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Kapitel 8, Dienstag: 20:37 Uhr

„Oh Mann, ich bin echt platt.“ Stan stöhnte, schloss die Augen und lehnte sich erschöpft in den Polstersitz der Bahn zurück. Nachdem sie gestern den bekannten Namen auf dem angebrachten Liebesschloss entdeckt hatten, waren sie heute sofort nach dem Frühstück wieder nach Bad Münster aufgebrochen, um die Bewohner nach Hieronymus und dieser Chesteti auszufragen. Den gesamten Tag hatten sie in der glühenden Hitze damit verbracht, an Haustüren zu klingeln und vorüberziehende Leute anzusprechen. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd. Eigentlich hätten sie sich denken können, dass ihr Unterfangen nicht sehr erfolgversprechend war. Immerhin konnte Hieronymus überall stecken. Wer sagte, dass er denn tatsächlich in Bad Münster wohnte und hier nicht nur einen Ausflug unternommen hatte?

„Geht mir genauso. Ich bin echt müde. Sollte es heute nicht ein Wärmegewitter geben? Davon hab ich nichts gemerkt“, meinte Alexei und streckte sich.

„Keine Ahnung. Aber morgen rennen wir nicht wieder den ganzen Tag in dem Kaff rum und fragen uns durch. Am Ende werden wir noch wegen Belästigung verhaftet.“

Sein Kumpel lachte bei der Vorstellung auf.

„Wäre auch mal was anderes. Vielleicht sollten wir es auf dem zuständigen Einwohnermeldeamt probieren“, schlug Alexei vor und Stan wägte den Gedanken ab, schüttelte dann jedoch den Kopf.

„Ich glaube kaum, dass die uns helfen werden oder können. Wir haben nur den Vornamen. Die brauchen doch bestimmt den Nachnamen.“

„Mmh … wir sollten es versuchen. Eine andere Idee habe ich nicht oder fällt dir etwas ein?“

„Puh, momentan nicht. Lass uns über was anderes reden. Mir schwirrt echt der Schädel und die Suche frustriert mich so langsam.“

„Kein Thema, verstehe. Was hältst du davon, wenn wir uns noch ein paar Cocktails in der Eisdiele gönnen?“

„Klingt nach einem guten Plan“, antwortete Stan mit einem müden Grinsen.

An der nächsten Haltestelle stiegen sie aus. Ohne Umwege liefen sie schweigend zur Fußgängerzone und nahmen an einem freien Tisch des kleinen Cafés Platz. Sie brauchten keinen Blick mehr in die Karte zu werfen, denn sie kannten sie bereits auswendig.

„Immer noch hier?“

„Das ist aber eine nette Art, seine Kunden zu begrüßen“, meinte Stan mit einem schiefen Lächeln und der Kellner griente schulterzuckend zurück.

„Bekommt nicht jeder hier, 'ne. Fühlt euch geehrt.“

„Tun wir“, pflichtete Alexei ihm scherzhaft bei und zwinkerte verschwörerisch.

„Okay, Männer. Das wäre geklärt. Dasselbe wie gestern?“

„Jupp“, stimmten beide zeitgleich zu und der Kellner zog sich nickend zur Bar zurück.

„Komischer Vogel.“

„Ja, ist 'ne Nummer für sich. Wird mir fehlen“, gab Stan mit einem todernsten Blick zurück und Alexei stieß ihn leicht unter dem Tisch an.

„Komm schon. Nicht wirklich.“

„Doch, er ist cool.“

„Du verarscht mich!?“

„Würde ich niemals tun.“

„Ja, klar.“

Für einige Sekunden schwiegen sie und hingen ihren Gedanken nach. Stan massierte sich die Stirn und atmete tief durch. Er hatte bereits so viele Niederlagen einstecken müssen, in denen seine Suche einfach nur erfolglos war, ganze Jahre, doch keine hatte ihn derart deprimiert wie diese. Er konnte nicht sagen, an was es genau lag. Vielleicht war es die Tatsache, dass er diesmal nicht allein war oder, dass je mehr Zeit verstrich, er das Gefühl hatte, sich nicht mehr an Lara erinnern zu können. Er fühlte sich ausgelaugt und ausgebrannt. Sein Entschluss stand fest. Sobald sie zurück waren, würde er in den sauren Apfel beißen und seine Ermittlungen beenden.

