Читать книгу Liebeswirren auf der Bergalm: Roman Paket 9 Heimatromane - A. F. Morland - Страница 24
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Lilly und Sepp waren vor Stunden schon oben angekommen. In der Hütte sah es wirklich grauselig aus. »Die reinste Männerwirtschaft und nicht mal hübsche Gardinen«, sagte sie lachend. Sepp las in der Hauptsache die Worte von ihren Lippen. Sie hatte gelernt, langsam mit ihm zu reden. »Aber das ist doch überflüssig.«
»Nein, du sollst dich hier wohlfühlen. Wirst schon sehen, wenn ich erst mal saubergemacht hab, dann wird alles anders sein. Und die Kammer werden wir neu streichen und die Herdstelle auch. Und Bilder werde ich dir mitbringen.«
»Das wird ja dann der reinste Palast«, lachte er sie an und fühlte sich noch wohler, als sie den Kaffee aufbrühte. Holz für den Herd hatte man noch vom Vorjahr im Stall.
Da saßen sie nun um den frisch gescheuerten Holztisch. Ja, dachte Lilly, der Ignaz hat recht, hier oben ist es noch viel schöner.
»Weißt, dort droben gibt es noch einen Bergsee, das Teufelsloch nennen sie den See, weil er unendlich tief sein soll und tintenschwarz. Die Berge spiegeln sich darin, und eine kleine Jagdhütte steht auch am Rand des Sees, aber der tolle Graf kommt schon längst nicht mehr zum Jagen. Damals ist er oft gekommen, und dann ist er mit dem Ignaz auf die Jagd gegangen, nach Gemsen. Aber getroffen haben sie nie etwas«, sagte er grinsend.
Lilly machte ein erleichtertes Gesicht.
»Dann will ich mich jetzt mal um den Stall und die Anlagen kümmern. Da gibt es eine Menge zu reparieren. So ein harter Winter nagt an Scheune und Haus. Doch ich hab genug Nägel mitgebracht. Ich werde schon alles richten. Und du wirst jetzt auch wohl hier den Besen schwingen wollen, Lilly?«
Er zwinkerte ihr zu.
»O ja, und das Scheuerwasser wird auch fließen. Bald wird hier alles blitzblank sein.«
Der Mann stapfte davon.
Lilly krempelte sich die Ärmel auf.
Das junge Mädchen dachte, ich muss mich sputen. Wenn ich schnell fertig bin, vielleicht zeigt der Sepp mir dann noch die Umgebung. So arbeitete sie los und merkte gar nicht, wie die Stunden nur so verrannen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, und bald musste sie sich auch um das Mittagessen kümmern. Doch zuerst wollte sie noch die Stube fertig haben. Sie wollten ja auch hier schlafen. Als sie das einzige Bett bezog, dachte sie bei sich, ich muss dem Sepp ein ordentliches Bett im Heu machen. Decken sind ja genug vorhanden.
So merkte sie auch nicht, wie ein Mann über die Wiesen geschritten kam. Erst als er in der Tür stand und ihr so das Licht fortnahm, drehte sie sich herum und blickte ihn erstaunt an.
»Grüß Gott«, sagte Mathias und zog seinen Hut.
Lilly war ganz erstaunt, gleich am ersten Tag einen Touristen hier zu sehen. Dazu war das Wetter eigentlich noch gar nicht gut genug.
»Ja«, sagte sie etwas gedehnt, weil sie nicht wusste, was sie jetzt tun sollte.
Mathias hatte die Augen ein wenig zusammengekniffen, um besser sehen zu können. Er dachte sofort, die Mutter hat wirklich recht, sie schaut sehr hübsch aus. So ein Geschöpf, da muss man wirklich lange suchen, um so eins zu finden. Sie besitzt Anmut und Grazie. O ja, er konnte davon ein Lied singen, er kannte die jungen Mädchen von heute recht gut.
Kein Wunder, dass der Vater Feuer gefangen hat, dachte er bei sich.
»Wir sind noch nicht ganz eingerichtet, und die Kühe sind auch noch nicht hier oben. Ich kann Ihnen leider nichts anbieten«, sagte sie freundlich.
»Darf man sich setzen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte sich Mathias auf den gescheuerten Stuhl.
»Nein, ich bin kein Wanderer. Brauchst mich nicht zu befragen, ob ich etwas will«, sagte er kurz.
Der Mann kam ihr ein wenig unheimlich vor. Verstohlen blickte sie zur Tür, aber Sepp war nirgends zu sehen.
»Ich kenne dich, du bist die Lilly, nicht wahr?«
Groß und erstaunt blickte sie ihn an.
»Ja, die bin ich, aber woher? Ich meine ...«
Er lächelte kurz auf.
»Ich bin der Mathias, mich kennst noch nicht, oder hat er nie von mir gesprochen? Wird er wohl nicht, der Herr Vater!«
Unwillkürlich schoss ihr die Röte ins Gesicht.
