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Wie wohnten die Götter?

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Aus dem vorangegangenen ist deutlich geworden, dass der Olymp der Göttersitz war und die Götter hier wohnten.27 Weitere Homerstellen verfestigen dieses Bild. So gibt es zahlreiche Stellen, in denen der Olymp explizit als athanaton hedos, als »Sitz der Unsterblichen« bezeichnet wird.28 Konkretisiert wird dieses Bild des Sitzes durch Erwähnungen, dass die Götter dort auf dem Olymp ihre domata (Häuser) haben.29

Besonders lebendig wird die Vorstellung von dem Leben in den Häusern auf dem Olymp am Ende des ersten Gesangs der Ilias, wo es um einen Streit während einer Götterversammlung im Zeuspalast auf dem Olymp geht. Gerade hat sich Hera, die Gattin des Zeus, für die Trojaner eingesetzt, als es zu einem finalen Machtwort des Göttervaters kommt. Dieser hat keine Lust mehr, mit seiner Frau weiter verbal zu händeln, und droht ihr eheliche Gewalt an:30

»Da antwortete und sagte zu ihr der Wolkensammler Zeus:

›Unbändige! Immer mußt du ›denken‹, und ich kann dir nicht entgehen!

Ausrichten aber kannst du dennoch nichts, und immer nur ferner

Wirst du meinem Herzen, und das wird dir noch schrecklich sein!

Doch wenn dieses so ist, so wird es mir eben so lieb sein!

Aber setz dich nieder in Schweigen und gehorche meinem Wort!

Kaum werden dir sonst helfen, so viele da Götter sind im Olympos,

Wenn ich dir nahe komme und die unberührbaren Hände an dich lege!‹

So sprach er. Da fürchtete sich die Kuhäugige, die Herrin Here,

Und sie setzte sich schweigend nieder und bändigte ihr Herz.

Und aufgebracht waren im Haus des Zeus die Götter, die Uranionen.

Doch unter ihnen begann Hephaistos, der kunstberühmte, mit den Reden,

Seiner Mutter zu Gefallen, der weißarmigen Here:

›Wirklich! Heillose Dinge sind das und nicht mehr erträglich!

Wenn ihr zwei der Sterblichen wegen derart streitet

Und vor den Göttern ein Gezänk aufführt! Und gar keine Freude

Wird mehr sein an dem guten Mahl, wenn das Gemeinere obsiegt!

Der Mutter rede ich zu, wenn sie es auch selbst erkennt,

Unserem Vater zu Gefallen zu sein, dem Zeus, daß nicht wieder

Der Vater streite und uns das Mahl zusammenwerfe.

Denn ist er gewillt, der Olympier, der blitzeschleudernde,

Uns von den Sitzen zu stoßen – er ist ja der bei weitem Stärkste.

Aber gehe du ihn an mit freundlichen Worten!

Gleich wird uns dann der Olympier wieder gnädig sein!‹

So sprach er und sprang auf, und den doppelt gebuchteten Becher

Legte er seiner Mutter in die Hände und sagte zu ihr:

›Ertrage es, meine Mutter! Und halte an dich, wenn auch bekümmert!

Daß ich dich nicht, so lieb du mir bist, vor meinen Augen

Geschlagen sehe. Dann könnte ich dir, so bekümmert ich bin,

Nicht helfen. Denn schwer ist es, dem Olympier entgegenzutreten!

Denn auch ein andermal schon, als ich dir beizustehen suchte,

Ergriff er mich am Fuß und warf mich von der göttlichen Schwelle.

Den ganzen Tag lang trug es mich, jedoch mit untergehender Sonne

Stürzte ich herab auf Lemnos, und nur wenig Leben war noch in mir.

Dort pflegten mich Männer der Sintier alsbald, den Herabgestürzten.‹

So sprach er. Da lächelte die Göttin, die weißarmige Here,

Und lächelnd nahm sie mit der Hand den Becher von dem Sohn.

Der aber begann, den anderen Göttern rechtshin allen

Den süßen Nektar auszuschenken, aus dem Mischkrug schöpfend.

Und unauslöschliches Gelächter erhob sich unter den seligen Göttern,

Als sie sahen, wie Hephaistos durch das Haus hin keuchte.

So speisten sie damals den ganzen Tag bis zur untergehenden Sonne,

Und für ihren Mut war kein Mangel an dem gebührenden Mahl,

Und auch nicht an der Leier, der gar schönen, die Apollon hielt,

Und auch nicht an den Musen, die wechselnd mit schöner Stimme sangen.

