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„Oliver! He, warte doch!“

Oliver Kripow hatte gerade den roten Kleinwagen aufgeschlossen, der ihm und seiner Zwillingsschwester Julia gehörte. Er hob den Kopf und blickte zu der jungen Frau hinüber, die ihn soeben gerufen hatte. Sie war hübsch und dunkelhaarig, hatte braune Augen und ein bezauberndes Lächeln.

„Alina“, sagte er überrascht. Sie ging zwar auf dieselbe Schule wie er, war aber eine Klasse unter ihm. Alina Brockmeyer trug blauweiß gestreifte Bermudas und ein blaues T-Shirt mit dem Aufdruck ‚Do You Think I‘m Sexy?‘

Betont lässig blieb sie vor ihm stehen. „Hallo.“

„Hallo“, gab Oliver abwartend zurück. Gleichzeitig fragte er sich, warum sie ihm nachgelaufen war.

„Wie geht es deiner Schwester?“, wollte Alina wissen.

„Julia?“

Alina lachte. „Hast du noch eine Schwester?“

„Ja“, antwortete er. „Rubina.“

„Ach so. Und wie alt ist Rubina?“

„Zehn.“

Alina schmunzelte. „Ein Nachzügler.“

„Ja“, entgegnete Oliver. Abermals fragte er sich, was sie von ihm wollte. Alina war nett und er hatte auch schon einige Male mit dem Gedanken gespielt, sie anzusprechen und zu fragen, ob sie mit ihm ins Kino gehen würde. Warum hatte er es eigentlich nicht getan? Ach ja, sie war damals auf dem Schulhof mit Leon Straube aufgetaucht. Hand in Hand. Damit war für Oliver die Sache erledigt gewesen.

„Ich meine Julia“, sagte Alina.

„Sie bellt noch wie Zerberus der Höllenhund und Rubina auch.“

„Kann dein Vater ihnen denn nicht helfen?“, fragte Alina. „Er ist doch Arzt.“

„Ja, schon. Aber er kann nicht zaubern“, meinte Oliver. „So eine Erkältung dauert eben ihre Zeit.“

Alina lachte vergnügt. „Dann stimmt es also: Wenn man zum Arzt geht, dauert ein Schnupfen eine Woche. Geht man nicht zum Arzt, dauert er sieben Tage.“

„So ungefähr.“

Alina zeigte auf das kleine, nicht mehr ganz neue Auto, dass Julia und Oliver zum achtzehnten Geburtstag bekommen hatten. „Niedlicher Wagen. Wie bist du damit zufrieden?“

„Er läuft gut und verbraucht wenig Sprit.“

„Nimmst du mich ein Stück mit?“, fragte Alina.

„Wohin willst du?“

„Meinetwegen brauchst du keinen Umweg zu machen. Fahr einfach nach Hause und lass mich zwei Kreuzungen davor raus.“

„Okay, steig ein.“

Während sie sich in den Wagen setzten, hoffte Oliver, dass der Motor gleich beim ersten Startversuch ansprang. Er wollte mit dem Auto schließlich einen guten Eindruck auf Alina machen. In letzter Zeit hatte es hin und wieder Startprobleme geben. Entweder waren die Zündkerzen verrußt oder im Verteilerkopf hatte sich aufgrund einer defekten Dichtung Feuchtigkeit angesammelt. Oder die Zündung musste geringfügig nachgestellt werden. Kleinere Reparaturen nahm Oliver für gewöhnlich selbst vor. Zum einen, um Geld zu sparen und zum anderen, weil es ihm Spaß machte, den kleinen Wagen in Schuss zu halten. In letzter Zeit hatte er jedoch zu viel für die Schule machen müssen und daher keine Zeit gehabt, die notwendigen Reparaturen durchzuführen.

„Hin und wieder tut er sich ein bisschen schwer mit dem Anspringen“, sagte er vorsichtshalber. „Ich muss das in den nächsten Tagen mal beheben.“

Alina sah ihn beeindruckt an. „Du?“

Er grinste. „Wieso erstaunt dich das?“

„Verstehst du denn etwas davon?“

„Wenn man ein Bastler ist, kennt man sich bei den älteren Fahrzeugen relativ bald aus“, erklärte Oliver. „Die haben keine allzu komplizierte Technik. Die Autos der neuen Generation verfügen jedoch über sehr viel Elektronik. Da wird‘s schwierig.“ Er drehte den Schlüssel im Zündschloss. Der Motor sprang sofort an.

„Ist doch alles in Ordnung“, erwiderte Alina lachend. „Ich hatte schon befürchtet, ich müsste anschieben.“

„Ich hätte dich doch nicht anschieben lassen“, sagte Oliver beinahe entrüstet.

