Читать книгу Die Gier und der Tod: Kripow & Kripow - Herr Doktor und die Polizei - A. F. Morland - Страница 12

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„ Guten Morgen, Frau Fischer“, sagte Doktor Alexander Kripow. Er gab ihr die Hand und wies auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. „Bitte setzen Sie sich. Was kann ich für Sie tun?“

„ Ich habe im letzten Jahr eine lästige Allergie bekommen“, antwortete Verena Fischer. „Nun steht ein neuer Urlaub vor der Tür und ich mache mir Sorgen, dass die Beschwerden wieder auftreten könnten. Sobald ich auch nur für fünf Minuten in die Sonne gehe, bilden sich an den Stellen, die nicht vom Badeanzug bedeckt werden, hässliche Blasen und Knötchen auf meiner Haut. Wenn ich für zwei Tage die Sonne meide, ist alles wieder weg.“

„ Haben Sie voriges Jahr eine Lichtschutzsalbe benutzt?“, erkundigte sich der Arzt.

„ Ja, aber sie war wirkungslos.“

„ Nehmen Sie im Urlaub irgendwelche Tabletten?“

„ Nur eine Entwässerungstablette vor der Regel“, gab Verena zur Antwort.

„ Sonst nichts?“

„ Höchstens mal eine Kopfschmerztablette.“

Doktor Kripow ließ sich den Namen des frei verkäuflichen Medikaments geben. Danach stand seine Diagnose fest.

„ Sie leiden an einer Lichtdermatose, die durch viele, in ihrer Art ganz unterschiedliche Substanzen ausgelöst wurde, wie zum Beispiel bestimmte Entwässerungsmittel, Schmerztabletten, entzündungshemmende Präparate oder Hormonpillen.“

„ Und was soll ich nun tun?“

„ Sie sollten keine Entwässerungs- und Kopfschmerztabletten mehr nehmen. Auch Salben, die einen Lichtschutzfaktor enthalten, können einen Ausschlag verursachen. Verantwortlich dafür ist das Bergamottenöl, das in vielen Cremes und Kosmetikprodukten enthalten ist. Ich werde Ihnen eine hautverträgliche Sonnencreme und Kopfschmerztabletten verschreiben, die solch eine Reaktion mit Sicherheit nicht auslösen können.“

„ Vielen Dank, Doktor.“

„ Wo soll es denn hingehen?“, erkundigte sich der Arzt, während er seine Patientin zur Tür begleitete.

„ Nach Portugal“, antwortete Verena.

„ An die Algarve?“

„ Ja.“

„ Sehr schöne Gegend“, sagte Doktor Kripow und öffnete die Tür. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub.“

„ Danke sehr.“

Kurz darauf betrat eine große, schlanke, dunkelhaarige Frau sein Büro.

„ Hallo, Stefanie“, rief Doktor Kripow erfreut aus. Sie war eine Jugendfreundin von ihm, hatte Medizin studiert und war Chirurgin geworden. Ihr Mädchenname lautete Böhme. Vor einigen Jahren hatte sie den Finanzberater Rudi Nolte geheiratet. Kurz nach ihrer Hochzeit war sie mit ihrer Familie nach Köln gezogen und hatte in einer kleinen, mit modernsten medizinischen Geräten ausgestatteten Privatklinik gearbeitet. Die Ehe mit Rudi Nolte hielt jedoch nicht sehr lange. Schon bald erfolgte die Scheidung. Stefanie kehrte nach Hannover zurück, um noch einmal von vorne anzufangen.

Doktor Kripow deutete auf den Stuhl. „Bitte, setz dich.“

„ Vielen Dank.“

„ Wie geht es deiner Tochter?“

„ Gut. Sie ist noch unten in Köln. Sobald ich hier alles geregelt habe, kommt sie nach.“

„ Wie alt ist sie denn inzwischen?“, fragte Doktor Kripow, während er hinter dem Schreibtisch Platz nahm.

„ Fünf Jahre.“

„ Fünf?“, staunte er. „Meine Güte, wie die Zeit vergeht.“

Stefanie nickte. Ihr Blick verdüsterte sich. Sie dachte offenbar an die hässlichen Dinge, die das Leben ihr beschert hatte.

„ Keine Sorge, bald wird alles besser werden.“

„ Hoffentlich.“ Ein bitterer Zug legte sich um ihre Lippen. „Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückblicke, kann ich mich nicht gerade als Sonntagskind bezeichnen.“

„ Das wird sich bestimmt über Nacht ändern“, erwiderte Doktor Kripow. „Das Schicksal hat uns nach langer Zeit wieder zusammengeführt. Wer weiß, vielleicht fängt nun deine Glückssträhne an.“

Stefanie schüttelte den Kopf. „Glück haben immer nur die Anderen. Ich nicht.“

„ Du darfst nicht so schwarz sehen. Sei offen für die schönen Dinge des Lebens. Lass sie auf dich zukommen. Verschließe dich nicht vor ihnen.“

„ Das versuche ich ja, aber es ist nicht so einfach. Als mein Chef merkte, dass es in meiner Ehe kriselte, meinte er, mich unbedingt trösten zu müssen. Als ich ihn in seine Schranken wies, war ich meinen Job los.“