Als aber untergegangen war das strahlende Licht der Sonne,

Da gingen sie, sich niederzulegen, ein jeder in sein Haus,

Wo für einen jeden das Haus der ringsberühmte Hinkende,

Hephaistos, gefertigt hatte mit kundigem Sinn.

Zeus aber ging zu seinem Lager, der Olympier, der blitzeschleudernde,

Wo er auch vormals zu schlafen pflegte, wenn ihm der süße Schlaf kam.

Dort stieg er hinauf und schlief, und bei ihm die goldthronende Here.« (Hom. Il. 1,560–611)

Hier wird einerseits sehr menschlich das Leben der Götter beschrieben. Andererseits ist aber auch klar, dass die Götter weit entfernt sind und insbesondere Zeus eine außerordentliche Macht hat, die ihn nicht nur von den Menschen, sondern auch von den anderen Göttern absetzt. Trotzdem wird das Leben auf dem Olymp recht menschlich dargestellt, man streitet sich, trinkt, freut sich an Musik und Gesang, sitzt auf Stühlen in einem weiträumigen Haus und legt sich gemeinsam zu Bett. Hier werden die olympischen Paläste und das Leben in ihnen nach menschlichem Vorbild gezeichnet, auch wenn die Distanz zu ihnen betont wird, wenn Hephaistos davon berichtet, wie er von Zeus aus dem Olymp gestoßen wurde und einen ganzen Tag lang auf die Erde stürzte.

Unter den homerischen Vorstellungen vom Olymp ist bemerkenswert, dass die Götter in ehernen, also Häusern aus Bronze wohnten. In der Ilias werden die Häuser von Hephaistos und Zeus anschaulich beschrieben.31 Das Motiv des »ehernen Hauses« ist von der Forschung nur wenig beachtet.32 Ein berühmtes Vergleichsbeispiel für ein Haus aus Metall ist der sagenhafte dritte Apollontempel in Delphi, von dem der kaiserzeitliche Autor und Griechenlandreisende Pausanias im 2. Jh. n. Chr. berichtet:

»Betreffs des dritten Tempels, daß er aus Bronze gemacht wurde, darüber braucht man sich nicht zu wundern, insofern nämlich Akristios für seine Tochter ein bronzenes Gemach herstellen ließ und in Sparta noch heute das Heiligtum der Athena Chalkioikos besteht und in Rom das wegen seiner Größe und sonstigen Ausstattung bewundernswerte Forum ein bronzenes Dach besitzt. So wäre es wohl nicht unwahrscheinlich, daß auch ein Tempel für Apollon aus Bronze gemacht worden sein soll.« (Übersetzung: Ernst Meyer) (Paus. 10,5,11)

Wie ein solches »ehernes Haus« ausgesehen haben kann, wird aus einer anderen Stelle bei Pausanias deutlich. Als er nach Sparta kommt, beschreibt er den Tempel der Athena folgendermaßen:

»Hier ist ein Heiligtum der Athena gebaut mit Beinamen Poliouchos und Chalkioikos; den Bau des Heiligtums begann, wie sie sagen, Tyndareos. Nach seinem Tode wollten dann seine Söhne das Gebäude neu ausbauen, und dafür sollte ihnen die Beute von Aphidna als Grundlage dienen. Da aber auch diese es unvollendet ließen, errichteten die Lakedaimonier viele Jahre später sowohl den Tempel wie das Kultbild der Athena aus Bronze; Gitiadas, ein Einheimischer, führte es aus. (…) In Bronzereliefs dargestellt sind hier viele Taten des Herakles, aber auch vieles von dem, was er freiwillig leistete, und von den Taten der Söhne des Tyndareos unter anderem der Raum der Töchter des Leukippos und Hephaistos, wie er seine Mutter von den Fesseln befreit.« (Übersetzung: Ernst Meyer) (Paus. 3,17,2–3)

Aus dem Text wird ersichtlich, dass nicht der ganze Tempel aus Bronze errichtet war, vielmehr ist es so zu verstehen, dass das Gebäude an den Wänden reich mit Bronzereliefs geschmückt war. Solche archaischen Bronzereliefs wurden in Olympia und anderenorts gefunden und geben uns einen Eindruck davon, an welche Form der Ausstattung gedacht war.33 Ehern meint hier etwas sehr Wertvolles, etwas, das zu dem Ausstattungsluxus der aristokratischen Elite gehörte, das in der homerischen Lebenswelt auch tatsächlich vorhanden war. Es greift also zu kurz, das Motiv des ehernen Hauses als literarischen Gemeinplatz abzutun, der lediglich allgemein Vorstellungen von ewiger Dauer hervorrufen sollte.34