„Vielleicht sollten wir früher zurückfahren“, murmelte er gedankenversunken vor sich hin und sein Kumpel blickte ihn fassungslos und irritiert an.

„Was? Wieso?“

„Weil es einfach nichts bringt. Wir laufen im Kreis.“

„Finde ich nicht“, entgegnete Alexei überzeugt. „Wir haben den Beweis, dass Hieronymus wirklich existiert und in der Gegend war.“

„Erstens wissen wir gar nicht, ob es überhaupt Laras Hieronymus ist und zweitens hast du es selbst gesagt: Er war in der Gegend. Keine Ahnung, wo er jetzt ist.“

„Stan, wie viele Typen gibt es, die so seltsam heißen? Wir sollten wirklich das mit dem Einwohnermeldeamt versuchen. Wir könnten auch noch versuchen, den Namen in einer Suchmaschine vom Internet einzugeben.“

Stan schnaufte.

„Ich weiß nicht …“

Sie wurden von der Bedienung unterbrochen, die ihnen die Cocktails brachte. Irritiert schauten sie den rundlichen Wirt an.

„Schichtwechsel?“, fragte Alexei verwundert und der Mann nickte schnaufend, der von seiner Statur an eine reife Tomate erinnerte.

„Joar, der Faulpelz macht mal wieder eine Pause. Zu nichts nutze, die Jugend. Ständig nur am Handy und am Telefonieren. Doch keine Sorge, ich kann das Cocktail Mixen genauso gut.“

Die Freunde trauten sich nicht, zu widersprechen, und nahmen die Getränke schweigend an. Noch immer lag der Unmut der erfolglosen Suche über ihnen wie eine schwere Wolldecke. Der Wirt verzog missmutig die Miene.

„Ihr habt sie noch gar nicht probiert. Kein Grund, so ein Gesicht zu ziehen! Die schmecken, sag ich euch!“

„Ah, sorry. Das ist es nicht“, meinte Alexei entschuldigend und kratzte sich am Nacken.

„Nicht? Was für eine Laus ist euch denn dann über die Leber gelaufen?“

„Ähm … also, es war einfach nicht unser Tag.“

„Das Scheißwetter ist viel zu heiß! In diesem Kaff gibt es außer dem Museum, der Miene und dem Schloss nichts, was man machen kann – keine Disco, nichts. Und dann diese sinnlose Rumrennerei wegen einem Typ namens Hieronymus! Kein normaler Mensch heißt so! Der Kerl existiert bestimmt nicht!“, platzte Stan mit seinem Missmut verärgert heraus und leerte anschließend zur Hälfte den Mojito mit nur einem Schluck. Die Augen des Wirtes weiteten sich überrascht. Für ein paar Sekunden starrte er die beiden Freunde an, bevor er ihnen aufmunternd auf die Schultern klopfte.

„Das Wetter kann ich leider nicht ändern. Genauso wenig wie die fehlenden Attraktionen in unserer kleinen, aber feinen Edelsteinstadt. Aber was den dritten Punkt betrifft, da könnte ich euch helfen.“

„Ja, schon …“ Stan stockte. Zeitgleich mit seinem Kumpel hob er den Kopf und starrte den Wirt ungläubig an.

„Wie? Sie kennen einen Typ, der Hieronymus heißt?“, fragte Alexei vorsichtig nach und der runde Kopf des Mannes wippte emsig auf und ab.