Alina schenkte ihm ein inniges Lächeln. „Und da heißt es immer, es gibt keine Kavaliere mehr.“

Oliver lenkte den Wagen vom Parkplatz und ordnete sich in den fließenden Verkehr ein. „Hoffentlich erklärt mir Leon morgen nicht den Krieg.“

Ganz kurz erschien um Alina Mund ein harter Ausdruck. „Warum sollte er?“

„Na ja, du sitzt in meinem Auto ...“

„Ich kann fahren, mit wem ich will“, entgegnete Alina trotzig. „Außerdem nimmst du mich nur ein Stück mit. Was ist denn schon dabei?“

Oliver wiegte den Kopf hin und her. „Manche Leute könnten es missverstehen.“

„Mich kümmert das blöde Gerede der anderen Leute nicht. Dich etwa?“

„Nein“, antwortete Oliver. „Mich auch nicht.“

Alina schwieg und blickte zum Seitenfenster hinaus. Nach einiger Zeit sagte sie: „Im übrigen ist es aus mit Leon.“

„Aus?“ Oliver war gleichzeitig überrascht und erfreut.

„Wir treffen uns nicht mehr.“

„Hast du ihm den Laufpass gegeben?“, fragte er.

Ein Radfahrer wollte auf dem Radweg das Tempo des Kleinwagens mithalten, schaffte es aber nur ein paar Hundert Meter, dann fiel er zurück.

„Er hat mich sitzenlassen“, antwortete Alina.

„Er hat was ...?“, fragte Oliver verblüfft. „Ist er denn total bescheuert? Jemanden wie dich lässt man doch nicht ...“

Sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm. Unwillkürlich zuckte er zusammen.

„Lieb von dir, dass du das sagst, Oliver, aber du brauchst mich nicht zu trösten. Es hat überhaupt nicht wehgetan. Ich wollte sowieso Schluss machen. Leon ist mir nur zuvor gekommen.“

„Und nun ...?“ Olivers Herz schlug ein paar Takte schneller. Er begann, sich Hoffnungen zu machen.

Alina zuckte mit den Schultern. „Was soll‘s? Ich genieße jetzt meine wiedergewonnene Freiheit.“

Oliver musste sich auf den dichter werdenden Verkehr konzentrieren, deshalb konnte er die dunkelhaarige Frau nicht ansehen. „Hör mal, ich ...“, begann er, doch Alina fiel ihm ins Wort.

„Ich muss dir etwas anvertrauen.“

„Was denn?“

„Weißt du, was ein Liebesbote ist?“

„Klar.“

„Als so etwas sitze ich neben dir“, erklärte Alina.

„Du?“ Oliver warf ihr einen verblüfften Blick zu. „Wessen Bote bist du?“

„Jasmin“, antwortete sie. „Wie du vielleicht weißt, ist sie meine beste Freundin.“

Oliver nickte. Jasmin Umbach war die Tochter eines bekannten Sektfabrikanten. Sie hätte jeden Jungen in der Schule haben können, deshalb verstand er nicht, warum sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Er hielt sich für nichts Besonderes.

„Ist Jasmin denn nicht mehr mit Martin zusammen?“, fragte er.

Alina lachte leise. „Du bist nicht mehr auf dem Laufenden. Die Sache mit Martin gehört der Vergangenheit an. Ist bereits Geschichte.“

„Oh verdammt“, stieß Oliver verwirrt hervor. „Was ist denn auf einmal los?“

Alina zuckte mit den Schultern. „Alte Freundschaften gehen zu Ende, neue beginnen.“

„Was will Jasmin von mir?“

„Dreimal darfst du raten.“

„Wie kommt sie auf mich? Ich meine ...“

„Du gefällst ihr schon lange“, erwiderte Alina. „Ruf sie doch mal an. Hier ist ihre Handynummer.“ Sie zog einen Zettel aus der Tasche und legte ihn auf das Armaturenbrett. Dann tastete sie nach dem Türöffner, als wollte sie während der Fahrt aussteigen. „So, damit ist meine Mission erfüllt. War nett, mit dir zu plaudern. Lass mich bitte dort vorne raus.“

Zögernd kam Oliver der Aufforderung nach. Er hatte schon daran gedacht, demnächst eventuell mit Alina ausgehen zu können, doch sie schien von Jungs fürs Erste die Nase voll zu haben. Dafür war ihre beste Freundin an ihm interessiert. Niemals hätte er mit solch einer Entwicklung gerechnet. Er war immer davon überzeugt, dass Jasmin nichts von ihm wissen wollte. Wie man sich doch täuschen konnte. Oliver stoppte den Wagen am Straßenrand und Alina stieg aus.

„Viel Glück sagte sie und warf die Tür zu.

„Danke“, gab er geistesabwesend zurück. Hinter ihm dröhnte eine Hupe. Das durchdringende Geräusch brachte ihn in die Realität zurück. „Ja, ja!“, rief er ärgerlich. „Ich fahr‘ ja schon. Warum hast du‘s denn so furchtbar eilig?“ Er winkte Alina zu. „Mach‘s gut. Wir sehen uns morgen in der Schule.“

Abermals ertönte hinter ihm die Hupe. Oliver gab Gas und fuhr davon.

Entführung ohne Happy End: Kripow & Kripow: Herr Doktor und die Polizei

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