»Sie sind sein Sohn?«, fragte sie leise.
»Ja, der bin ich. Mit mir habt ihr wohl nicht gerechnet, wie? Nun, da hat man dann ganz anderes im Sinn. Aber ich bin der Sohn.«
Sie blickte ihn ganz unbefangen an. Mathias hatte erwartet, dass sie jetzt vielleicht wütend werden würde. Nach allem was die Mutter ihm erzählt hatte, musste dieses Mädchen doch nur auf das Geld aus sein. Und er wollte es ihr vermasseln, er dachte gar nicht daran, auf seinen Anteil zu verzichten.
»Doch«, sagte sie jetzt leise, »natürlich hat Ihr Herr Vater von Ihnen gesprochen, nur hat er mir nicht gesagt, dass Sie heute zur Alm kommen würden.«
»Davon weiß der Alte auch nichts«, sagte er lachend. »Wir können uns doch ganz gut allein unterhalten?« Er zwinkerte ihr zu.
Lilly blickte ihn groß und erstaunt an. Vor ihren klaren Blicken wurde er ein wenig unsicher, er wusste nicht, wohin mit seinen Augen. Die Worte der Mutter nisteten noch immer im Herzen.
Er hatte sich eigentlich alles ganz anders vorgestellt, leichter. So ein Dirndl, das nur das Geld will, das hat doch nur eins im Sinn! Aber diese hier, die war so anders, so seltsam und dann ihre Art zu sprechen, sich zu bewegen. Wenn sie den Vater erwähnte, dann hatte er das Gefühl, als spräche sie voller Hochachtung.
Mathias war unsicher. Zum ersten Male in seinem Leben wusste er nicht, was er tun sollte. Er war mit einem bestimmten Vorsatz hinaufgekommen, aber jetzt?
»Möchten Sie zum Essen bleiben?«, fragte Lilly freundlich. »Ich richte es gleich her, zwar ist es nichts Außergewöhnliches, aber es wird schon reichen.«
Ich muss Zeit gewinnen, dachte der Bursche bei sich. Ich kann doch nicht so ohne weiteres über sie herfallen, das geht doch nicht.
»Ich nehme das Angebot an«, sagte er nur und lehnte sich mit dem Rücken an die Hüttenwand.
Lilly machte sich jetzt am Herd zu schaffen. Mathias ließ sie dabei nicht aus den Augen. Hin und wieder versuchte er ein Gespräch mit ihr, aber sie antwortete seiner Meinung nach so anders, so seltsam. Ihm war gar seltsam zumute. Obwohl er wusste, wie viel auf dem Spiel stand, er war wie gefangen, und das Schlimme an der ganzen Sache war, er fühlte sich plötzlich als ein gemeiner widerwärtiger Schuft. Irgendetwas schien an der ganzen Sache nicht zu stimmen. Dieses Mädchen war nicht so, wie die Mutter sie ihm beschrieben hatte.
Hintenherum versuchte er sie auszufragen, und das so geschickt, dass Lilly selbst nichts davon bemerkte. Aber der Sohn merkte sehr bald, dass sie den Vater wohl liebte, aber dass sie nur auf sein Wohl bedacht war und ihn sozusagen anbetete, dass sie alles für ihn tun würde, alles! Selbstlos sich opfern wollte.
Mathias saß da und fühlte einen tiefen dumpfen Stich im Herzen. Die Jugend stand vor ihm auf. Er musste zurückdenken, sah sich als kleinen Jungen und dann den Vater, der gar nicht sein Vater war, und wie nett er immer gewesen war, wie viel Mühe er sich mit ihm gegeben hatte. Aber er hatte ihn von sich gestoßen, immer. Schlagartig fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die Mutter war die treibende Kraft gewesen, so wie auch jetzt. In dieser Sekunde durchdachte er sein ganzes Leben. Und er wusste, die Mutter war böse und gemein, sie war die treibende Kraft gewesen, Ignaz hatte es nur immer gut mit ihm gemeint, immer, bis er resignierte und demütig wurde, bis er einfach zerbrochen war. Mathias hatte viel von der Mutter geerbt, aber da war auch das andere Blut. In diesen Stunden ging ihm ein Licht auf. Während er das Mädchen heimlich beobachtete, mit den bösen Gedanken im Herzen, da fühlte er, dass er sein ganzes Leben den falschen Weg gegangen war. Er hatte sich blenden lassen, war hingeschlendert, hatte sich nie viel Gedanken gemacht. Hatte nur die Jahre von dem Geld des Vaters gelebt, und jetzt wusste er sogar, dass er nicht mal sein wirklicher Vater war!
Die Scham wühlte sein Herz auf. Sie machte ihn hellsehend. In dieser Sekunde fühlte er, hier war etwas Großes, Schönes, etwas, das er selbst wohl nie erleben würde. Und er war aufgestiegen, vom Hass der Mutter getrieben, dies alles zu vernichten. Ganz klar und deutlich wusste er jetzt, was die Mutter damit bezwecken wollte. Sie wollte dem Mann das Letzte nehmen, was ihm heilig war, sie wollte es mit Füßen zertreten lassen.