„Leider ja. Das Schicksal hat mich böse damit gestraft.“

„Und sie verarschen uns auch nicht?“, hakte Stan misstrauisch nach, worauf der rundliche Wirt abwinkte.

„Nein, ganz und gar nicht.“

„Und können Sie uns sagen, wo wir ihn finden können?“ Alexeis Herz klopfte bis zum Anschlag.

„Aber sicher. Er ist ganz in der Nähe.“

„Wo?“, platzten beide heraus und der Mann hob sich lachend seinen vibrierenden Bauch. Stan wollte das Ganze schon als einen schlechten Scherz abtun, als er antwortete: „Er überzieht gerade seine Raucherpause.“

Ihnen kippten die Kinnladen nach unten. Meinte er tatsächlich den seltsamen Kellner? Der Wirt lachte abermals beherzt und dröhnend auf.

„Jungs, ihr macht Gesichter, als würdet ihr einen Geist sehen! Sei es drum. Ihr sprecht ihn am besten gleich an, bevor ich ihn zum Weiterarbeiten ermahne. Sonst müsst ihr drei Stunden warten, bis seine Schicht zu Ende ist.“

Er nickte ihnen zu und begab sich dann wieder hinter die Bar. Sie mussten die Information erst ein paar Sekunden sacken lassen, um sie zu begreifen. Stan schaute seinen Kumpel auffordernd an.

„Sollen wir?“

„Ja, unbedingt!“

„In Ordnung.“ Alexei stand auf und folgte seinem Freund in die Ecke, wo der Kellner gerade sein Telefonat eilig beendete.

„He, habt ihr schon genug getankt?“ Er grinste sie breit an.

„Eigentlich wollten wir mit dir reden“, entgegnete Stan und Alexei fügte schnell hinzu: „Wir haben dich gesucht, Hieronymus.“

Der Angesprochene zog misstrauisch eine Braue in die Höhe. Im nächsten Moment verzog er das Gesicht und winkte schnell ab.

„Oh, nee, vergesst es. Ich verurteile euch net, jedem das seine, doch ich bin da raus. Auf so was steh ich nicht und außerdem hab ich 'ne heiße Flamme.“

Verdutzt stierte Stan ihn an. Wie meinte er das denn jetzt? Sein Kumpel begriff eher als er und hielt den Kellner fest, der gerade an ihm vorbei huschen wollte.

„Wir sind nicht schwul.“

„Ja, klar doch. Und ich kenn den Papst, 'ne? Hört zu, Männer. Ich finde es ja ganz drollig, dass ihr euch sogar nach meinem Namen erkundigt habt. Ich kann auch verstehen, dass ihr an mir interessiert seid – ich bin nun mal 'ne geile Type, aber …“

„Stopp, ich will es gar nicht hören, Alter“, unterbrach ihn Stan eilig, der bei der Vorstellung Kopfschmerzen bekam. Wie kam der Kerl nur darauf, dass sie sexuell an ihm interessiert sein könnten? Widerlich! Er versuchte, sich zu beruhigen, um ihm nicht seine Faust ins Gesicht zu rammen. „Wir brauchen ein paar Antworten.“

Hieronymus öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Alexei kam ihm zuvor.

„Kennst du Lara?“

Die Gesichtszüge des jungen Mannes verhärteten sich für den Bruchteil einer Sekunde. Dann setzte er wieder sein selbstgefälliges Grinsen auf.

„Keine Ahnung. Würde ich mir die Namen aller meiner Betthäschen merken, wäre es 'ne ziemlich lange Liste.“

„Die Lara, die wir meinen, an die müsstet du dich erinnern. Lange, Aubergine gefärbte Haare. Gebräunter Teint. Hellblaue Augen. Menschenscheu“, lenkte Stan ein und überhörte die Provokation des anderen, doch Hieronymus schüttelte nur den Kopf und wollte sich an ihm vorbei drücken.

„Keine Ahnung, Mann.“

„Ein Mauerblümchen.“ Alexei versperrte ihm den Weg.

