Читать книгу Liebeswirren auf der Bergalm: Roman Paket 9 Heimatromane - A. F. Morland - Страница 26
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Noch nie war ihm der Weg zur Alm hinauf so schwergefallen wie an diesem Abend. Hinzu kamen die normalen Hindernisse. In der Dunkelheit in die Berge zu steigen, auf schmalen Pfaden, von Wurzeln überzogen, Steine lösten sich immer wieder, das war wirklich nicht so einfach. Aber jetzt war auch noch die Seele des Mannes zerrissen. Die Worte der bösen Frau dröhnten ihm noch in den Ohren. Wenn Lilly, wenn er es wirklich getan hatte, wenn ...
Rote Blutschleier lagen vor seinen Augen, er konnte bald nicht mehr klar denken. Wenn man ihm das Letzte genommen hatte, das Heiligste überhaupt, dann würde sich das Leben nicht mehr lohnen. Dann war alles zu Ende, und was ja noch viel schrecklicher war, was würde dann mit Lilly geschehen? Dieses wundervolle Geschöpf? Wie würde sie es verkraften können?
In dieser Stunde, wo sein Herz voller Hass war, dachte er nur an die Frau, an das Mädchen, wie er ihr das Los erleichtern konnte.
Seine Schritte waren schnell, und das Herz pumpte fast schmerzhaft das Blut durch die Bahnen. Wollte dieser Weg denn überhaupt kein Ende nehmen? Da war schon der Gipfel, der Mond stand darüber. Klar und deutlich hob er sich von dem Nachthimmel ab. Jetzt noch eine Biegung, dann endlich lag die weite Almwiese vor ihm. Das Haus, es war erleuchtet, alles war hier oben so still. In dieser Sekunde dachte er erst an Sepp. Aber wenn der Bursche das Mädchen wirklich haben wollte, dann war der alte Mann kein Hindernis für ihn. Und Mathias war ja schlecht, schlecht. Er würde ihn töten müssen. So weit war es also gekommen. Der Vater musste den Sohn töten. Er taumelte über die weite Wiese. Er wollte schreien, ich komme, Lilly, ich komme, ich helfe dir. Aber sein Mund war wie zugeklebt, etwas Pelziges lag auf der Zunge. Mit seinem Leben würde es ein Ende haben, dort, vor der Schwelle.
Da war die Tür, Ignaz riss sie mit einem Ruck auf. Die im Raum um den Tisch saßen, das Abendbrot war gerade gerichtet worden, blickten sich erstaunt um.
Lilly sprang sofort auf. Eine zarte Röte flog über das schöne Gesicht. »Ignaz«, sagte sie leise.
Düster war sein Blick, böse und hart seine Augen. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Er wandte den Kopf zum Sohn herum. Ganz reglos saß dieser am Tisch und blickte ihn an. Er wurde weiß! Er kannte die Gedanken des Mannes.
Und auch jetzt dankte er dem Schöpfer von Herzen, dass er es nicht getan hatte, was die Mutter ihm befohlen hatte.
Noch immer war es ganz still in der Hütte. Mathias erhob sich ganz langsam, groß war er, aber nicht so stark wie Ignaz. Seine Muskeln waren weich.
»Es ist alles so, wie es sein sollte«, sagte er langsam. »Alles, ich hab es nicht getan.«
Ignaz konnte nicht aufhören, den Sohn anzustarren.
»Sonja hat«, brachte er mühsam über die Lippen, »sie hat mir gesagt ...«
Schwer fiel er auf einen Hocker und stöhnte.