In der Odyssee wird insgesamt eher allgemein von den im Olymp lebenden Göttern gesprochen, konkrete Bauten werden nicht genannt. Insgesamt ist der Olymp in der Odyssee weniger stark göttlicher Handlungsraum als in der Ilias. In der Ilias ist die Vorstellung, dass die Götter in Häusern auf dem Olymp wohnten, ausgeprägt.35 Neben den domata wird auch einmal der Begriff oikoi für die Häuser genannt.36 Megaron findet sich als Begriff für die Götterwohnungen zweimal in der Ilias.37 Megaron leitet sich von griechisch megas, »groß« ab und bezeichnet einen großen Saal.38 Es entsteht der Eindruck, dass jeder der olympischen Götter ein eigenes Haus auf dem Olymp hatte und dort geradezu eine göttliche Wohnsiedlung vorgestellt ist.

Um dieses Bild weiter zu konkretisieren, sei zunächst aus der Ilias zitiert. Der Kontext der Erzählung sind die Kämpfe vor Troja, bei denen die Götter sich bis auf Eris, die Göttin des Streits, zurückgezogen haben:

»Denn sie allein von den Göttern war bei den Kämpfenden,

die anderen Götter waren nicht bei ihnen, sondern in Ruhe

saßen sie in ihren Hallen (megara), wo einem jeden

die schönen Häuser (domata) erbaut waren in den Falten des Olympos.« (Hom. Il. 11,75–77)

Eine andere Passage, in der lebendig das Leben in diesen Häusern beschrieben wird, steht in der Ilias. Die Situation ist, dass Thetis zu Hephaistos auf den Olymp kommt, um ihn um neue Waffen für ihren Sohn Achill zu bitten:

»Zu dem Haus (doma) des Hephaistos aber kam die silberfüßige Thetis,

dem unvergänglichen, bestirnten, hervorstrahlend unter den Unsterblichen,

dem ehernen (chalkeon), das er selbst gemacht hatte, der Krummfüßige.

Und sie fand ihn, wie er sich schwitzend um die Blasebälge herumbewegte,

geschäftig, denn Dreifüße, zwanzig im ganzen, fertigte er,

rings an der Wand zu stehen der guterstellten Halle (megaron).

Und goldene Räder setzte er einem jeden von ihnen unter den Fuß,

daß sie ihm von selbst zum Versammlungsplatz der Götter liefen

und wieder ins Haus zurückkehrten, ein Wunder zu schauen.

Ja, die waren soweit vollendet, nur die Ohren waren noch nicht

angesetzt, die kunstreichen, die fügte er eben an und schlug die Bänder.

Während er sich damit abmühte mit kundigem Sinn,

indessen kam zu ihm heran die Göttin, die silberfüßige Thetis.

Da lief heraus und sah sie Charis mit dem glänzenden Stirnband.

Die schöne, die zur Frau hatte der ringsberühmt Hinkende.

Und sie wuchs ihr ein in die Hand, sprach das Wort und benannte es heraus:

›Warum, langgewandete Thetis! Kommst du zu unserem Haus,

Ehrwürdige und Liebe? Früher kamst du nicht häufig!

Aber komm herein! Daß ich dir Bewirtungen vorsetze.‹

So sprach sie und führte sie herein, die Hehre unter den Göttinnen,

und ließ sie niedersitzen auf einem Stuhl (thronos) mit silbernen Nägeln,

einem schönen, kunstreichen, und darunter war ein Schemel für die Füße.

Und sie rief Hephaistos, den kunstberühmten, und sagte die Rede:

›Hephaistos! Komm doch heraus! Thetis verlangt etwas von dir!‹«

Die Antwort des Hephaistos, der sich überschwänglich freut, sei übergangen und weiter geht es im Text:

»Sprach es, und vom Amboshalter stand auf die schnaufende Ungestalt,

hinkend, und unten regten sich die dünnen Schenkel.

Die Blasebälge stellt er weg vom Feuer, und alles Gerät,

mit dem er gearbeitet, sammelte er in einem silbernen Kasten.

Und mit einem Schwamm wischte er sich ab das Gesicht und die beiden Arme

und den Nacken, den starken, und die behaarte Brust,

tauchte in den Rock und ergriff den Stab, den dicken, und ging hinaus,

hinkend, und ihn stützend, den Herrn, liefen Dienerinnen,

goldene, die lebenden Jungfrauen glichen.