„Ich steh nicht auf langweilige Tulpen.“

„Wissen wir“, meinte Stan und verschränkte seine Arme.

„Ach und woher, he?“

„Wir haben alles nachgelesen … im Tagebuch meiner Schwester.“ Er holte den Einband hervor und drückte ihn an die Brust des Kellners, der verärgert mit der Zunge schnalzte, bevor er es aufschlug und darin herumblätterte. Seine Miene wirkte lässig, doch seine Augen verrieten ihn eindeutig. Stan und Alexei waren sich sicher: Sie hatten den richtigen Hieronymus gefunden. Sie waren endlich auf eine Spur gestoßen! Und vielleicht wusste der Kerl sogar, wo sich Lara momentan befand … Stans Herz überschlug sich bei der Vorstellung regelrecht.

„Ist ja 'ne hübsche Geschichte, Männer, aber ich hab jetzt leider keine Zeit mehr. Ich bin nicht zum Urlaub da, sondern muss arbeiten. Also denne.“

Stan hielt ihn jedoch fest und stieß ihn grob zurück.

„He, Alter! Chill mal und mach keinen Aufstand. Ich kenne deine olle Schwester nicht!“

„Du lügst! Erzähl mir keinen Bockmist! Ich sehe es dir deutlich an. Wo ist Lara?!“

„Du gehst mir auf den Sack. Mach den Weg frei, wenn ich dir nicht ein paar verpassen soll, 'ne.“

„Sag mir erst, wo meine Schwester ist! Ist sie bei diesem Allen? Bei Kralle und Lycastus und wie die ganzen Freaks heißen?!“

„Du hast Sydney vergessen, Alter“, fügte Hieronymus verärgert hinzu und erkannte im nächsten Moment seinen Fehler.

„Und du kennst sie doch!“

„Keine Ahnung, wovon ihr sprecht, Männer. Jetzt lasst mich endlich durch oder ich sag meinem Cheffe, dass er die Polizei rufen soll.“

„Ja, gute Idee! Ruft die Bullen und wir können gleich das Verschwinden von meiner Schwester wieder aufrollen“, stimmte Stan ihm energisch zu und Hieronymus erstarrte für einen Moment. Dann lachte er leise auf und wuschelte sich durch sein rotbraunes Haar.

„He, he. Guter Zug, das muss ich euch lassen. Na gut, dann zeig das Buch nochmal her.“

Überrascht reichte ihm Alexei den Einband.

„Warum jetzt doch?“

„Ganz einfach“, der Kellner nahm das Tagebuch eilig entgegen. „Schaut.“

Mit einem großen Sprung setzte er nach vorne, gab beiden einen harten Stoß, und sprintete los. Sowohl Alexei als auch Stan hatten damit nicht gerechnet und taumelten zurück.

„Scheiße, verdammt!“, brüllte Stan und setzte ihm sofort hinterher. Alexei zögerte nicht und folgte ihm. Das hätte ihnen nicht passieren dürfen. Auf keinen Fall durften sie den Typ entkommen lassen. Er war ihr einziger Hinweis und ein sehr wichtiger dazu. Aus den Augenwinkeln nahm Alexei den Wirt wahr, der ihnen böse fluchend hinterherrief. Jedoch konnte er sich nicht auf dessen Worte konzentrieren, denn Hieronymus war verdammt schnell. Sie jagten ihm die gesamte Fußgängerzone hinterher, doch als er an dem Ende nach rechts in die Schlossstraße abbog, die steil nach oben führte, hatten sie deutlich die schlechteren Karten. Der Kellner legte ein Tempo vor, das nicht von dieser Welt zu sein schien. Als er dann noch in eine Seitenstraße einbog, war er erst mal aus ihrer Sichtweite verschwunden. In weniger als fünf Minuten hatten sie ihn verloren.

