Читать книгу Entführung ohne Happy End: Kripow & Kripow: Herr Doktor und die Polizei - A. F. Morland - Страница 9
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Georg Jensen ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab, unfähig, sich hinzusetzen oder stillzustehen. Immer wieder schaute er auf die Wanduhr. Drei Minuten vor zehn. Georg war nervös. Unablässig durchquerte er das Zimmer wie ein Raubtier in Gefangenschaft. Schließlich blieb er stehen und richtete seinen Blick auf Doktor Maximilian Roebke.
„Worauf warten die denn?“, fragte er. „Warum meldeten sie sich nicht endlich?“
Der Anwalt zuckte nur leicht mit den Schultern. Georg ging wieder im Zimmer umher und berührte verschiedene Dinge, als ob er von ihnen Abschied nähme. Schließlich zündete er sich eine Zigarette an, rauchte und starrte aus dem Fenster. Es gab nichts, womit er sich beschäftigen konnte. Seine Gedanken kreisten pausenlos um Ingeborg. Lebte sie überhaupt noch? Oder hatten die Entführer sie bereits umgebracht?
Natürlich lebte sie noch. Er versuchte, diese Gedanken abzuschütteln, doch es fiel ihm schwer. Er trat an den Schreibtisch und drückte die halb aufgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus.
„Verdammt!“, knurrte er. „Warum melden die sich nicht endlich?“
„Keine Sorge, das werden sie schon“, versuchte Maximilian ihn zu beruhigen.
Abrupt drehte sich Georg zu ihm um. „Ich soll mir keine Sorgen machen?“, herrschte er ihn an. „Hier geht es um Ingeborgs Leben. Da habe ich doch wohl allen Grund, mir Sorgen zu machen.“
„Natürlich hast du das. Aber trotzdem musst du die Ruhe bewahren. Wenn du jetzt die Nerven verlierst, ist niemandem damit geholfen. Den Entführern geht es nur um‘s Geld. Nichts weiter. Und sobald sie das haben, werden sie Ingeborg freilassen.“
„Hoffentlich.“ Georg warf wieder einen Blick auf das Telefon. Warum meldeten sich die Entführer nicht endlich?
„Vielleicht sollten wir doch die Polizei verständigen“, meinte Maximilian. „Dann könnten wir ...“
„Nein, keine Polizei“, schnitt Georg ihm das Wort ab. „Ich halte mich strikt an die Anweisungen. Ich werde nichts tun, was Ingeborgs Leben gefährden könnte.“
„Nun gut, es ist deine Entscheidung.“
„Ja, genau das ist es.“
Eine Minute nach zehn Uhr klingelte das Telefon auf Georgs Schreibtisch. Er blickte Maximilian an, der ihm am Tisch gegenübersaß, und nahm den Hörer in die Hand.
„Hier spricht Georg Jensen.“
„Haben Sie das Geld? Die zwei Millionen?“, fragte eine Männerstimme. Sie klang gedämpft und undeutlich, so als ob ihr Besitzer den Mund voll feuchter Watte hätte.
„Ich will mit meiner Frau sprechen“, verlangte Georg.
„Ja, Kumpel, gleich, aber erst das Geld. Was ist damit?“
„Ich habe es bereit. Was soll ich tun?“
„Hören Sie“, sagte die Männerstimme am anderen Ende. „Sie gehen damit zum Rasmussen-Hotel und lassen sich eintragen. Wir haben ein Zimmer auf Ihren Namen reserviert. Die Nummer ist siebenhundertsiebzehn. Warten Sie in dem Zimmer auf einen weiteren Anruf von uns. Kommen Sie allein, verstanden? Keine krummen Touren mit den Bullen, sonst sehen Sie Ihr Betthäschen nie wieder! Haben Sie das kapiert, Jensen?“
„Ja, ich habe verstanden. Und jetzt holen Sie meine Frau an den Apparat!“
„Na klar. Hier ist die Schmusekatze. Sie haben ganze zehn Sekunden. Fassen Sie sich kurz.“
„Ingeborg, Liebling, geht es dir gut?“
„Georg, oh Georg, mein Schatz! Mir ist nichts passiert – aber, um Himmels willen, lass die Polizei aus dem Spiel und bring das Geld so schnell wie möglich her. Bitte, Georg. Diese Leute schrecken vor nichts zurück.“
„Liebling, mach dir keine Sorgen. Ich habe das Geld bei mir und werde es weiterleiten. Du wirst bald frei sein. Du ...“
Er starrte auf den Telefonhörer in seiner Hand. „Sie haben aufgelegt“, sagte er mit schwerer Stimme. Dann wiederholte er die Befehle, die er erhalten hatte.
„Und du wirst tun, was sie von dir verlangen“, sagte Maximilian. „Du lieferst das Geld ab und lässt die Polizei aus dem Spiel, sonst könnte es für Ingeborg unangenehm werden.“
Georg saß mit ausdruckslosem Gesicht vor dem verstummten Telefon. Maximilian stand auf, ging zur Hausbar und mixte sich einen Drink.
„Du siehst im Augenblick nicht gerade erfreulich aus“, sagte er zu Georg. „Bist du sicher, dass du die Aufgabe bewältigen kannst? Wenn nicht, sag es, und ich werde es für dich ausführen.“
„Wie soll ich denn sonst ausschauen?“, brummte Georg. „Etwa wie ein Lottogewinner?“
Nein, aber ...“
„Ich kann nichts dafür“, fügte Georg sofort als Entschuldigung hinzu. „Ich bin ziemlich fertig mit den Nerven. Nein, ich brauche deine Hilfe jetzt nicht. Ich muss diese Sache selber zu Ende bringen. Außerdem haben die Entführer mich aufgefordert, das Geld zu liefern.“ Er schwieg einige Sekunden. „Was tue ich bloß, wenn die Entführer Ingeborg nicht freilassen, nachdem ich ihnen das Geld gegeben habe?“, fragte er leise.
„Das ist ein furchtbarer Gedanke“, erwiderte Maximilian. „Und eine Frage, die ich nicht beantworten möchte. Georg, ich bin zwar Anwalt, aber frag mich nicht, wie das Gehirn eines Entführers funktioniert. Mit solchen Leuten hatte ich noch nie zu tun. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Ingeborg bald nach Hause kommt. Sie muss nach Hause kommen.“
Georg schloss die Schublade seines Schreibtisches auf und begann, Geldscheine herauszunehmen, die er in eine schäbige Aktentasche stopfte. Als sie voll war, stand er auf.
„Ich bin soweit“, sagte er. „Wir können gehen.“
Maximilian begleitete ihn bis zum Auto. Anschließend stieg er in seinen eigenen Wagen und fuhr los. Georg wartete, bis er um die Ecke verschwunden war. Er ging zu seinem Fahrzeug, stieg ein und startete den Motor.