Die haben drinnen Verstand im Innern und drinnen auch Stimme

und Kraft, und wissen von den unsterblichen Göttern her die Werke.

Die keuchten, den Herrn unterstützend, daher, der aber schleppte

sich hin, wo Thetis war, und setzte sich auf einen schimmernden Stuhl (thronos),

wuchs ihr ein in die Hand, sprach das Wort und benannte es heraus:

›Warum, langgewandete Thetis, kommst du zu unserem Haus,

Ehrwürdige und Liebe? Früher kamst du nicht so häufig! Sage, was hast Du

im Sinn?‹« (Hom. Il. 18,369–392. 410–426)

Wir können uns das Haus des Hephaistos so vorstellen, dass es mehrere Räume hatte, darunter ein Megaron, einen großen Saal, der mit Prachtobjekten (Dreifüßen) geschmückt war.39 Wahrscheinlich ist dieser Saal auch jener, in den Charis die Thetis hereinführt und auf einem Thron Platz nehmen lässt.40 Möglicherweise ist auch an Höfe gedacht, denn Hephaistos verlässt seine Werkstatt und geht unterstützt von seinen goldenen Roboterfrauen in das Haus.41

Es ist in der Forschung umstritten, ob die in den homerischen Epen geschilderte und beschriebene Lebenswelt eine des 8. Jh.s v. Chr., also der Lebenszeit Homers, ist, oder ob einige Dinge auch in ältere Zeit, in die ägäische Bronzezeit des 2. Jahrtausends v. Chr., zurückverweisen.42 Auch für die bei Homer beschriebene Architektur und Ausstattung des Palasts des Hephaistos lassen sich archäologische Befunde als Vergleichsbeispiele anführen, die sowohl aus der Lebenszeit Homers als auch aus

Abb. 9: Zeichnerische Rekonstruktion des Megarons des sogenannten Nestorpalasts in Pylos, 2. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.

älterer Zeit stammen. Noch aus der ägäischen Bronzezeit stammt der sogenannte Nestorpalast in Pylos (auf der Halbinsel Peloponnes).43 Er wird in die zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. datiert und besitzt ein Megaron mit Thron, einen Hof und mehrere angrenzende Wirtschaftsräume ( Abb. 9).44 Ein solches Gebäude könnte in der Beschreibung Homers gemeint sein. Näher an die Lebenszeit Homers kommen wir mit dem Heroon von Lefkandi auf der Insel Euböa.45 Dieses langgestreckte Bauwerk mit halbrundem Abschluss stammt aus dem späten 10. Jh. v. Chr. Es ist ein Grabbau, welcher der zeitgenössischen Hausarchitektur der Aristokratie nachempfunden ist. Das Heroon weist in seiner Ausstattung zahlreiche Bezüge zu homerischen Bestattungssitten und Ausstattungsluxus auf. Architekturtypologisch ist wichtig, dass es auch hier mehrere Räume gibt, von denen einer ein besonders großer Saal ist. Aus dem 8. Jh. v. Chr. stammt ein Hofgebäude in dem Ort Zagora auf der Insel Andros, das um einen Innenhof (H 21) angelegt ist, und in einem der größeren Räume (H 19) ebenfalls eine rechteckige Herdstelle aufweist.46 Auch solche Häuser der lokalen Oberschicht könnten die bei Homer vorgestellte Architektur reflektieren.

Dass die Hausarchitektur der Götter im Olymp in Beziehung zu der tatsächlichen Hausarchitektur der griechischen Aristokraten steht, wird in der Odyssee sogar deutlich ausgedrückt. Dort wird der Palast des Helden Menelaos in Sparta beschrieben und mit dem Palast des Zeus auf dem Olymp verglichen:

»Schau, Nestor-Sohn, du mein Herzen Geliebter!

Das Funkeln von dem Erz rings in den hallenden Häusern,

und von dem Gold und Bernstein und Silber und Elfenbein!

So mag der Hof des Zeus, des Olympiers, sein im Inneren,

wie dieses unendlich Viele hier. Heilige Scheu faßt mich, wenn ich es sehe.« (Hom. Ody. 4,71–74)47

Durch Ilias und Odyssee bekommen wir eine gute Vorstellung davon, dass die Götter als im Olymp wohnend gedacht sind. Die Vorstellung von den Palästen der Götter ist dabei konkret an Verhältnissen der zeitgenössischen Lebenswelt – sicher ins Übertriebene gesteigert – orientiert.

Der Olymp

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