„Das darf jetzt nicht wahr sein, verfluchter Mist!“ Stan schlug die Arme über den Kopf zusammen und sah sich verzweifelt um, aber von dem Flüchtenden war keine Spur mehr zu entdecken. Wie konnte man nur so viel Pech haben? Die Hoffnung, die er fast verloren geglaubt und wiedergefunden hatte, wurde in dieser Sekunde brutal zerstört. Verzweiflung holte ihn ein, dunkler als die schwärzeste Nacht. Er fühlte sich, als würde er fallen, und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Schnell drehte er sich von seinem Kumpel weg und wischte sich mit dem Arm über das Gesicht.

Alexei schnappte stoßweise nach Luft. Er konnte die Gefühlswallung seines Freundes verstehen und ließ ihn in Ruhe. Auch er sah sich suchend um, doch vergebens. Seine Oberschenkel brannten von dem Sprint. Wie hatte dieser Typ nur derart schnell bergauf rennen können? Fast schon übermenschlich. Frustrierend.

„Sollen wir die Straßen ablaufen?“, schlug er vor, doch Stan schüttelte deprimiert den Kopf.

„Das wird nichts bringen. Wer weiß, wo der hin ist. Ich glaube kaum, dass er sich hier irgendwo versteckt hält und wartet.“

„Mmh … vermutlich hast du recht.“

„Das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass jetzt auch noch Laras Tagebuch weg ist.“

„Aber noch ist nichts verloren. Der Wirt kann uns vielleicht helfen. Und selbst wenn nicht: Wir wissen jetzt, wo der Typ arbeitet. Ewig kann er dort nicht wegbleiben.“

Stan atmete tief durch, schaute in den dämmrigen Himmel und nickte.

„Stimmt. Wir sollten zurück. Gezahlt haben wir auch noch nicht.“

„Ha ha, daran hab ich gar nicht gedacht. Dann lass uns zurückgehen und schauen, was wir aus dem Chef rausbekommen.“

Alexei klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Mit gemischten Gefühlen traten sie den Rückweg an.

*

„Was ist denn los? Wo ist dieser Taugenichts?! Seine Schicht ist noch nicht vorbei. Was geht hier vor?“ Der Wirt blickte nervös von einem zum anderen. Er saß an einem der Tische, alle Gäste waren bereits gegangen, und rauchte. Anscheinend nicht seine erste, denn unzählige Zigarettenstummel säumten den Tischrand wie kleine, verhunzte Bauten.

„Es tut uns leid, dass wir … kurz weg mussten“, entschuldigte Alexei ihr Verhalten. Der rundliche Mann sah ihn verärgert an.

„Getürmt seid ihr! Und mit euch mein Angestellter! Was wollt ihr denn von ihm?!“

„Wir sind nicht getürmt, wir sind zurückgekommen, um zu zahlen. Der einzige, der schlagartig die Flucht ergriffen hat, ist ihr komischer Kellner!“, gab Stan gereizt zurück. Alexei entging der unglücksverheißende Blickaustausch der beiden nicht. Schnell griff er ein, bevor die Situation aus dem Ruder lief.

„Hieronymus kannte Stans Schwester, die seit vier Jahren spurlos verschwunden ist. Wir haben ihn drauf angesprochen, doch anstatt sich mit uns zu unterhalten, hat er das hinterbliebene Tagebuch von ihr gestohlen und ist abgehauen. Es war unser einziger Hinweis.“

Die Miene des Wirts entspannte sich wieder. Er brummte und nickte gedankenversunken.

„Dass dieser Spinner immer Ärger machen muss, Mensch.“

„Können Sie uns irgendwie helfen? Wenn Sie uns verraten, wo wir ihn finden können?“

„Ich möchte das Tagebuch wieder zurück oder ich rufe die Polizei“, fügte Stan erbost hinzu und vergrub seine Hände in die Hosentaschen seiner Jeans.