„ Keine Sorge“, meinte Doktor Kripow. „So etwas kann dir hier nicht passieren.“

Stefanie nickte. „Ich bin nur froh, dass Rudi und ich uns nicht im Bösen getrennt haben. Das wäre für Viktoria nicht gut gewesen. Rudi und ich werden Freunde bleiben.“

„ Liebt Viktoria ihren Vater?“

„ Ja. Und er liebt sie.“

„ Ist sie gern bei ihm?“

„ Ja, und er wird sie sehen können, so oft er möchte. Wenn Viktoria mal den Wunsch haben sollte, eine Zeitlang bei ihrem Vater zu wohnen, werde ich absolut nichts dagegen haben. Wir werden irgendwie eine Familie bleiben und tun, was für Viktoria das Beste ist.“

„ Und wie geht es deiner Schwester?“, fragte Doktor Kripow.

Stefanie zuckte mit den Schultern. „Ich habe sie besucht, sooft ich konnte. Aber das wird nun Rudi übernehmen.“ Sie seufzte. Petra versteht nicht, warum sie in einer geschlossenen Anstalt leben muss und sich nicht frei und ungehindert bewegen darf. Sie behauptet, sie sei nicht geisteskrank. Und wenn man sich mit ihr unterhält, ist man versucht zu glauben, dass sie völlig gesund ist. Aber die Ärzte, die sie behandeln, die sie ständig beobachten, die sich jeden Tag um sie kümmern, wissen, dass sie nicht normal ist und das es unverantwortlich wäre, sie zu entlassen. Sie wäre eine permanente Gefahr für sich und andere.“

„ Das tut mir leid“, sagte Doktor Kripow mit ehrlicher Anteilnahme.

„ Das menschliche Gehirn ist eine hochsensible Schaltzentrale“, murmelte Stefanie ernst. „Der kleinste Defekt wirkt sich verheerend auf unser gesamtes Dasein aus. Und niemand kann sich darauf verlassen, dass er für immer davor geschützt ist. Es kann jeden treffen.“

„ Wird man ihre Krankheit denn nie heilen können?“

„ Nie ist ein zu endgültiges Wort“, erwiderte die Chirurgin. „Wer weiß schon, was die Zukunft bringt, an neuen Medikamenten, an neuen Therapien, an neuen Operationsmöglichkeiten … Noch ist das menschliche Gehirn in vielen Bereichen ein undurchsichtiges Mysterium, vergleichbar etwa mit einer Landkarte mit vielen weißen Flecken. Doch wer weiß, vielleicht gelingt es eines Tages irgendjemandem all diese unbekannten Gebiete restlos zu erforschen und herauszufinden, welcher Defekt auf welche Weise zu beheben ist.“

„ Ja, vielleicht“, sagte Doktor Kripow. „Die Forschung macht ständig Fortschritte. Warum sollte es eines Tages nicht möglich sein, deiner Schwester zu helfen?“

„ Ich kann es nur hoffen.“

„ Du solltest dich jetzt erst einmal um dich und deine Tochter kümmern. Das hat Vorrang.“

„ Ja, vielleicht.“

Doktor Kripow reichte ihr die Hand. „Willkommen im Team“, sagte er.

„ Vielen Dank“, erwiderte Stefanie. „Jetzt muss ich nur noch eine Wohnung finden. Aber das dürfte nicht so einfach werden.“

„ Hm, vielleicht kann ich dir helfen.“

„ Du?“, fragte sie überrascht. „Arbeitest du nebenher noch als Makler?“

„ Nein, ich nicht, aber eine meiner Patientinnen. Frau Fischer. Bestimmt kann sie dir weiterhelfen. Ich werde mich mit ihr in Verbindung setzen.“

„ Oh, das wäre wirklich sehr nett.“

Doktor Kripow wusste, dass Stefanie Nolte eine ausgezeichnete Chirurgin war und kompetenter als viele ihrer männlichen Kollegen. Aber das Leben hatte es nicht immer gut mit ihr gemeint. Sie und ihre Zwillingsschwester Petra wurden als Kinder wiederholt vom Stiefvater missbraucht. Mit zwanzig wurde Petra von einem Herumtreiber schwanger. Als sie im sechsten Monat war, verursachte er mit dem Wagen auf der regennassen Autobahn einen schweren Unfall. Petra verlor das Kind.

Über diesen Verlust war sie nie hinweggekommen. Sie ließ sich zur OP-Schwester ausbilden. Angeblich soll sie in ihrem Beruf sehr tüchtig und ehrgeizig gewesen sein. Eines Tages starb ein Patient auf dem Operationstisch. Petra gab sich die Schuld an seinem Tod, obwohl sie nachweislich nichts dafürkonnte. Trotzdem nahm sie sich die Sache so zu Herzen, dass sie allmählich den Verstand verlor. Seitdem lebte sie in einer geschlossenen Anstalt bei Köln und war extrem suizidgefährdet.

Die Gier und der Tod: Kripow & Kripow - Herr Doktor und die Polizei

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