und stürmte in geduckter Haltung los. Die erste Etappe ging bis zur Nische einer Haustür, dann zielte ich kurz und feuerte dorthin, wo ich den Schützen zuletzt gesehen hatte. Die Antwort kam postwendend. Die Kugeln kratzten am Putz und ließen mehr als zwei Händevoll davon zu Boden rieseln.

Ich nutzte die Gelegenheit, mein Magazin nachzuladen. Dann feuerte ich erneut.

Ein Schrei war aus dem Fensterloch heraus zu hören. Er war ziemlich laut und hallte in dem leeren Gebäude wider. Es kam kein Schuss mehr.

Ich duckte mich und lief zu Lew.

"Da hat es jemanden erwischt!", meinte er.

"Scheint, als würde irgendjemand unseren Besuch hier nicht besonders schätzen!", erwiderte ich.

"Fragt sich nur, ob die Brüder uns mit ihrer Konkurrenz verwechselt haben, oder ganz gezielt uns vertreiben wollen."

"Das werden wir vielleicht nie erfahren..." Lew griff zum Handy und rief die Zentrale an, deren Nummer er im Menue des Geräts einprogrammiert hatte. Er forderte Verstärkung an.

Dann klappte er das Gerät wieder zu.

"Unsere Leute sind unterwegs", erklärte er. Ich sah ihn an.

"Gib mir Feuerschutz", verlangte ich.

"Was?"

"Ich will wissen, wer das war!"

"Murray, das ist Wahnsinn!"

"Komm schon! Wir stochern doch hier bislang nur im Nebel herum... Und wenn wir in dieser Sache nicht bald einen gewaltigen Fortschritt machen, dann eskaliert hier die Situation..."

Ich wartete Lews Antwort nicht ab.

Statt dessen erhob ich mich und spurtete los.

Ich rannte die Straße entlang. Durch die parkenden Wagen hatte ich zumindest etwas Deckung. Und Lew passte auf. Er beobachtete, ob sich auf der anderen Seite etwas tat und würde sofort feuern, wenn das der Fall war. Aber natürlich konnte man nicht alle Fenster der Ruine auf einmal im Auge behalten. Das war unmöglich.

Ein gewisses Risiko war also dabei.

Ich versuchte auf das rote Leuchten eines Laserpointers zu achten. Unser Gegner war verdammt gut ausgerüstet. Ich rannte bis auf die Höhe eines Grundstücks, auf dem Feuer brannte.

Die Männer, die zuvor um das Feuer gestanden hatten, hatten sich verzogen. Aus sicherer Entfernung beobachteten sie jetzt vermutlich, was weiter vor sich ging. Ich überquerte die Straße. Einen weiten Bogen hatte ich um die Ruine geschlagen. Das war meine einzige Chance.

Ich bog in eine schmalere Seitenstraße ein.

Und dann pirschte ich mich zu dem unverputzten Gemäuer hin, presste mich an die Wand und blickte mich um. Die P 226 hatte ich dabei stets schussbereit im Anschlag.

Wenige Augenblicke später stand ich an der Ecke und konnte die Rückfront der Ruine überblicken. Ein asphaltierter Platz befand sich dort.

Ein Motorengeräusch heulte auf.

Ich sah gerade noch, wie jemand in einen weißen Porsche stieg, dessen Fahrer das Gas voll durchzutreten schien. Der Porsche raste los.

Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich das Gesicht des Fahrers.

Ein G-man muss ein Gedächtnis für Gesichter haben, sonst ist man in unserem Job aufgeschmissen. Alles kann einem der Computer nicht abnehmen.

Dieses Gesicht erkannte ich sofort wieder.

Es gehörte Alberto Marias, dem jungen Kerl, den ich in der Nähe des Hauses gesehen hatte, in dem die Borinsky-Brüder erschossen worden waren.

Unsere Blicke begegneten sich für einen winzigen Moment und ich wusste, dass auch er mich wiedererkannt hatte. Ich hob die P 226.

Alberto riss das Steuer des Porsche herum. Der Wagen drehte sich mit quietschenden Reifen und fuhr davon. Quer über einen schlecht gepflegten Grünstreifen, der inzwischen nur noch eine Mischung aus Unkraut-Ökotop und Abfallhaufen war. Aus dem Fenster der Beifahrertür ragte ein Gewehrlauf. Im nächsten Moment wurde gefeuert. Ich ging in Deckung. Als der schlecht gezielte Feuerstoß verebbt war, tauchte ich wieder hinter der Ecke hervor und versuchte mein Glück.

Zwei gezielte Schüsse auf den rechten Hinterreifen. Der Fahrer war ein Profi.

Er ließ den Porsche einen Haken schlagen. Die Schüsse kratzten am Asphalt und im nächsten Moment hatte der Sportwagen eine Lücke zwischen zwei Blocks durchfahren und eine Hecke niedergemäht. Dann war er auf der Hauptstraße. Unerreichbar für mich. Der Porsche brauste davon. Ich trat etwas vor und sah mich um. Es war niemand in der Umgebung zu sehen. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich ein beruhigendes Zeichen war. Mein Blick glitt hoch, die langen Reihen der Fensterlöcher entlang.

Ich fragte mich, ob der Junge mit den Locken hier noch irgendwo war. Im Porsche hätte er keinen Platz gehabt. Der Junge hatte zweifellos die Bombe mit dem Zeitzünder an unserem Wagen befestigt.

Auf dem Boden sah ich dann wenig später etwas Dunkelrotes. Blut.

Frisches Blut. Eine richtige Spur führte aus der Bauruine bis zu jener Stelle, an der ich einen Mann in den Porsche hatte einsteigen sehen über den Asphalt. Offenbar war der Schütze verletzt. Aus den Augenwinkel heraus nahm ich dann eine Bewegung war. Sie kam aus der Bauruine. In der Nähe einer Türöffnung war irgendetwas.

Jemand.

Ich wirbelte herum, riss die Pistole hoch.

In der nächsten Sekunde ließ ich sie wieder sinken. Lews Gestalt zeichnete sich im Halbdunkel ab, das im Inneren der Ruine herrschte.

"Alles in Ordnung, Murray?"

Ich zuckte die Achseln.

"Wie man's nimmt!"

In der Ferne waren bereits die Sirenen der City Police-Einheiten zu hören, die man uns hier her geschickt hatte. Unsere eigenen Leute würden etwas länger brauchen, um uns zu erreichen. Aber immerhin brauchten wir nicht zu Fuß zur Federal Plaza zurücklaufen.

Mörderhimmel: 7 Strand Krimis

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