»Ich weiß«, sagte Mathias ruhig. »Ich weiß, zuerst war es auch meine Absicht. Still, lass mich erst ausreden, Ignaz, lass mich endlich mit dir reden, ich flehe dich an. Ich habe dir so viel zu sagen. Und ich weiß nicht, ob ich morgen noch den Mut dazu finden werde.«
Lilly sagte: »Ich gehe so lange in den Stall. Ich muss noch das Bett richten.«
Mathias hielt sie fest. Es war das erste Mal, dass er sie berührte. »Nein, bitte, bleib hier, es geht dich auch etwas an. Sogar eine ganze Menge, Lilly. Bitte!«
Zitternd hoben sich die Lider, sie versuchte den Blick von Ignaz zu ergründen. Aber er saß wie tot auf dem Schemel. Sein Blick war so schwer, so eigentümlich. Er lügt, dachte er immerzu. Er lügt mir alles vor, ich soll es glauben, ich soll ihn nicht totschlagen, er weiß, warum ich gekommen bin. Jetzt redet er sich um Kopf und Kragen.
Mathias dachte einen Augenblick nach, dann begann er: »Ja, die Mutter, sie hat mich geschickt, es stimmt, ich sollte hier hergehen und die Lilly nehmen wie eine Dirne. Sie hat mir gesagt, ihr hättet ein Verhältnis, und sie könne es nun mal nicht leiden, und dann hat sie gesagt, wenn ich das nicht tu, dann würde ich kein Geld mehr bekommen. Überhaupt würde ich nie mehr Geld bekommen. Denn wenn du mit ihr fortgehen würdest, mit Lilly, dann könnte ich dich auch nicht mehr beerben. Das hat sie mir alles gesagt. Ich wollte es zuerst nicht, nein, ich war doch nur gekommen, weil ich Geld brauchte, aber so eine Schuftigkeit wollte ich nicht tun. Ich kannte das Mädchen ja auch gar nicht. Du warst mir zuerst völlig gleichgültig, Ignaz. An dich habe ich gar nicht gedacht. Als ich mich dann sträubte, da hat sie mir erzählt, ich sei gar nicht dein wirklicher Sohn. Schon damals habe sie dich betrogen. Aber du seist ja so dumm und hättest es nie bemerkt. Ja, dumm hat sie gesagt.
Zuerst war ich wütend, ich wollte mir von einer hergelaufenen Person nicht alles stehlen lassen. Denn ich wusste, ich würde dich eines Tages beerben. Und jetzt stand dieses Geld auf dem Spiel. Ja, und da bin ich hierhergekommen, ich wollte es tun.« Er stöhnte leise vor sich hin. »Ich weiß, du hältst mich für gemein und schlecht, und das bin ich auch. Aber Vater, als ich dann hier oben war, als ich Lilly erblickte, da konnte ich es nicht tun. Ich konnte es nicht. Als ich sie sah, da gingen mir die Augen auf. Ich wusste, all die Gemeinheiten, die Mutter mir erzählt hatte, stimmten gar nicht.
So wie sie es hingestellt hatte, so war es nicht. Hier war etwas ganz anderes, hier spielte die ganz große Liebe mit! Ja, ich spürte und fühlte den Zauber sofort, und ich kam mir so schlecht und gemein vor, Vater.
Da hab ich denn da gesessen und mein ganzes Leben überdacht. So viele alte Erinnerungen stiegen in mir auf. Da fühlte ich, die Mutter ist schlecht, sie hat alles kaputt gemacht. Ich hab dich mal verehrt, geliebt, ich betete dich als Bub an. Aber sie lag mir immer in den Ohren, sie machte dich schlecht. Pausenlos war sie da, und ich war jung, und dann verstand sie es ausgezeichnet, mich von dir fernzuhalten. So haben wir uns entfremdet. Dass ich jetzt ein so haltloser fauler Bursche bin, hab ich ihr auch zu verdanken. Alles verdank ich ihr. Und jetzt weiß ich, dass sie mich auch nie geliebt hat. Sie hat all das nur getan, um dich zu quälen, zu reizen, zu ärgern.« Erhob den Kopf und blickte Ignaz still an.