„Verstehe. Bitte keine Polizei. Der Junge ist ein chaotischer Schmarotzer, aber kein übler Kerl“, bat der Wirt und stand schwerfällig auf. „Er hatte nichts, als er hier her kam. Ich hatte Mitleid und eh gerade eine Stelle frei. Obwohl er kein Zeugnis vorlegen konnte und auch die restlichen Unterlagen sehr spärlich waren, habe ich ihn eingestellt und auf die Beine geholfen. Der arme Kerl hatte am Anfang nicht mal eine Wohnung und schlief im Wald.“

„Wann war das ungefähr? Zufällig vor vier Jahren?“, hakte Alexei neugierig nach.

Der Wirt warf ihm einen bestätigenden Blick zu. Stan seufzte und holte tief Luft, um sich etwas zu beruhigen. Das half ein wenig. Dann wandte er sich wieder dem Mann zu.

„Bitte, Sie müssen uns sagen, wo wir ihn finden können. Vielleicht kann er helfen, meine Schwester zu finden oder mir zumindest sagen, wo er sie zum letzten Mal gesehen hat, damit ich einen weiteren Anhaltspunkt habe. Und ich möchte das Tagebuch zurück.“

„Ja, klar. Ich verstehe schon. Ich helfe euch und ihr ruft nicht die Polizei. Das würde dem Jungen das Genick brechen.“

„Das würde …“

„Versprochen“, unterbrach Alexei schnell seinen Kumpel. Der Wirt schnaufte und holte tief Luft.

„Er wohnt bei seiner aktuellen Flamme. Ich hoffe, das ist mal was Ernstes. Der Nichtsnutz wechselt die Frauen wie ein Hund die Bäume. Der Wind der Jugend. Sturm und Drangzeit. Ja, als ich noch so jung war, war ich auch ein richtiger Weiberheld gewesen.“

Der rundliche Gastronom schaute schwärmend in den Nachthimmel und sowohl Stan als auch Alexei fingen an, breit zu grinsen.

„Heißt seine Freundin Chesteti?“, fragte Stan und der Wirt nickte.

„Ja, das kommt hin. Seltsamer Name. Na ja, Hieronymus ist auch nicht besser. Ziemlich jähzornig und dominant die Kleine. Vielleicht braucht er eine Frau, die ihm sagt, wo es langgeht. Ist wohl ganz gut so.“

„Und haben Sie die Adresse für uns?“, versuchte Alexei abermals sein Glück, worauf der Mann erstmal grübelnd zu Boden sah. Sie warteten ungeduldig und Stan wollte schon nachhaken, als er endlich mit der Sprache rausrückte.

„Ja, ich denke, er wird sich die nächste Zeit nicht mehr blicken lassen, der Windhund. Schöner Schlamassel“, beschwerte er sich brummend und schüttelte energisch den Kopf. „Es ist gar nicht weit weg von hier. Er wohnt in der Felsenkirchstraße 41.“

„Danke. Sie haben uns wirklich viel geholfen.“

„Auf den Plänen und Wegweisern für den Umweg zum Schloss ist die Straße verzeichnet. Nehmt euch am besten da vorne aus dem Ständer einen mit.“

„Danke, machen wir“, meinte Stan, übernahm die Rechnung und gab ein ordentliches Trinkgeld. Der Wirt brummte zustimmend.

„Und sagt diesem Taugenichts, dass er schleunigst wieder hier erscheinen soll, wenn er sich nicht eine andere Stelle suchen möchte.“

„Klar, machen wir“, versprach Alexei und verabschiedete sich gemeinsam mit Stan. Allerdings machten sie sich nicht sofort auf den Weg zur Felsenkirchstraße, sondern zum Hotel. Die nächsten Schritte mussten erst besprochen und geplant werden. Noch einmal durfte Hieronymus ihnen nicht entkommen – wer wusste, ob sie eine weitere Chance bekommen würden.

Geheimnis Schiva 3

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