Mathias war so erregt, dass er aufsprang und vor die Hütte ging. Das Blut wallte in ihm hoch.
Dieses unschuldige wunderbare Mädchen sollte er nehmen, wie eine Dirne benutzen. Hielt die Mutter ihn für so gewissenlos?
Er stöhnte wild auf. Musste sie das nicht? Nach seinem Lebenswandel, er hatte ihr immer am Rock gehangen, es war so bequem, vom Geld anderer zu leben. Und jetzt stand dieses Geld auf dem Spiel? Nein, das tat es ja gar nicht, dieses Mädchen, es würde Ignaz nie nehmen, solange die Mutter da war. Und Ignaz war auch viel zu anständig! Die Mutter wollte ihn nur vernichten, damit sie all sein Geld bekam. In dieser Sekunde ahnte er auch, dass die Mutter ihn nie geliebt hatte. Und natürlich würde sie das Geld für sich behalten, ihn wie ein kleines Hündchen halten, hin und wieder würde sie ihm ein paar Brocken zuwerfen.
Was für ein Narr war er doch. Er wäre beinahe in die Falle gegangen. Hätte große Schuld auf sich geladen.
Zum ersten Male bereute er sein Leben bitter, und er hätte vieles darum gegeben, alles ungeschehen zu machen. Er wusste in diesem Augenblick nicht, wie es weitergehen sollte. Er brauchte Geld für seine Gläubiger, er brauchte es dringender denn je.
Aber er war kein Schuft, nein, für diesen Preis konnte er es nicht tun.
Er ging in die Hütte zurück.
Lilly lächelte ihm unbefangen zu. Sie ahnte ja nicht, in was für einer Gefahr sie geschwebt hatte. Zu allen Menschen freundlich, dachte sie einfach nicht daran, dass andere sehr böse sein konnten, so wie die Frau da unten.
Er setzte sich still in eine Ecke.
»Das riecht hier aber gut«, sagte er leise.
»Ich hoffe, es schmeckt Ihnen«, erwiderte sie freundlich. Lilly zerbrach sich den Kopf, warum er hier hinaufgekommen war. Bis jetzt hatte er noch nicht gesagt, was er wollte. Und nur so heraufkommen, dazu war der Anstieg viel zu hart und schwierig.
Mathias bückte sich um, sah auch aus dem Fenster. Wie lange schon hatte er nicht mehr bewusst auf die Berge gesehen. Klar und scharfkantig standen sie gegen den blauen Himmel. Ein Greifvögel schwebte über die Almwiese, schoss dann abrupt in die Tiefe. Er mochte wohl eine Maus gefunden haben. Mathias dachte an das Leben in der Stadt, nie hatte er sich dort wohl gefühlt, nie den wirklichen Frieden gefunden. Und Mathias sah alles mit anderen Augen an. Er musste fünfundzwanzig Jahre alt werden, da wurde er wirklich sehend. Ihm war, als hätte er all die Jahre wie ein Schlafwandler zugebracht.
Vielleicht war noch nicht alles zu spät. Vielleicht konnte man noch zurück, noch einmal ganz von vorn beginnen? Und wenn er jetzt den Vater fragte, ob er hierbleiben durfte? Für eine Zeit? Aber er war doch gar nicht sein Vater!
In diesem Augenblick kam Sepp in die Hütte. Verdutzt blieb er in der Tür stehen.
»Mathias«, sagte er laut. »Was tust du denn hier?«
»Grüß dich, Sepp«, sagte er und gab ihm die Hand.
Die alten Augen blickten den Jungen scharf an. Er mochte ihn nicht leiden, wusste um dessen haltloses Leben, bis jetzt war er noch nie hier oben gewesen. Ein schneller Bück zu dem Mädchen. Mathias bemerkte das sehr wohl und dachte bitteren Herzens, auch er traut mir nicht. Jeder mutet mir eine Schlechtigkeit zu.
Seine Hände zitterten leicht, als er sich wieder setzte. Was wäre geworden, wenn er das getan hätte, was die Mutter ihm befohlen hatte?
»Willst du länger bleiben?«, fragte der Knecht.
»Könntest du mich denn brauchen?«
»Einen Städter?«, sagte Sepp verächtlich. »Hast in deinem Leben nie gearbeitet, dem Ignaz nur Schande gemacht, und was hast du jetzt vor?«
Mathias fühlte das Rot hochkriechen, und er schämte sich. »Und wenn ich mich jetzt ändere?«, fragte er leise.
Sepp nahm das Essen von Lilly entgegen und lächelte ihr zu.
»Musst es erst beweisen«, sagte er ruhig.
Lilly sah von einem zum andern, schwieg aber.