»Ich sollte dir das Beste, was du besaßest, fortstehlen, und das nur, damit du eine Dummheit machst, damit du dir selbst ein Leid antust. Das war ihr Ziel, das hat sie damit erreichen wollen. Du solltest dir das Leben nehmen, dann würde sie all dein Geld bekommen. O Vater, wie kann ein Mensch nur so schlecht sein?«
Lilly saß wie erstarrt da und blickte die beiden Männer an. Und dann begann sie zu weinen. Ganz langsam rannen die Tränen über das Gesicht. »Ich hab es die ganze Zeit gewusst«, stammelte sie, »ich hab ihn beschützt, wo ich nur konnte, ich ...«
»Lilly!« Ignaz hatte sich erhoben. Er nahm ihre Hände in die seinen. »Weine doch nicht, jetzt ist doch alles gut, Liebes, o du!«
»Sie wird es immer wieder versuchen«, flüsterte sie gebrochen. »Immer wieder.«
Mathias war aus diesem Kreis der Liebe ausgeschlossen. Ab jetzt würde er bestimmt auch verstoßen sein, denn er hatte ihm die Wahrheit gesagt, die ganze gemeine bittere Wahrheit.
»Du liebst mich wirklich?«
»Ja, Ignaz!«
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und hielt es fest.
»Ich bete dich an!«
Ein strahlendes Leuchten ging über ihr Gesicht, dann sah sie den Sohn und löste sich vom Vater. »Ich danke dir, dass du es nicht getan hast«, sagte sie schlicht.
Er lächelte schief.
Ignaz setzte sich wieder. »Ja, ich danke dir auch, Mathias, dass du mir alles gesagt hast, daran ersehe ich, dass dein Kern doch nicht so schlecht ist. Und jetzt sag mir, was mit dir los ist? Du hast mir alles gegeben, in diesen Minuten, ich möchte mich erkenntlich zeigen, und vielleicht ist es auch noch nicht zu spät, Mathias. Ich möchte dir wirklich helfen.«
»Jetzt wo du weißt, dass ich nicht mehr dein Sohn bin?«
Ignaz hielt Lillys Hände.
»Reden wir morgen darüber. Morgen ist auch noch ein Tag. Und du kannst dich auf mich verlassen, Junge, ja, das kannst du!«
In dieser Nacht wurde nicht sehr viel an Schlaf gedacht. Lilly lag in der kleinen Kammer und konnte ihr Glück noch immer nicht fassen. Es war so schön, so wundervoll, wiedergeliebt zu werden, auch wenn sie jetzt noch nicht wusste, wie es mal weitergehen sollten, denn da war ja noch die Frau.
Die Männer hatten sich im Heu ein Bett gemacht. Sepp schlief tief und fest. Ignaz, obwohl ihm die Knochen weh taten vom schnellen Aufstieg, er konnte auch nicht schlafen, er sah nur immer das leuchtende Gesicht des Mädchens vor sich. Ein unendliches Wunder war geschehen. Das Schicksal hatte es noch einmal gut mit ihm gemeint. Er besaß die Liebe dieses wundervollen Mädchens.
Jetzt lohnte sich das Leben wieder. Er würde einen Weg finden, er musste jetzt einen Weg finden. Nach all diesen bösen Worten, nachdem er jetzt wusste, was Sonja die ganze Zeit vorgehabt hatte, jetzt war kein Zusammenleben mehr möglich. Jetzt wo er Lilly lieben durfte, da er wusste, sie liebte ihn auch, jetzt musste er sie schützen, umsorgen, umgeben mit Liebe und Geborgenheit. Und dann war da noch der Sohn. Irgendwie hatte er es schon lange gefühlt, dass da was nicht stimmte, aber für ihn würde er der Sohn bleiben, wenn er sich jetzt änderte. Und vielleicht würden sie es gemeinsam schaffen.
Die Sonne kam über die Berge und beschien die kleine Almhütte. Sie hatten nicht sehr viel geschlafen, aber als sie am Brunnen standen und sich mit dem eiskalten Wasser wuschen, da blickten sie lachend in den Sonnenschein hinein. In der Hütte brutzelte der Speck, und sie rochen den Kaffee.